Projekt-337: Grundlagen für eine gleichstellungsorientierte Regionalentwicklung

Projektleitung

Theresia OEDL-WIESER

Forschungseinrichtung

Direktion Bergbauern

Projektnummer

10111

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Projektziele

Der Auftraggeber wollte mit dieser Studie einen Impuls für die kritische Auseinandersetzung mit der von der Europäischen Kommission für die aktuelle Strukturfondsperiode verordneten Vorgaben und Leitlinien zum Gender Mainstreaming setzen und eine Diskussionsgrundlage für die verstärkte Einbindung von Gleichstellung von Frauen und Männern in der Regionalentwicklung schaffen. Geschlechterverhältnisse werden in unserer Gesellschaft sehr wesentlich über Politiken beeinflusst und mitgestaltet, die nicht direkt auf das Geschlecht der Menschen Bezug nehmen. In der politischen Praxis zeigt sich, dass viele Programme und Maßnahmen, die auf den ersten Blick 'geschlechterneutral' scheinen, verschiedenste Formen der Ungleichheit zwischen Frauen und Männern (re)produzieren. Die Geschlechterspezifik des eigenen politischen Handelns wurde vor allem in den wirtschaftsnahen Politikbereichen – darunter auch in der Agrarpolitik – bisher wenig reflektiert.

Aus diesem Grund ist es erforderlich, bei allen politischen Prozessen, Entscheidungen und Maßnahmen auf die bewusste Einbeziehung einer geschlechterspezifischen Sichtweise zu achten und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern zu berücksichtigen. Gender Mainstreaming bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Auseinandersetzung mit sozialen Unterschieden zwischen den Geschlechtern (mit 'Gender') zur politischen Selbstverständlichkeit (zum 'Mainstream') werden muss. Über die Strategie des Gender Mainstreaming sollen im politischen Alltag Prozesse in Gang gesetzt werden, die sicherstellen, dass geschlechterbezogenes (Mit)Denken und gleichstellungsorientiertes Handeln alle Politikbereiche durchdringt und, abgestimmt auf die neue Zielsetzung, auch verändert.

Die Zielgruppen, die mit dieser Studie angesprochen werden sollen, sind einerseits die in der Regionalentwicklung und Regionalpolitik tätigen Fachleute, andererseits aber auch Expertinnen aus dem frauenspezifischen Bereich, die angeregt werden sollen, ihre politischen Forderungen in Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern auch in das so genannte 'geschlechterneutrale' Politikfeld der Regionalentwicklung und der Regionalpolitik verstärkt einzubringen.

Folgende Fragen waren für die Erstellung der Studie relevant:
- Was bedeuten die Begriffe wie Chancengleichheit, Gleichstellung und Gender Mainstreaming und was haben sie mit Regionalentwicklung zu tun?
- Welche Dynamiken im Bereich der Regionalentwicklung in Österreich sind für Frauen und ihre Gleichstellung derzeit besonders kritisch und wo treten sie regional auf? Welche Entwicklungen müssten gefördert werden, um die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben?
- Inwiefern und auf welche Weise leisten regionalpolitische Interventionen einen Beitrag zur (Re)Produktion von Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern?
- Was verliert (Kosten) Regionalentwicklung, wenn sie die Reproduktion von Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern hinnimmt? Was könnte sie gewinnen (Nutzen), wenn sie auf eine verbesserte Gleichstellung hinarbeitet?
- Wo kann im Rahmen des regionalpolitischen Settings in Österreich realistischerweise angesetzt werden, damit Regionalentwicklung in Zukunft eine Chance hat, gleichstellungsorientierter als bisher zu verlaufen?
- Was sind notwendige Rahmenbedingungen für die verbesserte Implementierung einer Gleichstellungsorientierung in der österreichischen Regionalpolitik? Was sind offene Forschungsfragen?

