Projekt-643: Landwirtschaft und biologische Vielfalt: Wirtschaftliche Aspekte der Erhaltung der Biodiversität unter besonderer Berücksichtigung der Inverkehrbringung von gentechnisch veränderten Organismen

Projektleitung

Josef HOPPICHLER

Forschungseinrichtung

Direktion Bergbauern

Projektnummer

10598

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Agriculture and biological diversity: Economic aspects of protection of biodiversity with special reference to the placing on the market of Genetically Modified Organisms (GMO)

Projektziele

Ein wesentlicher Teilaspekt der Konvention über biologische Vielfalt ist der Bereich einer „sicheren Weitergabe, Handhabung und Verwendung der durch die Biotechnologie hervorgebrachten lebenden Organismen“ (Biosafety-Protokoll) und der damit verbundenen internationalen Akkordierung der Regelungen zur Gentechnik. Auch im Rahmen der Novellierung der EU-Freisetzungsrichtlinie (RL 90/220/EWG) stand das Spannungsverhältnis zwischen Biodiversitätsschutz und den möglichen direkten und indirekten Risiken der Gentechnik zur Diskussion.

Deshalb wurde im Rahmen dieses Projektes in Bezug auf die Freisetzung bzw. vor allem aber in Bezug auf die Inverkehrbringung von GVO das rechtliche und ökologisch argumentierbare Möglichkeitsfeld in der Definition von Kriterien zur Abgrenzung von „GVO-freien ökologisch sensiblen Gebieten“ aufgezeigt. Insbesondere war damit das Möglichkeitsfeld zur Festlegung von bestimmten „Umweltgegebenheiten und /oder geographischen Gebieten“ (Art. 13 Abs. 5 der RL 90/220/EWG) angesprochen, um spezifische Einsatzbedingungen für die GVO-Marktzulassung zu definieren.

Gleichzeitig sollten innerhalb dieses Projektes auch Fragen der Gewährleistung der Gentechnikfreiheit des Biologischen Landbaus sowohl durch die Einrichtung GVO-freier Gebiete als auch durch andere Maßnahmen behandelt werden (Koexistenzproblematik).

In einer zweiten Teilprojekt sollte durch eine breit angelegte Befragung von ExpertInnen, die mit den Fragekomplexen der Freisetzung und Inverkehrbringung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO’s) konfrontiert sind (bzw. sein werden), deren Meinungsprofile, Einschätzungen, Argumente für und wider sowie deren Problemsichten zur Thematik „GVO-freie Gebiete“ erfasst werden. Weiters wurden im Bereich der Landwirtschaft und des Naturschutzes EntscheidungsträgerInnen und MeinungsführerInnen insbesondere auch aus der Politik und Verwaltung auf Landesebene mit einbezogen, um Konzepte für GVO-freie ökologisch sensible Gebiete auf ihre Realisierbarkeit zu testen. Die Schwerpunkte der Befragung bildeten folgende Problembereiche:
- das Verhältnis der agrarischen Gentechnikanwendung zu den Anforderungen des Naturschutzes
- die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Entscheidungen
- die direkten und indirekten Auswirkungen auf die Landwirtschaft in ökologisch sensiblen Gebieten (z.B. Berglandwirtschaft)
- die Anforderungen an eine „gentechnikfreie“ Erzeugung durch den Biologischen Landbau
- die Gewährleistung der „GVO-Freiheit“ in der In Situ Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen
- die Möglichkeit, das Alpen- und Berggebiet als „GVO-freies Biosphärenschutzgebiet“ zu definieren
- sowie die Umsetzungsprobleme in Zusammenhang mit der Definition „GVO-freier Gebiete“

