Versuchskalb in Einzelbox mit Einstreu

© Gregor Poier

HealthyCalf: Eine kälbergerechte Fütterung für eine gesunde Pansenentwicklung von Aufzuchtkälbern

Projektleitung

Qendrim Zebeli

Forschungseinrichtung

VetMed

Projektnummer

101363

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus| Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

Allgemeine Projektinformationen

Schlagwörter (deutsch)

Kälberaufzucht, Zuckerheu, Kälber-TMR, Sauermilchtränke

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Rearing calf nutrition for a healthy rumen

Abstract (englisch)

The global demand for milk is constantly growing and relies on intensive nutrition strategies not only for dairy cows, but, for calves, too. Consequently calves are weaned very early to stimulate an early intake of grain based concentrates for a fast rumen development. As cellulose digesters ruminants per se do not depend on starchy grains as energy source, thus, it appears fundamental to evaluate feeding strategies that aim at reducing the amount of concentrates in ruminant diets. A recently conducted study (DAFNE no. 100928 „Sugarhay“) demonstrated that concentrate feeding to dairy cows could be reduced by feeding high-quality hay with a high sugar content (~20% of dry matter).
To follow the idea of that project “Sugarhay”, the aim of this study is to evaluate the effects of hay feeding and hay quality on feed intake, daily gains, rumen development and rumen health of calves in comparison to a commercial grain based starter feed. Starter feeds for calves are largely composed of easily digestible grains, rich in starch, which help in meeting the nutrient requirements of the calf, however, can be problematic for the physiological development of a healthy rumen. In contrast to starter feed, high-quality hay contains more fiber, while still providing high energy and nutrients, and thus meets the physiological adaptation of ruminants to cellulose-rich feeds. Special interest is on early programming of the rumen development and microbial establishment.
Accordingly, we want to test the following hypotheses in a feeding trial with 40 calves of the breeds Simmental and Holstein Friesian:
1. Because of an elevated content of sugars, high-quality hay contains more energy and less fiber than typical hay used for calf nutrition, and thus will promote feed intake and body weight gain.
2. Replacing concentrate based starter feed by high-quality, energy rich hay primes rumen microbial ecology, reduces the risk for developing ruminal acidosis in calves, and a healthy rumen ecosystem can establish.
3. In comparison to concentrate based starter feed, feeding high-quality hay promotes the establishment of a healthy rumen microbial ecosystem and the development of a healthy efficient rumen wall in calves.
4. Replacing concentrate based starter feed by high-quality hay stimulates ruminating behaviour in calves, which in turn promotes rumen health and offers occupation to prevent stereotypies.

