Projekt-177: Sozialkapital im ländlichen Raum - Studie in ausgewählten Landgemeinden

Projektleitung

Ernst Gehmacher

Forschungseinrichtung

Büro für die Organisation angewandter Sozialforschung (BOAS)

Projektnummer

1366

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

SOCIAL CAPITAL IN RURAL REGIONS: STUDY IN A RURAL COMMUNITY SAMPLE

Projektziele

Erfassung der Sozialkapital-Qualitäten nach der OECD-Systematik im Programm 'Measuring Social Capital' in typologisch charakteristischen Landgemeinden - als Grundlage für die Evaluierung von Maßnahmen zur Funktionsstärkung des ländlichen Raumes.
Sammlung und Analyse statistischer Daten und Durchführung einer spezifischen Umfrage (OECD-Systematik).
Die Gemeinden sollen so ausgewählt werden, dass sie die wesentlichen Problemkreise und sozialen Gruppierungen des ländlichen Raumes abdecken: agrarische Produktion und Bauernschaft, bodenständige Bewohner in nicht-landwirtschaftlichen Berufen, Tourismus, Zuwanderer und 'Gastbewohner' (Zweithaus) aus dem urbanen Raum. Die Anzahl der teilnehmenden Gemeinden sollte für die Entwicklung der Methode andrerseits nicht zu groß sein, um möglichst innerhalb eines Jahres zu einem abgeschlossenen System zu gelangen, das auch in die OECD-Diskussion eingebracht werden könnte. Mit vier Gemeinden wäre das zu erreichen.

Methodik:
1. Auswertung vorliegender statistischer Indikatoren für Sozialkapital (von der Vereinsdichte bis zur Wahlbeteiligung, von der Familienstruktur bis zur Kriminalitätsrate) für Österreich, mit Differenzierung nach Stadt-Land in Abstufungen.
2. Auswertung und Analyse vorliegender Umfragedaten nach Merkmalen des Sozialkapitals in räumlicher Gliederung.
3. Erarbeitung und Pre-Test eines Erhebungs-Fragebogens für Gemeindeverwaltung und Schlüsselpersonen (Lehrer, Priester, Ärzte, Unternehmer, Vereinsfunktionäre) in Gemeinden.
4. Erarbeitung und Pre-Test eines Fragebogens für eine allgemeine schriftliche Bevölkerungsbefragung.
5. Auswahl von einigen Gemeinden, die repräsentativ für den ländlichen Raum sind und sich zur Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts bereit finden, Kontaktgespräche und erste Projektsitzung mit Gemeindeverantwortlichen.
6.Planung der Erhebung mit den Gemeinden und Präsentation der Gemeindeergebnisse (Feedback) in den Gemeinden.
7. Dateneingabe, Analyse und Interpretation der Ergebnisse.
8. Präsentation der Gesamtergebnisse für das BMLFUW.

Mit dem in dieser Studie zu entwickelnden Erhebungssystem soll die Grundlage geschaffen werden, dass dann mit sehr geringem Aufwand viele Gemeinden ihre Sozialkapital-Bilanz erheben können und aus landesweiten Umfragen und Statistiken Kennzahlen für regionales Sozialkapital gewonnen werden können.
Durch diese Studie soll ein anerkanntes Instrument (mit validen Parametern) erarbeitet werden, um einzelne Regionen und Kommunen des ländlichen Raumes nach der Effizienz ihrer sozialen Strukturen, Bindungen und Synergien zu evaluieren, um Förderungen zur Verbesserung des Sozialkapitals und damit auch der wirtschaftlichen Effizienz gezielt einsetzen zu können. Das Sozialkapital-Konzept soll damit ähnlich wie das Humankapital-Konzept zu einer Leitlinie für Struktur- und Regionalpolitik werden.