Berichte

Abschlussbericht , 31.12.2004

Kurzfassung

Teil 1 (descriptiv – analytisch): Wenn von der Grundthese ausgegangen wird, dass auf Grund der beschränkten Prognosefähigkeit der wissenschaftlichen Modelle und damit aufgrund der Unbestimmtheit (uncertainty) das Risiko und die mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen der Freisetzung (Inverkehrbringung) von GVOs insbesondere in bezug auf die biologische Vielfalt nicht voraussagbar ist, so ist ein „Beweis für die Sicherheit“ von GVOs vor allem für längerfristige Zeiträume nicht möglich. Umweltverträglichkeitsprüfung (risk assessment) anhand der Vorgaben der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG vermag nur (vorläufige) Einsatzbedingungen, Kontrollmechanismen und Begrenzungen vorzugeben, die sich am gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Technik orientieren. Dieses „risk assessment“ bewegt sich aber gleichzeitig in einem Raum der „Unsicherheit“, da weder die Dynamik der Entwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik einbezogen werden kann, noch die Dynamik der Interaktionen zwischen menschlicher Gesellschaft und biologischer Vielfalt, geschweige denn, das Ausmaß und die Bedeutung der Biodiversität selbst ausreichend bekannt sind. Deshalb ist es notwendig, sollte es in Europa zur weitgehend „uneingeschränkten“ Inverkehrbringung von GVOs kommen, durch Anwendung des Vorsorgeprinzips größere geographische Gebiete auszunehmen, in denen keine GVOs eingesetzt werden. Folgende Varianten, die grundlegend argumentiert werden können, würden sich zur Abgrenzung für „GVO-freie“ ökologisch sensible Gebiete anbieten: * Naturschutzgebiete und angrenzende Gebiete * Gebiete für die verstärkte In-situ Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen * Gebiete für die Sicherung einer möglichst weitgehenden „gentechnikfreien“ Produktion für den biologischen Landbau als alternative Technologieoption * Entwicklungsgebiete in Anlehnung an Biosphärenreservate als Experimentierraum für nachhaltige Entwicklung * Die besondere Berücksichtigung der ökologischen Empfindlichkeit der Berggebiete nach Agenda 21 Insbesondere wird, zusätzlich zu Naturschutzgebieten, auf die empfindlichen Ökosysteme des Alpen- und Berggebietes reflektiert, um die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt dieser Gebiete weiterhin zu gewährleisten. Teil 2 (ExpertInnenbefragung): Das Verhältnis zwischen Naturschutz und Gentechnikanwendung in der Landwirtschaft ist ein äußerst klärungsbedürftiges. Ca. 75 % der befragten ExpertInnen betrachten GVO’s als wesentliche Beeinträchtigung in einem Naturschutzgebiet und fordern zumindest eine Ausdehnung der Nicht-Freisetzung auf Gebiete, die an Naturschutzgebiete angrenzen. Das Konzept, möglichst große, GVO-freie, ökologisch sensible Gebiete (z.B. von der Größe eines Bundeslandes) zu definieren, wird von der großen Mehrheit der ExpertInnen ebenfalls begrüßt (ca. 73 %). Man ist auch von einer Argumentierbarkeit oder Umsetzbarkeit im Rahmen der EU relativ überzeugt. Dieses Konzept ist aber nicht konfliktfrei. Es gibt in Teilen der Agrarverwaltung sowie in einzelnen Wissenschaftsbereichen auch eine starke Ablehnungshaltung. Die Idee, das gesamte Alpen- und Berggebiet als „GVO-freies Biosphärenschutzgebiet“ auszuweisen; unter der Begründung: * eine Modellregion für einen alternativen landwirtschaftlichen Technologiepfad zu schaffen, * nachhaltige Entwicklungsplanung in der Landwirtschaft in Kombination mit Naturschutzanforderungen zu verwirklichen, * den Schutz der Berg- und Wasserressourcen durch extensive Wirtschaftsweisen sicher zu stellen, * und um einen Ausgleichs- und Regenerationsraum für mögliche, nicht vorhersehbare Fehlentwicklungen (durch Gentechnikanwendung in der Landwirtschaft) anzubieten, wird von 78 % der Befragten als gute bis sehr gute Idee bezeichnet. Dieses Konzept hätte somit einige politische Brisanz. Was die Umsetzbarkeit betrifft hält man sich eher bedeckt: Man sagt weder, es sei realistisch, noch es sei unrealistisch. Große Defizite bestehen in der Berücksichtigung der Bedürfnisse des Biologischen Landbaus. So werden von 89 % der befragten ExpertInnen GVO-freie Zucht- und Vermehrungsgebiete für biologisches Saatgut gefordert. Als Strategieempfehlung für den Biologischen Landbau werden vorwiegend neben der Berücksichtigung der Gentechnikfreiheit in den Agrarumweltprogrammen und der Unterstützung der regionalen Vermarktung vor allem gebietsbezogene Strategien genannt. Dabei werden möglichst große GVO-freie Gebiete bevorzugt. Auf die Frage, wer die zusätzlichen Analysekosten für die Gentechnikfreiheit tragen soll, wird vorwiegend das Verursacherprinzip (Erzeuger von GVOs) angesprochen. Es wird aber auch von den VertreterInnen der Bio-Verbände die Meinung geäußert, die öffentliche Hand solle zahlen. Man ist auch eindeutig der Ansicht, dass die In Situ (On Farm) Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen gentechnikfrei erfolgen müsse. Auch hier bestehen große Defizite, diese wichtigen Anforderungen in den politischen Entscheidungen zu berücksichtigen. Im Laufe von Vorgesprächen mit ExpertInnen und als Ergebnis der diversen Anmerkungen zum Fragebogen stellte sich heraus, dass im Hintergrund der Thematik Freisetzung und Inverkehrbringung von GVOs (nachdem es sich um einen weitgehend irreversiblen Prozess handelt) auch um eine grundsätzliche Rechtsfrage gerungen wird: Ob die BürgerInnen, die Freisetzungen und GVOs in Nahrungsmittel ablehnen, ein Recht auf die genetische Integrität einer „natürlichen“ Umwelt haben, oder ob die Betreiber von Freisetzungen ein Recht auf Belastung mit GVOs (unabhängig vom Nachweis eines möglichen Schadens) haben.