PEKAP: Verbreitung und Prävention des durch den genetischen Risikofaktor ‚DDB2-R‘ verursachten Plattenepithelkarzinoms am Auge in der Zucht von Haflinger und Noriker

Projektleitung

Barbara Wallner

Forschungseinrichtung

Veterinärmedizinische Universität Wien

Projektnummer

101905

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft | ARGE Haflinger Österreich, Stallamtsweg 1, 4651 Stadl-Paura| ARGE Noriker Österreich, Stallamtsweg 1, 4651 Stadl-Paura

Allgemeine Projektinformationen

Abstract (deutsch)

Plattenepithelkarzinome (PEK) sind tumoröse Entartungen und diese treten am Auge gehäuft bei erwachsenen Pferden der Rasse Haflinger auf. In einer internationalen Studie wurde 2017 eine Variante im DDB2 Gen entdeckt, die für das erhöhte Risiko beim Haflinger verantwortlich gemacht wird. Patientenzahlen der Vetmeduni Wien und Voruntersuchungen bestätigen den Einfluss des Risikoallels ‚DDB2-R‘ auf das gehäufte Auftreten von PEKs am Auge beim österreichischen Haflinger und Noriker. Im vorgelegten Projekt soll eine fundierte Datengrundlage geschaffen werden, auf deren Basis verantwortungsvolle Zuchtprogramme für den Umgang mit dem Risikofaktor in diesen beiden Rassen erarbeitet werden können. Dazu soll die Verbreitung der Risikoallels in den beiden Rassen über weit angelegte Mutationsscreenings ermittelt werden. Diese Ergebnisse werden der Populationsstruktur, ermittelt aus Pedigree und genomweiten Markertypisierungen anhand von SNP Arrays, sowie den Leistungsmerkmalen geprüfter Zuchttiere gegenübergestellt. Weiters soll über klinische Untersuchungen von DDB2-R Trägertieren das Krankheitsbild bei Haflinger und Noriker beurteilt werden, was zur Risikoabschätzung und zur Früherkennung beiträgt. Auf Basis all dieser Daten, sollen Strategien zur Verbesserung der Tiergesundheit ausgearbeitet werden, indem die Frequenz der DDB2-R Allel in den Zuchtpopulationen gesenkt und somit das Auftreten von Plattenepithelkarzinomen reduziert, die genetische Vielfalt und die Qualität der Zuchtpopulationen jedoch weitestgehend erhalten wird.

Schlagwörter (deutsch)

genetisch bedingter Risikofaktor, Plattenepithelkarzinom, Auge, DDB2, Haflinger, Noriker, Pferdezucht

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Distribution and prevention of ocular squamous cell carcinoma in Haflinger and Noriker caused by the genetic risk factor ‘DDB2-R’

Abstract (englisch)

Squamous cell carcinoma (SCC) is the most common cancer of the equine eye. Ocular SCC is particularly frequent in adult horses of the Haflinger breed. In 2017, a variant in the DDB2 gene was discovered that is held responsible for the increased risk in the Haflinger. Patient numbers from the Vetmeduni Vienna and preliminary studies confirm the influence of the risk allele 'DDB2-R' on the increased occurrence of SCC in the eyes of Austrian Haflinger and Noriker. In this project, a data basis should be accomplished that enables the formulation of responsible breeding programs for dealing with the risk factor in these two breeds. First, the frequency of the risk allele will be determined in both breeds by extensive mutation screening. These results are compared with the population structure, determined from the pedigree and genome-wide marker typing, and the performance characteristics of breeding animals. Furthermore, the progression of the disease in Haflinger and Noriker will be assessed via clinical examinations of DDB2-R carrier animals. Based on all data, strategies to improve animal health should be developed by lowering the frequency of the DDB2-R allele in the breeding populations and thus reducing the occurrence of squamous cell carcinoma, while maintaining the genetic diversity and quality of the breeding populations.

Schlagwörter (englisch)

genetic risk factor, squamous cell carcinoma, eye, DDB2, Haflinger, Noriker, horse breeding

Projektziele

Plattenepithelkarzinome (PEKs) sind neben Sarkoiden die häufigste tumoröse Erkrankung beim Pferd. Insbesondere am Auge, sind PEKs beim Pferd von großer klinischer Relevanz.

