Die Gottesanbeterin Mantis religiosa ist eine Insektenart, die sich in den letzten 30 Jahren in Österreich ausgebreitet hat, gleichzeitig sind aber die Individuendichten an ihren Fundorten signifikant gesunken. Sonderstrukturen im Ackerland wie hier eine artenreiche Brache sind vielerorts entscheidend für ihr Vorkommen.

© Thomas Zuna-Kratky

Veränderung von Insektenpopulationen in Österreich in den letzten 30 Jahren - Ursachen und ausgewählte Beispiele

Die Veränderung des Artenbestandes von Insekten in Österreich ist ein seit langem untersuchtes Thema, das vor allem durch die Darstellung in den Roten Listen der gefährdeten Tiere Österreichs für viele Gruppen bereits ausführlich abgehandelt wurde. Erst in neuerer Zeit haben Auswertungen quantitativer Studien gezeigt, dass auch die Individuenzahl bzw. die Biomasse vieler Insektengruppen offenbar stark rückläufig ist. Während für manche Wirbeltiergruppen – vor allem Vögel – langjährige, teils auch räumlich detailliert aufgelöste Zeitreihen über die Veränderungen der Populationsdichte und Individuenzahlen existieren und die Ursachenforschung hinter diesen Phänomenen teils weit fortgeschritten ist, fehlt diese Information weitgehend für Insekten wie auch für fast alle anderen Wirbellosen in Österreich. Die vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und den neun Bundesländern in Auftrag gegebene „Insektenstudie“ verfolgt daher mehrere Ziele:

Basierend auf internationalen Forschungsergebnissen und Studien wurden anthropogene Wirkfaktoren identifiziert, die maßgeblich das Vorkommen und die Größe von Insektenpopulationen in Österreich beeinflussen und deren Wirkungsweise dargestellt. Mit Hilfe von vorhandenen österreichischen Untersuchungen sowie der Auswertung von Statistiken und Evaluierungen wurden versucht, die Bedeutung der jeweiligen Wirkfaktoren und deren Veränderung in den letzten 30 Jahren in Österreich aufzuklären.

Parallel dazu wurde eine Insekten-Stichprobe, die mit 4.285 Arten etwa 11 % der heimischen Insektenfauna umfasst, ausgewählt und anhand der Sensibilität dieser Arten die Wirksamkeit der jeweiligen Wirkfaktoren auf die Bestandsentwicklung der Insekten abgeschätzt. Dies erfolgte anhand einer durch Experten jeder Art zugeordneten Serie von insgesamt elf Parametern, die für die Art entscheidend für das Vorkommen sind (z. B. spezifische Abhängigkeit von anderen Arten, klimatische Ansprüche an Wärme bzw. Trockenheit, Bindung an Sonderstandorte, Generationenlänge etc.).

Um zu konkreten Daten über die Veränderung von Insektenpopulationen in Österreich zu gelangen, wurde eine umfangreiche Recherche unternommen, bei der elf Studien aus dem Untersuchungszeitraum gefunden wurden, die Hinweise auf entsprechende Veränderungen geben konnten. Um diese schwache Datengrundlage zu verbessern, wurden zusätzlich fünf Erhebungen von Insekten auf unterschiedlichem räumlichen Niveau zehn bis 33 Jahre nach deren Umsetzung mit derselben Methodik erneut erhoben. Dabei handelte es sich um eine österreichweite Erhebung von Heuschrecken und Fangschrecken, eine Erhebung von Hummeln bzw. Heuschrecken in Hochlagen der Hohen Tauern, eine Erhebung von Wanzen und Zikaden in Grünlandgebieten Südostösterreichs und eine Erhebung von Hummeln in Wiesen des Flachgaus. Zusätzlich wurde das Datenmaterial einer Erhebung über Heuschrecken und Tagfalter in Ackerbaugebieten („BINATS“) sowie einer Heuschreckenerhebung in Extensivwiesen des Jauerlings im Sinne dieser „Insektenstudie“ ausgewertet. Zusammen stellen diese Erhebungen an 309 Testflächen in repräsentativen Landschaftsräumen den derzeit umfangreichsten Datensatz zur Veränderung von Insektenpopulationen in Österreich dar.