Projektziele

Hauptziel dieser Studie ist es, eine neue und gesunde Fütterungsstrategie für Aufzuchtkälber zu entwickeln und zu evaluieren. In diesem Projekt sollen die Futteraufnahme und die Gewichtsentwicklung von Aufzuchtkälbern sowie die Entwicklung des Pansenökosystems und des Pansenepithels und die Folgen für die Pansengesundheit dieser Tiere unter verschiedenen Fütterungsbedingungen untersucht werden. In diesem Sinne soll die Entwicklung von Kälbern mit Raufutterfütterung der Entwicklung von Kälbern mit typischer Starterfütterung, d.h. Kraftfutter-basierter Fütterung, gegenüberstellt werden. Als Raufutter werden Heus mit unterschiedlicher Qualität getestet, da ein kürzlich durchgeführtes Projekt (DAFNE-Projekt Nr. 100928 „Zuckerheu“) zeigte, dass durch die Verfütterung von qualitativ hochwertigem Heu, welches über einen erhöhten Zuckergehalt verfügt und somit ausreichend Energie bereitstellt, der Einsatz von Kraftfutter in der Milchkuhfütterung sogar in der Frühlaktation reduziert werden kann. Durch den Einsatz des hochwertigen Heus wurde die Nährstoffverdaulichkeit signifikant verbessert und bei gleichzeitigem Verzicht von Kraftfutter konnte ein stabiler Pansen-pH-Wert erreicht werden (KLEEFISCH et al., 2016). Neueste Ergebnisse der Studie zeigen außerdem signifikante Unterschiede in der Mikrobenzusammensetzung im Pansen, wenn zuckerreiches Heu gefüttert wird (KLEVENHUSEN et al., 2017). Unseren Hypothesen für das vorliegende Projekt zufolge, lässt sich auch in der Kälberfütterung der Einsatz von Kraftfutter durch die Verfütterung von qualitativ hochwertigem Heu mit einem erhöhten Zuckergehalt (~20 % in TS) reduzieren. Die Fütterung von Raufutter entspricht den physiologischen Bedürfnissen eines Wiederkäuers, wohingegen die Verfütterung von Kraftfutter an Wiederkäuer sowohl physiologisch als auch im Hinblick auf die wachsende Nahrungsmittelkonkurrenz (TAUBE et al., 2016; ERTL et al., 2015) wenig Sinn macht. Um trotzdem hohe Leistungen zu erzielen, ist es daher nötig die Raufutterqualität zu verbessern, und so die nötigen Nährstoffe und Energie allein durch die Verfütterung von Raufutter zu decken. In bestimmten Regionen Österreichs wird bereits unter klimatisch optimalen Bedingungen und mit Hilfe von Belüftungseinrichtungen qualitativ sehr hochwertiges Heu (Energieheu) erzeugt. Dieses Heu kann Zucker- und Proteingehalte von über 200g/kg TS und einen Energiegehalt von ~11 MJ ME erreichen.
Die detaillierten Hypothesen dieses Projektes sind:
Hypothese 1: Qualitativ hochwertiges Heu enthält aufgrund eines erhöhten Zuckergehaltes mehr Energie und weniger Fasern als typisches Kälberheu und fördert so die Futteraufnahme und die Gewichtszunahme bei Aufzuchtkälbern.
Hypothese 2: Durch den Ersatz von stärkereichem Kraftfutter in Form von Kälberstarter durch qualitativ hochwertiges, energiereiches Heu sinkt das Risiko der Entstehung einer Pansenazidose bei Aufzuchtkälbern und ein gesundes Pansenökosystem kann entstehen.
Hypothese 3: Durch Fütterung von qualitativ hochwertigem, energiereichem Heu werden ein gesundes Pansenökosystem und die Ausbildung einer gesunden effizienten Pansenwand gefördert.
Hypothese 4: Durch den Ersatz von Kraftfutter durch qualitativ hochwertiges, energiereiches Heu wird das Wiederkauverhalten von Kälbern gefördert, welches wiederum wichtig für die Pansengesundheit ist und Beschäftigung für das Tier bietet.
Um die aufgestellten Hypothesen zu beweisen, soll ein Fütterungsversuch mit je 20 männlichen Kälbern der Rassen Fleckvieh und Holstein Friesian an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein durchgeführt werden. Die Kälber werden unmittelbar nach der Geburt einer von vier Versuchsgruppen zugeteilt, um die Auswirkungen der Fütterung, d.h. zum einen Raufutterfütterung vs. Kraftfutterfütterung, aber auch gute Raufutterqualität vs. sehr gute Raufutterqualität (Energieheu), auf das Wachstum und die Pansen- und Tiergesundheit zu untersuchen.
Im Anschluss an den Fütterungsversuch werden die Kälber geschlachtet, um die Auswirkungen der Fütterung auf die Pansenhistologie und -physiologie genauer untersuchen zu können. Im Detail werden Gewebeproben aus Pansen, Labmagen und verschiedenen Darmabschnitten entnommen, um die Auswirkungen auf die Expression von verdauungs- und gesundheitsrelevanten Genen zu untersuchen. Die Ausprägung der Pansenzotten soll zusätzlich anatomisch und histologisch evaluiert werden. Zusätzlich werden Pansensaft- und Digestaproben unterschiedlicher Abteile des Pansens entnommen, um eine ausführliche Mikrobiom-Analyse durchführen zu können. Diese Analysen werden am Institut für Tierernährung und funktionelle Pflanzenstoffe der Vetmeduni Wien durchgeführt.
Die Entwicklung des Wiederkauverhaltens bei Kälbern ist bislang kaum erforscht. Es gibt Ergebnisse, die zeigen, dass Tiere, die mit 8 Wochen abgesetzt werden, mehr wiederkauen, als Kälber, die zwei Wochen früher abgesetzt werden (ECKERT et al., 2015). Auch ist bekannt, dass Tiere, die Raufutter angeboten bekommen, mehr wiederkauen als Kälber, die ausschließlich Kälberstarter fressen (CASTELL et al., 2012). Aber zu welchem Zeitpunkt sich das Wiederkauverhalten entwickelt und welchen Einfluss die Raufutterqualität hat, ist bisher nicht bekannt. Aus diesem Grund ist ein weiteres Ziel dieses Projektes, die Entwicklung des Wiederkauens bei Kälbern mit unterschiedlicher Fütterung zu beobachten.