Eine besonders hohe Prävalenz für PEKs am Auge wird bei Pferden der Rasse Haflinger beobachtet (Singer-Berk et al., 2018). Neben bekannten Umwelteinflussfaktoren, wie Sonneneinstrahlung und helle Fellfarbe, wurde eine genetische Ursache für das gehäufte Auftreten von PEKs am Auge beim Haflinger postuliert. Kürzlich wurde im damage specific DNA binding protein 2 (DDB2) eine Punktmutation (c.1013 C > T) identifiziert. Das T-Allel (bezeichnet als ‚DDB2-R‘), welches zu einem Aminosäurenaustausch gefolgt von einer gestörten Funktion des DDB2 Proteins führt, wird für das gehäufte Auftreten von PEKs am Auge beim Haflinger verantwortlich gemacht (Bellone et al., 2017). Laut dieser Studie handelt es sich um einen Risikofaktor mit autosomal rezessivem Erbgang und in homozygoter Form steigt die Wahrscheinlichkeit ein PEK zu entwickeln um das 5 bis 6-fache gegenüber DDB2 wildtyp beziehungsweise heterozygoten. Molekulare Tests werden von kommerziellen Anbietern angeboten (Bellone and Avila, 2020). Der Einfluss des Risikofaktors auf die Ausprägung von PEKs wurde in der Rasse Haflinger bislang nur in der amerikanischen Zuchtpopulation genauer untersucht. Hier ist anzumerken, dass die untersuchten amerikanischen Haflinger alle der A-Linie zuzuordnen waren. In der österreichischen Haflingerzuchtpopulation sind alle sieben Linien vertreten (Druml et al., 2016), was zu Variation in den Allelfrequenzen und darüber hinaus zu Unterschieden in der Penetranz des Risikoalleles aufgrund genomischer Hintergrundeffekte führen könnte. In einem anonymisierten Screening wurde die Frequenz des DDB2-R Allels in der österreichischen Haflingerpopulation auf 25 % geschätzt, wobei 5 % der untersuchten Tiere homozygot waren (Bellone et al., 2017). Pedigreeinformationen und klinische Beurteilungen des PEK-Status lagen für diese Kohorte nicht vor.

Patientenzahlen an der Pferdklinik der Veterinärmedizinischen Universität Wien in den Jahren 2001 bis 2020 weisen auf eine deutlich erhöhte Prävalenz von PEKs am Auge auch beim österreichischen Haflinger hin (Abbildungen 1 und 2 im Anhang). In einer laufenden Doktorarbeit an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Quatember, in Bearbeitung) wurden archivierte Proben (Erkrankungszeitraum 2002-2022) von an PEK erkrankten Pferden des Instituts der Pathologie ausgehoben und die Assoziation von DDB2-Allelstatus mit dem Auftreten von einem PEK beim österreichischen Haflinger bestätigt. Im Zuge dieser Arbeit wurden auch Tumorproben von PEKs am Auge bei anderen Rassen untersucht. Das DDB2-R Allel wurde in homozygoter Form in drei aus sechs Patienten mit PEKs am Auge der Rasse Noriker nachgewiesen, nicht jedoch in 18 Patienten anderer untersuchten Rassen (Warmblut, Appaloosa, Lusitano, Paint Horse).

Diese Daten bestätigten den Einfluss des Risikofaktors auf die Ausprägung von PEKs beim österreichischen Haflinger und erweitern die Problematik auch auf die Rasse Noriker. Die österreichischen Pferdezuchtverbände sind mit einem, in den Zuchtpopulationen verbreiteten, Risikofaktor konfrontiert. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem genetischen Risikofaktor DDB2-R ist daher für die österreichische Haflinger- und Norikerzucht aus tierschutz- und tierzuchtrechtlichen, zuchtpolitischen und absatztechnischen Gründen notwendig.

Ziel dieses Projektes ist es, eine umfassende Datengrundlage zu schaffen auf Basis derer nachhaltige Zuchtstrategien entwickelt werden können. Das erlaubt es zum Einen, das Auftreten von erkrankten Tieren minimieren und zum Anderen, die Integrität der beiden Rassen in Bezug auf Erscheinungsbild, genetische Diversität, genealogischen Strukturen und Fellfarben bestmöglich zu erhalten.

