Projekt-165: Marktspannen und Erzeugeranteil an Nahrungsmittelausgaben als Ansatz zum Messen von Marktmacht im Agrar- und Ernährungskomplex

Projektleitung

Franz Sinabell

Forschungseinrichtung

Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung

Projektnummer

1310

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Farm-Retail Price-Spreads - an element for analysing market power in agribusiness

Projektziele

In vor- und nachgelagerten Sektoren der Landwirtschaft werden Konzentrationsprozesse beobachtet. Für Erzeuger landwirtschaftlicher Güter besteht als Preisnehmer die Gefahr der doppelten Marginalisierung: sowohl Vorleistunglieferanten als auch Abnehmer können Gelegenheit zum Ausüben von Marktmacht gewinnen und unter Umständen tatsächlich einsetzen.
Die Erfassung der Marktspannen und die Ermittlung des Anteils der Landwirtschaft an den Ernährungsausgaben - eine zur Beschreibung der Entwicklung des Agrarsektors elementare Informationsquelle - liegt in Österreich 2 Jahrzehnte zurück. Diese Datenquelle stellt die Basis für die Erfassung der Bestimmungsfaktoren von Marktmacht im österreichischen Agrarkomplex dar.
Im Rahmen der Halbzeitbewertung des Programms der ländlichen Entwicklung sind Auswertungen über den Programmerfolg zu erstellen. Im Wesentlichen ist die Änderung der Wertschöpfung landwirtschaftlicher Betriebe durch dieses Programm zu untersuchen. Diese Aufgabenstellung wird als Element der empirischen Analyse im Rahmen dieses Projekts bewältigt.
Das Projekt umfasst folgende Teilschritte:
Bearbeitung der 'Cross-Cutting Question Nummer 4' der Halbzeitbewertung des Programms der Ländlichen Entwicklung in Österreich
- diese umfasst die Zusammenführung der Antworten der Einzeluntersuchungen zu der Querschnittsfrage 'In welchem Umfang hat das Programm die Marktposition für land- und forstwirtschaftliche Grunderzeugnisse verbessert';
- weiters wird ein Kapitel darüber verfasst, in welchem Umfang bessere Ergebnisse erzielt werden können, wenn zur genaueren Beantwortung dieser Frage die Daten von zwei zusätzlichen Beobachtungsjahren verwendet werden können;
- ökonometrische Analyse auf Basis der Ergebnisse von Buchführungsbetrieben.
Das Projekt umfasst folgende Teilschritte:
Bearbeitung der 'Cross-Cutting Question Nummer 4' der Halbzeitbewertung des Programms der Ländlichen Entwicklung in Österreich. Diese umfasst die Zusammenführung der Antworten der Einzeluntersuchungen zu der Querschnittsfrage 'In welchem Umfang hat das Programm die Marktposition für land- und forstwirtschaftliche Grunderzeugnisse verbessert'. Weiters wird ein Kapitel darüber verfasst, in welchem Umfang bessere Ergebnisse erzielt werden können, wenn zur genaueren Beantwortung dieser Frage die Daten von zwei zusätzlichen Beobachtungsjahren verwendet werden können. Darüber hinaus erfolgt eine ökonometrische Analyse auf Basis der Ergebnisse von Buchführungsbetrieben.
In einer empirischen Studie wird in quantitativer Weise die Entwicklung der Markspannen in Österreich während der letzten beiden Jahrzehnte fortgeschrieben und an die veränderten Gegebenheiten angepasst (Berücksichtigung von Strukturbrüchen, Zunahme von Direktzahlungen); damit wird eine Basis für weitere Analysen auch außerhalb des engen Projektrahmens geschaffen.
In einem qualitativ-deskriptiven Teil werden jene Rahmenbedingungen untersucht, unter denen im österreichischen Agrarkomplex Marktmacht vorkommen kann; weiters wird erarbeitet, welche Möglichkeiten der Messung bestehen und welche Informationssysteme allenfalls etabliert werden müssen, um Marktmacht tatsächlich empirisch nachzuweisen.
Der Fokus der Arbeit richtet sich nicht bloß auf die Landwirtschaft, sondern umfasst auch nachgelagerte Bereiche. Denn auch Verarbeiter (z.B. Molkereiunternehmen) können als Lieferanten Marktmacht (durch den Lebensmittelhandel) ausgesetzt sein. Auf diese Weise soll aus der spezifischen österreichischen Ausgangslage heraus auch ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik geliefert werden. Die Schritte in Richtung zunehmender Liberalisierung und auch die Schaffung von Voraussetzungen zur fortschreitenden Integration in den gemeinsamen Wirtschaftsraum lassen Wohlfahrts-gewinne erwarten. Diese sind jedoch gefährdet, wenn nicht gleichzeitig strikte Regelungen verhindern, dass der Wettbewerb in einzelnen Märkten eingeschränkt oder unterbunden wird.
Mit dieser Analyse soll ein umfassender Rahmen erarbeitet werden, innerhalb dessen weitere, produkt- oder verarbeitungsebenenspezifische Detailuntersuchungen eingebettet werden können. Es soll damit auch einen Basis etabliert werden, auf der aufbauend regelmäßig Marktanalysen zur Beleuchtung der Wettbewerbssituation im Agrar- und Ernährungskomplex durchgeführt werden können.

