Projekt-336: Infrastrukturentwicklung im ländlichen Raum

Projektleitung

Ingrid MACHOLD

Forschungseinrichtung

Direktion Bergbauern

Projektnummer

10110

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Projektziele

Das Forschungsprojekt 'Infrastrukturentwicklung im ländlichen Raum' hatte zum Ziel, die Bedeutung der infrastrukturellen Grundversorgung für die Attraktivität des ländlichen Raums herauszuarbeiten und zu analysieren. Dazu zählt die kommunale und überregionale, soziale und wirtschaftliche Infrastruktur, wie beispielsweise eine ausreichende Nahversorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Gebrauchs, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, gesundheitliche Infrastruktur öffentlicher Personennahverkehr. In wesentlichen Bereichen waren in den letzten Jahren eindeutig Rückbautendenzen zu erkennen, die negative Auswirkungen auf die ländlichen Gebiete mit sich brachten. Neben einer gesamtösterreichischen Bestandsaufnahme dieser Bereiche sowie deren regionaler Verteilung und Entwicklungsdynamik wurde die Entwicklung mittels qualitativen Interviews in zwei steirischen Gemeinden untersucht. Mit diesen Gemeinde-Fallstudien sollten die individuellen Auswirkungen auf die Gestaltung des Alltags sowie die Wahrnehmung von Rückbautendenzen herausgearbeitet werden.