Genaue Auflistung der Einzelziele:

Im ersten Schritt des vorliegenden Projekts soll die Trägertierfrequenz in der österreichischen Zuchtpopulation von Haflinger und Noriker flächendeckend erhoben werden (Z1). Danach wird die Verbreitung des Risikofaktors DDB2-R in Bezug auf die Populationsstruktur dargestellt (Z2). Parallel dazu sollen klinische Untersuchungen von homozygoten Trägertieren eine genauere Darstellung des Krankheitsbildes bei Haflinger und Noriker ermöglichen (Z3). Basierend auf den Ergebnissen aus Z1-Z3 werden gemeinsam mit den Zuchtverbänden (koordiniert durch die ARGE Haflinger und die ARGE Noriker Österreich) nachhaltige Zucht-/Sanierungsprogramme für Haflinger und Noriker separat erarbeitet (Z4). Die Erkenntnisse aus dem Projekt und deren Umsetzung im Zuchtprogramm werden den Züchtern und Tierhaltern über Züchterversammlungen, Fortbildungsveranstaltungen, Aussendungen, Berichte auf der Homepage etc. übermittelt und zugänglich gemacht (Z5).

Praxisrelevanz

Der Umgang mit genetisch bedingten Erkrankungen muss in der Pferdezucht gemäß den Tierzuchtgesetzen im Zuchtprogramm geregelt sein. Die österreichischen Pferdezuchtverbände stehen somit vor der Aufgabe, Zuchtstrategien hinsichtlich des Risikofaktors ‚DDB2-R‘ in Zuchtprogrammen zu implementieren. Verantwortungsvolle Sanierungskonzepte sind zentral für den Erhalt des Leistungsniveaus und der genetischen Diversität der Rassen. Das Projekt liefert die Datengrundlage, auf Basis derer nachhaltige zuchtstrategische Maßnahmen formuliert werden können. Die gewonnen Erkenntnisse sind notwendig für eine koordinierte Überarbeitung der Zuchtprogramme, wie Festlegung von Selektionskriterien zur Verbesserung der Gesundheit der Rassen Haflinger und Noriker.

Die klinischen Untersuchungen, die im Rahmen des Projektes durchgeführt werden, liefern einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des Krankheitsbildes bei Noriker und Haflinger. Bei PEKs am Auge handelt es sich um eine Erkrankung, die erst im späteren Verlauf des Lebens auftritt, was das züchterische Monitoring erschwert. Die klinischen Untersuchungen von älter als zehn Jahre alten homozygoten Trägertieren ermöglichen die Ausarbeitung einer besseren Einschätzung des Risikos für das Einzeltier. Dies ist nicht nur für die Züchter und Tierhalter von großer Relevanz, die Kenntnis ist auch für die veterinärmedizinische Versorgung von großer Bedeutung. Die Daten aus den klinischen Untersuchungen werden dazu verwendet, Tierhalter und Züchter aufzuklären und Tierärzte für die Erkrankung zu sensibilisieren. Dies wird die Früherkennung von neoplastischen Veränderungen verbessern und folglich die Prognose für das Einzeltier signifikant verbessern. Die Erkenntnisse aus dem Projekt werden auch zur Ausarbeitung von Präventionsmaßnahmen (wie regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, Empfehlung von Sonnenschutz für homozygote Trägertiere) beitragen und könnten den Einsatz von alternativen Therapieformen (Wotman et al., 2022) begünstigen.

Die gemeinsame transparente Aufarbeitung der Problematik PEK-DDB2, bei der Zuchtverbände (koordiniert durch die ARGEs), wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität und Tierärzte zusammenarbeiten, ist beispielgebend. Die Transmission evidenzbasierter Empfehlungen an Züchter und Tierhalter beugt Kurzschlusshandlungen durch den Markt vor. Das Projekt leistet somit einen zentralen Beitrag zur Tiergesundheit und den Erhalt der Integrität der Rassen. Darüber hinaus kann die angewandte Herangehensweise beispielgebend für verantwortungsvolles Erbfehlermanagement auch für andere privat organisierte Zuchten, wie Hunde und Katzen, sein.

Die im Projekt generierten genomweiten SNP–Chip Daten der Hengste, Stuten und Fohlen werden gut dokumentiert als Datenbank archiviert und stehen den Zuchverbänden auch nach Ablauf des Projektes für zukünftige Fragestellungen und zuchtstrategische Maßnahmen (z.B. in Bezug auf Erbfehler und Entwicklung der genetischen Diversität) zur Verfügung.