Berichte

Abschlussbericht , 31.07.2003

Kurzfassung

Die Studie zeigte folgende Rahmenbedingungen und Handlungsstrategien auf, die notwendig sind, um eine bessere Gleichstellungsorientierung in der österreichischen Regionalentwicklung zu erreichen. Die Verwirklichung einer 'Gleichstellungsorientierten Regionalentwicklung' wird von vielfältigen Rahmenbedingungen beeinflusst. Handlungsstrategien, Interventionen und Maßnahmen sollten sich auf folgende Bereiche beziehen: Die Unterschiede im 'Geschlechterdenken' der am regionalpolitischen Prozess beteiligten AkteurInnen müssen thematisiert und explizit als Chance begriffen werden. Die gleichstellungspolitischen Vorgaben der EU sollten nicht nur in Hinblick auf beschäftigungsrelevante Qualifizierung, sondern in ihrem gesamten Umfang aufgegriffen werden. Mehr Augenmerk als bisher muss etwa auch in der Regionalpolitik der Auflösung bestehender und neuer geschlechterspezifischer Segregationen am Arbeitsmarkt geschenkt werden. In Ergänzung zu den Vorgaben der EU ist darauf zu achten, dass auch Aspekte der 'Selbstermächtigung' von Frauen (des Empowerment) explizit in den Kanon förderbarer Projekte bzw. Projektinhalte aufgenommen werden. Die Innovationsorientierte Regionalpolitik muss insgesamt stärker als bisher auch auf Innovationen im versorgungswirtschaftlichen Bereich, im Dienstleistungsbereich und in Spezialisierungsbereichen, die auf vorhandenes Potenzial bei Frauen und Mädchen aufbauen, setzen und muss im Zuge ihrer Vernetzungsaktivitäten auf eine bessere Inkludierung von Frauen und Fraueneinrichtungen achten. In einem ersten Schritt ist es unerlässlich, durch explizite Konzentration von Mitteln auf Frauenförderung für einen Aufbau von Gender-Expertise auf regionaler Ebene zu sorgen. Dies gilt für die Wirtschafts-, Verkehrs-, Technologie-, Innovations- und Agrarpolitik auch auf nationaler Ebene. Parallel zum Aufbau einer frauenbezogenen Gender-Expertise ist es notwenig, insbesondere in den Bereichen der Wirtschafts-, Verkehrs-, Technologie-, Innovations- und Agrarpolitik umfassende Sensibilisierungskampagnen einzuleiten, die den EntscheidungsträgerInnen, die 'Männlichkeit' der in den Politikfeldern dominierenden Diskurse, Politiken und Maßnahmengestaltungen vermitteln. Um im derzeitigen regionalpolitischen Diskurs wahrgenommen zu werden, muss Gleichstellung als ökonomische Frage gesehen und vermittelt werden. Die Frauen- und Gender-Expertinnen sind explizit aufgefordert, sich mehr als bisher auch auf ökonomische Diskussionen einzulassen. Es muss rechtliche und finanzielle Vorsorge dafür getroffen werden, dass geschlechterspezifische Daten auf regionaler Ebene erhoben und ausgewertet werden können. Es ist darauf hinzuarbeiten, dass zumindest die relativ leicht zugänglichen und relativ kostengünstigen Daten, die von den verschiedenen Institutionen öffentlich publiziert werden, durchgehend geschlechterdifferenziert ausgewiesen werden. Regionalpolitik muss sich der Geschlechterbilder, die ihre Programme und Maßnahmengestaltungen prägen, stärker als bisher bewusst werden. Frauen müssen insbesondere als Potenzial für Regionalentwicklung und als handlungsfähig im regionalpolitischen Prozess wahrgenommen werden. Frauen müssen in allen Regionen Österreichs besser als bisher am Mainstreaming von Regionalentwicklung beteiligt werden. Die Einbindung von Frauen, Frauenbeauftragten, Frauenexpertinnen und Gleichstellungsexpertinnen in regionalpolitische Gremien muss dabei über entsprechende Finanz- und Zeitressourcen abgesichert und ihrer Mitarbeit über klare Aufgabendefinitionen mehr Autorität gesichert werden. Die Anliegen der Frauen müssen besser als bisher auch einen Niederschlag in der Prioritätensetzung und strategischen Ausrichtung regionalpolitischer Prozesse und Programme finden. Die Arbeit der Expertinnen für Frauenfragen auf Landesebene, Regionalebene und lokaler Ebene muss besser als bisher durch finanzielle Mittel abgesichert werden. Mit der Verankerung von Gender Mainstreaming als Handlungsleitlinie in vielen Sektoralpolitiken auf nationaler und Landesebene entsteht eine Vielfalt an neuen Aufgaben, die mit den derzeitigen personellen und finanziellen Ausstattungen der verschiedenen Frauenbüros nicht wirklich zielführend wahrgenommen werden können. Auch im Bereich der Regionalpolitik ist die Verankerung von Gender Mainstreaming Prozessen nur möglich, wenn institutionelle Strukturen für die Beratung und Umsetzung aufgebaut werden. Regionalpolitik muss darauf achten, dass die 'kleinen' Fördertöpfe, aus denen die meisten Frauenprojekte bisher ihr Geld beziehen, im Zuge einer Zentrierung von Fördergeldern auf Leitprojekte nicht verloren gehen. Es ist insbesondere darauf hinzuarbeiten, dass die Gelder für Gemeinschaftsinitiativen und Aktionsprogramme der EU in der nächsten Strukturfondsperiode erhalten bleiben. Auch Bund und Länder müssen verstärkt Geldmittel für integrative (sektorübergreifende) Pilotprojekte zur Verfügung stellen. Die Regionalpolitik muss darüber hinaus auch darauf achten, dass Frauen nicht nur 'indirekt' an den großen Ausgaben partizipieren. Die Frauen sind ihrerseits gefordert, Hemmungen abzulegen und sich auch um 'große' Finanzmittel zu bewerben. Für die internationale und innernationale Vernetzung von Frauen und Fraueneinrichtungen, die im Bereich der Regionalentwicklung tätig sind, müssen verstärkt Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Auch Männer sind aufgefordert, ihren Gender-Blick durch die Beteiligung an internationalen Vernetzungen bewusst zu erweitern. Der Implementierung von Gender Mainstreaming ist im Rahmen der Evaluationen in allen Ziel-1 und Ziel-2 Programmen sowie regional relevanten Gemeinschaftsinitiativen entlang der in der Studie zusammengestellten Grundlagen besonderes Augenmerk zu schenken.