Berichte

Abschlussbericht , 31.12.2004

Kurzfassung

Wahrnehmung der Infrastrukturentwicklung durch die Betroffenen Insgesamt folgt die Wahrnehmung von Entwicklungstendenzen bei den Infrastrukturen dem Anpassungsverhalten und ist durch lebenszyklisches Nutzungsverhalten geprägt. Werden bestimmte Infrastrukturen (Post, Greißler etc.) nicht selbst in Anspruch genommen, so besteht die Tendenz deren Bedeutung auch geringer einzuschätzen, auch dann wenn objektiv Defizite vor Ort bestehen. Weniger mobile Personengruppen sind sensibler als der individual-motorisierte Teil der Bevölkerung, der vermehrt auf die überörtlichen Infrastrukturen zurückgreifen kann. Bezüglich der Einstellung zum wahrgenommenen Rückbau der Infrastrukturen herrscht eine gewisse Widersprüchlichkeit der Argumentation vor: Einerseits wird von den Befragten der Ausgleich von Benachteiligungen gefordert (gleiche Lebenschancen für Stadt und Land), andererseits wird auch das ökonomische Kalkül als gerechtfertigt angesehen ('das rechnet sich halt nicht mehr'). Multifunktionalität von Infrastruktureinrichtungen Neben der Art der Wahrnehmung bzw. der Deutung von Entwicklungstendenzen können in weiterer Folge wesentliche Funktionen der Infrastruktureinrichtungen unterschieden werden. Die Versorgung der lokalen Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs gehört zu den bedeutendsten Funktionen von sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktureinrichtungen. Durch die Analyse von Interviews mit InfrastrukturanbieterInnen und Betroffenen in den Untersuchungsgemeinden wird allerdings klar, dass soziale und wirtschaftliche Infrastruktur neben der Versorgungsfunktion noch andere Funktionen hat, die für die Bevölkerung vor Ort wesentlich ist. Infrastruktureinrichtungen stellen wichtige Treffpunkte und Kommunikationsorte dar, wo sich die lokale Bevölkerung unverbindlich trifft und Neuigkeiten ('Dorftratsch') austauschen kann. Gerade für ältere, weniger mobile Menschen stellen Erledigungen und Besorgungen in der Gemeinde eine akzeptierte Möglichkeit dar, unter Menschen zu kommen und Verbindungen aufrecht zu erhalten. Auch den mobileren DorfbewohnerInnen dient die ortsansässige Infrastruktur der Pflege und dem Erhalt sozialer Kontakte. Infrastruktureinrichtungen haben im Sinne einer 'Entschleunigung' auch Auswirkungen auf den öffentlichen Raum innerhalb der Gemeinde. Der Verkehr wird nicht nur durch die Gemeinde durchgeleitet, Besorgungen und Erledigungen können auch in der Gemeinde getätigt werden. Mit dem Verlust dieser Einrichtungen wird die Gemeinde zunehmend zum Durchzugsort, eine Entleerung der Gemeinde bezieht sich damit nicht nur auf den Rückbau konkreter Infrastruktureinrichtungen sondern auch auf eine Entleerung der öffentlichen Plätze der Gemeinde. Durch Infrastruktureinrichtungen können auch lokale Arbeitsplätze geschaffen bzw. erhalten werden. Vor allem kleine Dienstleistungsbetriebe bieten Frauen, die vielfach die Aufgabe der Kinder- und Altenbetreuung übernehmen, die Möglichkeit, in ihrer Gemeinde einer (Teilzeit-)Beschäftigung nachzugehen. Beschäftigungsmöglichkeiten in der Gemeinde stellen auch einen wichtigen Faktor dar, vor allem wenn es um die Abwanderung von Familien geht. Auswirkung internationaler Entwicklungen auf die Infrastruktur Die neoliberalen Tendenzen bzw. die Entwicklungen auf Ebene des EU-Primärrechts haben weit reichende Rückwirkungen auf den ländlichen Raum und auf die Erhaltung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastrukturen. Errichtung und Erhaltung dieser Basisinfrastrukturen (Daseinsvorsorge) wurden in der Vergangenheit durch die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) national, regional und lokal gesichert. Ergänzend dazu waren aber auch immer schon privatwirtschaftliche Einrichtungen tätig. Die damit geregelten Versorgungsaufträge erfüllten immer auch politische Zielvorstellungen (Vollversorgung, Chancengleichheit für den ländlichen Raum, Teilhabechancen). Mit dem zunehmenden Rückzug der staatlichen Einflussnahme werden betriebswirtschaftliche Effizienzkriterien bestimmend und damit besteht die Gefahr, dass allein durch den Markt kein zufrieden stellendes Versorgungsniveau für alle Regionen hergestellt wird (Rückbau, Ausdünnung der Infrastrukturangebote), zumal in peripheren, ländlichen Gebieten oftmals ein unbefriedigendes Kosten-/Leistungsverhältnis, besonders im Vergleich zu den urbanen, dichtbesiedelten Gebieten (mit hoher Nachfragefrequenz und Dichte), besteht. Lösungsansätze und Zukunftsperspektiven Ein ausgewogenes Angebot im Öffentlichen Nahverkehr stellt für die Entwicklung der sozialen- und wirtschaftliche Infrastrukturen eine zentrale Rolle dar, da dadurch eine Voraussetzung geschaffen wird, andere Infrastruktureinrichtungen zu erreichen bzw. diese (potentiell) erst in Anspruch genommen werden können. Durch ein qualitativ besseres Angebot steigt zum einen die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und es erleichtert zum anderen die Erreichbarkeit der nächstgelegenen Infrastruktureinrichtungen (die mitunter auch innerhalb einer Gemeinde weit auseinander liegen können) für weniger mobile Personen. In den letzten Jahren werden auf Landes-, Regional- und Kommunalebene Verkehrskonzepte entwickelt, die für breite Teile der Bevölkerung ein Mindestmaß an Mobilität sicherstellen wollen. Es erscheint in diesem Zusammenhang wesentlich, jene für den Erfolg ausschlaggebenden Kriterien der best-practice-Beispiele herauszuarbeiten, damit sie auch von anderen Regionen übernommen werden können. Multifunktionale Einrichtungen bieten die Möglichkeit durch vielfältige Kombinationen Infrastruktureinrichtungen vor Ort auf wirtschaftlicher Basis aufrecht zu erhalten. Sowohl die Versorgungsfunktion als auch die nicht-konsumorientierten Funktionen könnten damit gewährleistet bzw. sogar gestärkt werden. Im Hinblick auf die Lebensmittel-Nahversorgung kann durch das Angebot von multifunktionalen Einrichtungen (z.B. Postpartner) das Qualitäts- und Angebotsspektrum erweitert, die örtliche Kaufkraftbindung gestärkt und damit die Herstellung einer kritischen Masse unterstützt werden. Schulgebäude sollten stärker im Hinblick darauf konzipiert werden, dass sie auch als Bildungs- und Kulturzentrum, für Sport, Unterhaltung und Initiativen aller Art genutzt werden können. Oder auch Arztpraxen könnten ihre Räumlichkeiten eventuell stärker für komplementärmedizinische Angebote (z.B. Physiotherapie, Akupunktur oder Heilmassagen) bereitstellen. Für die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilräumen spielt die Grundversorgung mit sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktureinrichtungen auch in ländlichen Regionen eine tragende Rolle. Ein räumlicher Ausgleich und der Zusammenhalt der Bevölkerung werden dabei nicht nur über eine ausgewogene Versorgung unterstützt, auch die nicht-konsumorientierten Leistungen von Infrastruktur tragen wesentlich zur Lebensqualität der lokalen Bevölkerung bei. Werden Infrastruktureinrichtungen zugunsten betriebswirtschaftlicher Rentabilitätsrechnungen rückgebaut, fallen auch diese, nicht am Markt konzentrierten Nebeneffekte weg und es führt buchstäblich zu einer Entleerung der ländlichen Räume. Es erscheint deswegen notwendig, politische Kriterien für Mindeststandards der Grundversorgung einzufordern, wobei sowohl die Schaffung einer kritischen Masse, und damit die Stärkung der Unternehmensstandorte, als auch ein räumlicher Ausgleich angestrebt werden sollte.