Basierend auf den Analysen der Bedeutung der Wirkfaktoren für die Veränderung der Insektenwelt in Österreich wurden abschließend konkrete Maßnahmen erarbeitet, die auf zielsicherem Wege zu einer Verbesserung der Situation von Insektenpopulationen in Österreich beitragen können und in künftigen Schutz- und Fördermaßnahmen vordringlich Berücksichtigung finden sollten.

Die Analyse der Wiederholungserhebungen von Insektenpopulationen zeigte vielfach ähnliche Muster, die auf allgemeine Entwicklungen, zumindest von vergleichbaren Insektengruppen in der Kulturlandschaft sowie in den Hochlagen der Alpen hindeuten. So wiesen die Untersuchungen bei den für Insektenpopulationen charakteristischen starken Schwankungen relativ stabile Gesamtartenzahlen sowie Artenzahlen pro Testfläche im Laufe der Untersuchungsperiode auf. Die Individuendichten zeigten unterschiedliche Entwicklungen, wobei stabile Verhältnisse dominierten. Signifikante Rückgänge in der Häufigkeit zeigten jedoch die Heuschrecken und Fangschrecken in der österreichweiten Erhebung. Für alle Untersuchungen charakteristisch waren jedoch deutliche Veränderungen in der Artenzusammensetzung. Typischerweise verschwanden spezialisierte Arten von nährstoffarmen Standorten sowie an kältere Klimate angepasste Insekten, die zunehmend von wärmeliebenden Arten sowie von Insekten mit breiterer ökologischer Amplitude ersetzt wurden.

Die Analyse des Einflusses der Wirkfaktoren konnte vor allem konkrete Belege für die negative Wirkung der Intensivierung im Grünland, der Aufgabe traditioneller Nutzungsformen in der Land- und Forstwirtschaft, der anhaltenden Eutrophierung sowie der Bedeutung des Verlustes von Sonderstrukturen in der Landschaft erbringen, während die Klimaerwärmung sich im Untersuchungszeitraum tendenziell positiv auf die untersuchten Insektenpopulationen auswirkte. Für manche mit Sicherheit insektenrelevante Wirkfaktoren wie dem Ausbringen insektentoxischer Stoffe, der Verbauung oder der Lichtverschmutzung konnten die Wiederholungserhebungen keine Beiträge liefern, deren negativer Einfluss ist aber aus der Literatur gut belegt.

Die wichtigsten und effizientesten Maßnahmen zur langfristigen Absicherung arten- und individuenreicher Insektenpopulationen in Österreich wurden im abschließenden Teil der „Insektenstudie“ ausformuliert. Besonders hervorzuheben sind dabei die Fortführung bzw. Ausweitung traditioneller Nutzungsformen in der Grünlandwirtschaft (v. a. ein- und zweimähdige Wiesen, Streuwiesen, Bergmähder und Hutweiden) sowie im Wald (v. a. Mittelwald, Kopfbaumnutzung), Erhalt und Anlage von Sonderstrukturen (z. B. Kleingehölze in der Kulturlandschaft, Ackerbrachen, Überhälter im Wald, naturnahe Gewässerufer), Abpufferung der Effekte der Intensivierung von Grünlandnutzung (z. B. durch „Abgestuften Wiesenbau“, insektenschonende Mahd, Belassen ungemähter Abschnitte). Die Reduktion insektenschädlicher Stoffeinträge (v. a. Pestizide, Stickstoff) sowie der Lichtverschmutzung sowie eine starke Reduktion der Versiegelungsrate sind weitere wichtige Elemente einer insektenfreundlicheren Landnutzung. Langfristig sind auch Strategien zur Abmilderung negativer Klimafolgen zu erarbeiten.

Zum vollständigen Verständnis der Insektenstudie ist neben dem Endbericht auch der dazugehörige Dokumentationsband notwendig, in dem die Herleitung der Aussagen zu den Wirkfaktoren, die konkreten Methoden und Ergebnisse der Wiederholungserhebungen sowie die umfangreichen Quellen abrufbar sind.

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