Praxisrelevanz

Die Verringerung der Eingriffsintensität agrarpolitischer Instrumente auf der einen Seite und die massiv fortschreitende Integration von Industrien im vor- und nachgelagerten Bereich auf der anderen Seite setzen die landwirtschaftlichen Betriebe vermehrt Marktsignalen aus. Gleichzeitig wird ihre Marktstellung tendenziell geschwächt. Die quantitativ fundierte Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung ist im strategischen Interesse der österreichischen Landwirte. Darüber hinaus dient das vorliegende Projekt dazu, den Handlungsspielraum der nationalen Politik aufzuzeigen und einen Beitrag zur innereuropäischen Diskussion zu liefern.

Berichte

Abschlussbericht , 01.10.2004

Kurzfassung

In der vorliegenden Untersuchung wurde anknüpfend an zwei österreichische Studien die Frage untersucht, wie sich der Anteil der Landwirtschaft an den Verbraucherausgaben entwickelt hat. Dazu wurden die bisher eingesetzten Methoden adaptiert, um den in der Zwischenzeit eingetretenen strukturellen Änderungen Rechnung zu tragen. Detaillierte Daten des Verbrauchs von Nahrungsmitteln und Getränken bilden die Referenzgröße für diese Untersuchung. Die Gegenüberstellung mit dem aus der österreichischen Landwirtschaft erzeugten Anteil an den Verbraucherausgaben führte zu folgenden Ergebnissen: der Wertanteil der in Österreich produzierten landwirtschaftlichen Güter an den Verbraucherausgaben betrugt 22 % im Jahr 2001 (32 % im Jahr 1990), der Anteil von Gütern tierischer Herkunft betrug 32 % (44 % im Jahr 1990), jener aus pflanzlicher Herkunft betrug 13 % (verglichen zu 18 % im Jahr 1990). Da ein Teil der zur Analyse verwendeten Daten in absehbarer Zeit revidiert werden wird, sind die ausgewiesenen Ergebnisse als vorläufig zu betrachten. Die gewonnenen Ergebnisse bestätigen die kontinuierliche Abnahme des Erzeugeranteils, der für landwirtschaftliche Güter insgesamt 55 % im Jahr 1956 betrug (bzw. 80 % für Nahrungsmittel tierischer und 35 % pflanzlicher Herkunft). Die Zahlen für Österreich weisen ähnliche Größen auf wie in vergleichbaren Ländern (Deutschland und Schweiz) wobei der vergleichsweise hohe Anteil der pflanzlichen Güter auf das starke Gewicht von Wein zurückzuführen ist. Der zeitliche Verlauf zeigt, dass mit dem Beitritt zur EU der Erzeugeranteil stark zurückgegangen ist. In den Folgejahren kann eine leichte Erholung beobachtet werden, die teilweise auf die Hebung der Umsatzsteuer für landwirtschaftliche Güter zurückzuführen sein dürfte, teilweise Konsequenz des Verbrauchs von Nahrungsmitteln ist. Neben der Ermittlung des Erzeugeranteils an den Verbraucherausgaben wurde in der vorliegenden Analyse der Frage nachgegangen, wie die Voraussetzungen zur Messung von Markmacht im österreichischen Ernährungssektor und Lebensmittelhandel sind. Diese Fragestellung hat nicht nur einen wettbewerbspolitischen Hintergrund, sondern auch einen agrarpolitischen. Die Konsequenzen agrarpolitischer Entscheidungen hängen unter anderem davon ab, in welchem Ausmaß Landwirte bereit sind, sie mitzutragen. Schritte zur Liberalisierung der Agrarmärkte und zur Senkung administrativ geregelter Preise werden häufig damit begründet, dass dadurch Netto-Wohlfahrtsgewinne zu erzielen seien. In der Regel wird davon ausgegangen, dass diese den