Praxisrelevanz

Die Landwirtschaftskammer Österreich empfiehlt, dass Kälber rasch zu Wiederkäuern erzogen werden sollten und möglichst bald Kraftfutter und Raufutter aufnehmen. Die Verfütterung von Trocken-TMR (Totalmischration) für Kälber wird immer populärer. Der Hauptbestandteil der Trocken-TMR ist Getreide. Etwa 10 bis 20 % fein gehäckseltes Futterstroh oder Heu als Grundfutterbasis werden mit Kraftfutter und Melasse einheitlich vermischt und den Tieren hauptsächlich während der Tränkephase als „Gesamtpaket“ vorgelegt. Die Fütterung von Kraftfutter an Wiederkäuer gerät allerdings immer mehr in die wissenschaftliche und öffentliche Kritik, da die Verfütterung von Getreide an Nutztiere in direkter Lebensmittelkonkurrenz zum Menschen steht und den Druck auf die landwirtschaftlichen Produktionsflächen erhöht (ERTL et al. 2015; TAUBE et al., 2013). Vor allem geht die Bedeutung der Rinder als Wiederkäuer verloren, wenn sie mit stärkereichen Getreiden gefüttert werden. Wiederkäuer sind evolutionsbedingt optimal an die Verwertung von zellulosereichem Pflanzenmaterial, d.h. vor allem an Gräser, angepasst, welche wiederum für den Menschen als Nahrungsquelle ungeeignet sind. Das komplexe mikrobielle Ökosystem des Pansens ermöglicht es den Rindern, Energie aus dem Fasermaterial zu gewinnen und in wertvolles Protein umzuwandeln, welches für den Menschen in Form von Milch oder Fleisch als Nahrung von Nutzen ist (KNAUS, 2008; CLAUSS et al., 2010). Eine kürzlich erschienene österreichische Studie belegt die Wichtigkeit der Grasland-basierten Fütterung an Milchkühe und ihren Beitrag zur Netto-Lebensmittelproduktion (ERTL et al., 2015). Momentan überwiegt gerade in der Kälberaufzucht und Kälbermast der Anteil an Kraftfutter gegenüber dem Grundfutter, was zu einer sehr niedrigen metabolischen Konvertierungsrate von Futterenergie zu Lebensmittelenergie resultiert (FAO, 2006). Auch aus physiologischen Gesichtspunkten ist die Verfütterung von stärkereichen Kraftfuttermitteln an Wiederkäuer bedenklich, da die Aufnahme großer Mengen Stärke zu einem Absinken des Pansen-pHs führt und eine subakute Pansenazidose mit schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen hervorrufen kann (ZEBELI und METZLER-ZEBELI, 2012). Gerade für die Akzeptanz des Raufutters durch die Kälber ist jedoch auch die Qualität von entscheidender Bedeutung. Dieses Projekt wird auch beantworten, welchen Einfluss die Heuqualität auf die Akzeptanz durch die Kälber und in weiterer Folge auf deren Leistungen hat.
Viele Studien haben die Entstehung von Pansenazidosen bei Milchkühen und Mastrindern untersucht, aber es gibt kaum Untersuchungen bei Aufzuchtkälbern, die noch in der Tränkephase sind. Auch ist nicht bekannt, wie sich die frühe fütterungsabhängige Pansenentwicklung und das damit verbundene mikrobielle Ökosystem und das Pansenepithel mit den zugehörigen Absorptionsmechanismen auf die Gesundheit und Leistung der Tiere auswirkt. Von daher wird dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Fütterungseinflusses auf die Pansenentwicklung und Tiergesundheit leisten, mit dem Ziel nachhaltige landwirtschaftliche Produktionssysteme zu fördern.