Berichte

Abschlussbericht , 01.12.2004

Kurzfassung

Das Forschungsprojekt behandelt nicht nur die Theorie des Sozialkapitalbegriffes, den “State of the Art”, die Entwicklung der Diskussion um den Begriff Sozialkapital und die wichtigsten Proponenten, welche sich mit dem Thema „Sozialkapital“ befassen, sondern analysiert in einem Kontext von Zielen und Effekten Sozialkapital in ausgewählten, ländlichen Gemeinden (empirischer Teil). Zu diesem Zweck entwickelte das Forschungsteam Gehmacher/Palt nach eingehenden Recherchen und internationale Literaturrecherche einen Fragebogen, welcher per se schon als ein Ergebnis des Forschungsprojektes betrachtet werden kann. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der Begriff beziehungsweise das Wesen des Sozialkapitals (Social Capital), wie oben beschrieben, sehr verkürzt definieren lässt als: „Nutzenbringender Zusammenhalt innerhalb und zwischen Sozietäten“. Dieser Zusammenhalt besteht in Bindungen, Normen und Vertrauen (TIES, NORMS, TRUST). Bindungen beruhen auf Gefühlen und manifestieren sich in Nahebeziehungen, Mitgliedschaften, Kontakten, Aktivitäten und Leistungen. Normen steuern Gefühle und Verhalten, setzen die Regeln und Rituale einer Gemeinschaft und bestimmen die Leistungen, welche die Sozietät bietet und fordert. Vertrauen ist der eigentliche „Kitt der Gesellschaft“. Ohne Vertrauen halten die Normen nicht und werden Bindungen feindselig. Kooperationen, Synergien, Win-win-Spiele setzen reziprokes Vertrauen voraus. Sozialkapital bezieht sich einerseits auf den Zusammenhalt innerhalb einer definierten Sozietät, die es zusammenbindet („Bindungsfunktion“ - „Bonding“) - andrerseits auf externe, übergeordnete oder konkurrierende oder „fern-fremde“ Systeme und die synergetische Kooperation mit diesen („Brückenfunktion“ - „Bridging“). Der sozioökonomische Begriff „Sozialkapital“ bezeichnet, wie schon weiter oben beschrieben den Bestand an Verbundenheit, Vertrauen und Zusammenarbeit in gesellschaftlichen Sozietäten auf denen die Funktion von Politik, Wirtschaft und Zusammenleben beruht. Der Begriff „Sozialkapital“ ist ein Alarmbegriff. Der „Kitt der Gesellschaft“ scheint durch Modernisierung und Globalisierung bedroht. Die OECD hat nun ein Programm mit dem Titel „Measuring Social Capital“ gestartet, das ein international gültiges Instrumentarium (Indikatoren und Survey-Testfragen) zur Quantifizierung dieses komplexen Begriffes erarbeiten soll. Dieses Projekt liefert einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung eines derartigen Instrumentariums. Insgesamt 21 Länder sind in dieses Projekt miteinbezogen. Österreich wird durch Prof. DI Ernst Gehmacher vertreten und es wurden bereits erste Ergebnisse präsentiert; Siehe dazu: (http://www.oecd.org/dataoecd/2/33/2380903.pdf und http://www.oecd.org/document/24/0,2340,en_2649_34543_2380248_1_1_1_1,00.html. Es zeigt sich bei Umfragen, dass die urbanen Ballungszentren im Durchschnitt weniger soziale Bindung und Kohärenz aufweisen als rurale Gebiete. Der Rückgang an „Sozialkapital“ ist aber gerade auch in den nichtstädtischen Gebieten enorm groß. Die Theorie geht davon aus, dass mit dem Verlust traditioneller Formen der Großfamilie und der „Wohnort-Arbeitsplatz-Verbindung“ auch der Verlust von Sozialkapital einhergeht. Dennoch können auch Beispiele für die Neuformierung von sozialer Nähe und Synergie unter „modernen“ Bedingungen festgestellt werden. Hier zu klareren Einsichten zu gelangen, ist eines der wichtigsten Ziele dieser neuen Forschungsrichtung; dieses Forschungsprojekt liefert erste empirische (österreichbezogene) Ergebnisse zu der oben beschriebenen Thematik. Zwei Fragen stehen dabei im Vordergrund. Auf welcher System-Ebene spielen sich die entscheidenden Vorgänge der Bewahrung und Neu-Entwicklung von Sozialkapital ab – in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde, im Land, im Staat, in der EU oder global? Und welche Rolle spielen dabei Politik, Religion, „Heimat“, lokale Kultur, „Zugehörigkeiten“? Das Konzept einer spezifischen Kultur des „ländlichen Raums“, in Harmonie von Tradition und Modernität, erscheint unter dem Aspekt der sozialen Bindung besonders interessant.

Berichtsdateien

1366_Gehmacher_AB.pdf

Autor/innen

Ernst Gehmacher, Claudia Palt