Konsumenten zu Gute kämen. Mit stilisierten Modellen über die Funktionsweise von Agrarmärkten auf denen viele Landwirte als Anbieter auf viele Konsumenten als Nachfrager treffen, können diese Aussagen auch untermauert werden. Die Landwirtschaft ist jedoch nur ein Glied in der Abfolge von Anbietern und Nachfragern in der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Eingebettet in vertikal verbundene Märkte ist die Landwirtschaft abhängig von den Lieferanten und Abnehmern, die aufgrund der strukturellen Entwicklung sehr gering an der Zahl sind. Die Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte sind ihrerseits Anbieter von Fertigprodukten an den Lebensmittelhandel, ein Markt in dem wenige Unternehmen eine dominante Stellung errungen haben. Die hohe Konzentration auf Märkten, die der Landwirtschaft vor- und nachgelagert sind, gibt Anlass zu überprüfen, ob die vereinfachenden Annahmen über perfekten Wettbewerb auf allen Ebenen der Vermarktungskette zutreffend sind. Würden Vorteile aus der Preissenkung von Agrarprodukten (also Kostensenkung für Verarbeitungsbetriebe bzw. in weiterer Folge für den Lebensmittelhandel) nicht weiter gegeben, kämen die Vorteile von Agrarreformen nicht den Konsumenten zugute. Damit würde ein Hauptziel von Politikänderungen verfehlt. Dass die Auswirkungen auch unter österreichischen Bedingungen relevant sind, haben Hofreither, et al. (2000) nachgewiesen. Tatsächlich weisen viele Untersuchungen nach, dass in der Ernährungswirtschaft und im Lebensmittelhandel entweder Branchen oder einzelne Unternehmen in einer Position sind, die es ihnen erlaubt, Marktmacht auszuüben. Die Gründe dafür liegen vor allem in Skaleneffekten, durch die Kostenvorteile realisiert werden können. Die Annahme, dass dieses Verhalten durch Messung der Marktkonzentration eindeutig nachgewiesen werden könnte, trifft nicht zu. Zur empirischen Untermauerung des Befundes müssen entweder Collusionen über Protokolle und dergleichen nachgewiesen werden, oder es müssen mittels ökonometrischer Schätzungen Indikatoren der Marktmacht geschätzt werden. Die internationale ökonomische Literatur belegt in zahlreichen Studien, dass Unternehmen und Branchen der Ernährungsindustrie und der Lebensmittelhandel tatsächlich Marktmacht ausüben. Diese Erkenntnisse können aber nicht einfach auf andere Länder übertragen werden. In den USA ist z.B. über Jahrzehnte eine hohe Konzentration und die Ausübung von Marktmacht im Fleischverarbeitungssektor beobachtet worden. In anderen Ländern konnten diese Befunde jedoch nicht immer bestätigt werden. In Ländern der EU ist vor allem die hohe Konzentration im Lebensmittelhandel auffällig. Jedenfalls sollen Schritte zur Reform der Agrarpolitik nicht darauf beschränkt werden, die Entwicklung des Agrarsektors in eine neue Richtung zu lenken. Begleitend ist es nötig sicherzustellen, dass die angepeilten Ziele auch erreicht werden. Dazu ist es erforderlich kontinuierlich zu untersuchen, in welchem Umfang die Ersparnisse aufgrund sinkender Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Güter an die Konsumenten gelangen. Ein Vergleich der Erzeugerpreise der Landwirte mit den Verbraucherpreisen in Österreich über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten zeigt, dass die Preistransmission nicht