Berichte

Abschlussbericht , 31.12.2021

Kurzfassung

Hauptziel des vorliegenden Projektes war es, herauszufinden, welchen Einfluss die Zusammensetzung des Kälberstarterfutters (nur Grundfutter bzw. eine Mischung aus Grund- und Kraftfutter) und die Grundfutterqualität (Kälberheu) auf die Pansenentwicklung und Gesundheit von Aufzuchtkälbern hat. Von besonderem Interesse war die Entwicklung der Kauaktivität und des Pansen-Darmes mit dem komplexen Ökosystem sowie dem Pansenepithel, das wichtige Absorptionsfunktionen erfüllen muss und gleichzeitig eine schützende Barriere darstellt. Dafür wurden Kauaktivität, Pansenwanddicke und eine Reihe Blutparameter gemessen sowie sämtliche Fermentationsparameter im Pansen und im Kot bestimmt. Zusätzlich wurden tägliche Zunahmen der Kälber, Futteraufnahmedaten und Verdaulichkeit der Rohnährstoffen eruiert. Die zu testenden Heuqualitäten unterschieden sich im Energie-, Eiweiß- und Fasergehalt, sowie im Gehalt der wasserlöslichen Kohlenhydrate und Stärke. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Verfütterung eines qualitativen hochwertigen Heus die Futter-, Energie- und Nährstoffaufnahme sowie die Gewichtszunahme bei Aufzuchtkälbern in einem gleichen Ausmaß fördert wie die Verfütterung von 70 % Kälberstarter. Gleichzeitig stimuliert das Zuckerheu die Kauaktivität und somit die Beschäftigung der Kälber. Weiters trägt das Zuckerheu dazu bei, die Ketogenese und der Stoffwechselstatus der Kälber weitgehend zu verbessern, insbesondere durch eine Verbesserung der Pansen- und Darmfermentation. Tatsächlich unterstützte die Fütterung von Zuckerheu die frühe Aufnahme hoher Festfuttermengen und das spiegelte sich in einer verbesserten Fermentation und in einem verbesserten Darmökosystem wieder. Die erwartete verbesserte Pansenwanddicke und damit Pansenentwicklung durch Zuckerheu konnte jedoch nicht bestätigt werden. Zusammenfassend lässt dieses Projekt den Schluss zu, das Zuckerheu ohne jegliche Supplementierung, wie etwa Kälberstarter, bei den Aufzuchtkälbern gefüttert werden kann, ohne dabei Einbußen in den Nährstoffaufnahmen und täglichen Zunahmen befürchten zu müssen, während die Kauaktivität und die Funktion des Pansen-Darm-Traktes nur positiv beeinflusst werden können. Eine Praxisumsetzung der Fütterung der Aufzuchtkälber mit dem hier getesteten Zuckerheu ist ohne Einschränkung möglich. Allerdings ist auf die Qualitätsmerkmale des Zuckerheus bei der Gewinnung besonders zu achten.