vollkommen ist. Preissenkungen auf Erzeugerebene sind nicht im selben Ausmaß auf Verbraucherebene zu finden. Ob dieses Verhalten auf das Ausüben von Marktmacht in einem oder mehreren nachgelagerten Sektoren zurückzuführen ist, kann durch die Gegenüberstellung von einzelnen Zeitreihen nicht belegt werden. Zur Untermauerung der These fehlender oder unvollständiger Preistransmission und zur Untersuchung der auslösenden Faktoren müssen ökonometrische Studien angestellt werden. Die systematische Untersuchung der in Österreich dafür geeigneten Daten identifizierte auf allen der Landwirtschaft nachgelagerten Ebenen (Verkaufspreise landwirtschaftlicher Erzeugnisse auf Verarbeitungsebene, Abgabepreise verarbeiteter Produkte an den Großhandel, Verbraucherpreise in Lebensmittelläden und anderen Verkaufsstellen) entsprechende Quellen. Auf der Basis von derzeit veröffentlichten Datenquellen kann jedenfalls das Marktverhalten einzelner Branchen untersucht werden, und zwar sowohl im vor- als auch nachgelagerten Bereich. Daneben sind aber im Prinzip auch Untersuchungen auf Unternehmensebene möglich, hier allerdings nur im nachgelagerten Bereich. Im Zuge der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik werden systematisch sehr detaillierte Daten auf Unternehmensebene gesammelt. Diese sind in anderen Ländern (z.B. Milcheinkaufspreise je Molkerein in Deutschland) öffentlich zugänglich (über ZMP). Dieses Daten sollten daher auch in Österreich für Zwecke der detaillierten Marktanalyse zur Verfügung stehen. Mit solchen Daten kann mittels geeigneter Modelle untersucht werden, ob Marktmacht auf den nachgelagerten Sektoren tatsächlich ausgeübt wird. Für die Untersuchung, ob dies auch im Vorleistungssektor zutrifft, stehen nur Daten zur Branchenanalyse zur Verfügung. Die Panel-Daten, die auf Haushaltsebene erhoben werden, um den österreichischen Lebensmittelmarkt zu analysieren, sind bestens geeignet, Fragen im Zusammenhang mit Marktmacht im Lebensmittelhandel zu untersuchen. Wegen der großen Bedeutung sowohl im Konsum als auch in der Erzeugung bietet sich der Milchmarkt dafür in besonderer Weise an. Im internationalen Vergleich ist die Struktur der österreichischen Unternehmen in den nachgelagerten Sektoren von einer großen Anzahl sehr kleiner Betriebe geprägt. Dieser Umstand könnte als Begründung dafür herangezogen werden, dass es sich nicht lohnt, Untersuchungen zur Feststellung der Marktmacht durchzuführen. Diese Sicht ist aus zwei Gründen nicht gerechtfertigt. Im Lebensmittel ist der Grad der Konzentration sehr hoch und es gibt zahlreiche Indizien, dass auf dieser Ebene Marktmacht auch ausgeübt wird. Es ist daher unerheblich, dass es Unternehmen gibt, die noch viel größer sind (z.B. Wal-Mart oder Tesco). Selbst wenn Unternehmen die Vorteile, die sie aus dem Ausüben von Marktmacht gewinnen, dazu nutzen würden, bessere Produkte zu entwickeln und kostensenkende Maßnahmen zu implementieren, ist dies aus wirtschaftspolitischer Sicht nur eine zweitbeste Lösung. Die Duldung des Ausübens von Markmacht hat negative Konsequenzen auf den Markteintritt anderer Unternehmen und verschlechtert die Bedingungen für andere Marktteilnehmer in derselben Branche.

Berichtsdateien

1310_Marktspannen.pdf

Autor/innen

Franz Sinabell, Gerhard Streicher