GrundlagenQAV: Grundlagen für eine Risikoabschätzung quaternärer Ammoniumverbindungen (GrundlagenQAV)

Projektleitung

Oliver Gans

Forschungseinrichtung

Umweltbundesamt GmbH

Projektnummer

1390

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Projektziele

Während viele Substanzen als 'Chemie' und 'Gift' von der Allgemeinheit abgelehnt werden, stellen Desinfektions- und Konservierungsstoffe Substanzen dar, die allgemein akzeptiert werden, obwohl sie in ähnlicher Weise biozid wie die allgemein abgelehnten Pestizide wirken.
Es sollen die Einsatzmengen in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen und Produktspektren (Waschmittel, Körperpflegemittel, Kosmetika, Arzneimittel, Pflanzenschutzmittel, etc.) abgeschätzt werden.
Das Pilotprojekt soll eine Entscheidungshilfe für die sinnvolle Verwendung von quarternären Ammoniumverbindungen (QAV) in Haushaltsprodukten als Desinfektionsmittel, Konservierungsmittel sowie in chemisch technischen Produkten geben; insbesondere den Nutzen gegen die Risiken für die Umwelt abwägen.
Das Projekt wird in mehreren Modulen unter Koordination des UBA durchgeführt. Ziele der teilweise vernetzt arbeitenden Module sind:
Modul I (RiskQAV; Risikoabschätzung; Modulverantwortliche Dr. Uhl):
- Auswahl von mengen und auch toxisch relevanten Leitsubstanzen der QAVs sowie Abschätzung der Einsatzmengen in den unterschiedlichen Verwendungsbereichen) durch Literaturrecherchen (Analyse von Sicherheitsdatenblättern, Datenbank der Wiener Umweltanwaltschaft, Recherchen zu toxikologischen Wirkkonzentrationen in Datenbanken, Durchsicht von relevanten rechtlichen Dokumenten) und Fragebogenaktionen bei Herstellern
- Durchführung von Recherchen, wie viele QAVs in der EU bereits eingestuft sind (Annex I der Stoffrichtlinie) und ob es zu den Stoffen Risikobewertungen gibt
- ökotoxikologische Risikoabschätzung anhand der im Rahmen dieser Studie erhobenen Daten und der Daten aus der vorhandenen Literatur (Sicherheitsdatenblätter, internationale Monitoringdaten etc.) sofern vorhanden und möglich
Modul II (ExpoQAV; Expositionsanalyse; Modulverantwortlicher Dr. Gans):
- Entwicklung von analytischen Methoden zur Bestimmung der ausgewählten Leitsubstanzen in Oberflächenwasser, Abwasser und Sediment
- Erstmaliges Screening von ausgewählten Oberflächengewässern, Sedimenten sowie Abwasserproben auf QAVs in Österreich
Modul III (IndirekteinleiterQAV; Modulverantwortliche Prof. Fürhacker BOKU):
- Auswahl der Indirekteinleiter nach Relevanz aufgrund einer Verwendungsabschätzung gemeinsam mit dem UBA
- Entnahme von repräsentativen Proben bei Indirekteinleitern
- Grundlagenarbeiten zur Ermittlung von Reduktionsmöglichkeiten durch advanced oxidations processes
Modul IV (ARAQAV; Kläranlagen; Modulverantwortlicher Dr. Kreuzinger TU):
- Beurteilung der Bedeutung quarternärer Ammoniumverbindungen für Kläranlagen insbesondere auf Hemmwirkung für Nitrifikation
- Erhebung der fehlenden Stoffeigenschaften (Adsorption, teilweise Abbau)
Modul V (WirkQAV; Wirkungsanalyse; Modulverantwortliche Prof. Grillitsch VETMED):
- Grundlagen zur experimentellen Ermittlung von Wirkkonzentrationen (ECx) zur akuten und chronischen Toxizität ausgewählter kationaktiver Tenside (Quarternäre Ammoniumverbindungen, QAVs) in standardisierten Laborprüfverfahren (Einzelsubstanztests) mit repräsentativen aquatischen Kleinlebewesen
Alle Module haben gemeinsam folgende Ziele:
- kompilatorische Ermittlung und strukturierte Analyse von in der Primärliteratur vorliegenden Daten zur aquatischen Ökotoxizität, Exposition, Stoffeigenschaft
- Vergleich der Literaturdaten mit den in der Studie ermittelten Daten
- Aufzeigen von Datenlücken
Jede(r) Modulverantwortliche(r) hat folgende Aufgaben:
- Teilnahme an projektbegleitenden Besprechungen (alle 2 Monate)
- Erstellung eines Zwischenberichts über die Arbeiten des jeweiligen Moduls
- Mitarbeit bei der Erstellung eines gemeinsamen Endberichts, unter Federführung des UBA
- Erstellung modulspezifischer Kapitel im Endbericht
- Vorstellung der Ergebnisse des Moduls im Rahmen eines germeinsamen Workshops
Modulspezifische Aufgaben:
Modul I (RiskQAV):
- Auswahl der QAVs (Mengenrelevanz und Toxizität)
- Abschätzung der Einsatzmengen
- Erhebung, inwieweit es Risikobewertungen für diese bereits Verbindungen gibt
- Risikobewertung anhand der in den einzelnen Modulen gewonnenen und aus der Literatur stammenden Daten
- Federführung bei der Erstellung des Endberichts
- kompilatorische Ermittlung von in der Primärliteratur vorliegenden Daten zur Ökotoxizität
Modul II (ExpoQAV):
- Projektkoordination und -management
- Entwicklung von analytischen Methoden zur Bestimmung der ausgewählten Leitsubstanzen in Oberflächenwasser, Abwasser und Sediment
- Erfassung der QAVs in bundesweit ausgewählten Oberflächengewässern (12, 2 x beprobt), Sedimenten (12, 2 x beprobt) sowie Abwasserproben (25 Proben des Moduls IV sowie 12 Proben des Moduls III).
- Organisation und Leitung des Workshops
- kompilatorische Ermittlung von in der Primärliteratur vorliegenden Daten zur Exposition
Modul III (IndrekteinleiterQAV):
- Beprobung von 12 Indirekteinleitern (3 Vertreter von 4 Branchen) im 2. Quartal 2004
- Chemische Analytik zur Charakterisierung der Abwasserproben
- Weiterleitung der Proben an das UBA zur Analytik auf Desinfektionswirkstoffe
- Grundlagenversuche zur Reduktion dieser Stoffe mittels advanced oxidation processes
- kompilatorische Ermittlung von in der Primärliteratur vorliegenden Daten zu Exposition zu das Verhalten in der Umwelt charakterisierenden Stoffeigenschaften
Modul IV (ARAQAV)
- Grundlegende Versuche zur Hemmwirkung
Respirationsversuche mit unterschiedlichen Konzentrationen, Dosis 'Wirkungskurve für Kohlenstoffabbau,
Dosis' Wirkungskurve für Nitrifikationshemmung)
- Ermittlung von das Verhalten in der Kläranlage charakterisierende Stoffeigenschaften (z.B. Adsorption)
- Oberflächenwasser- und Sedimentprobenahme für das Modul II im 2. Quartal 2004
- kompilatorische Ermittlung von in der Primärliteratur vorliegenden Daten zu das Verhalten in der Kläranlage charakterisierenden Stoffeigenschaften
Modul V (WirkQAV)
- Durchführung von Versuchen zur Ermittlung von Wirkkonzentrationen für ökotoxikologisch relevante Wirkmerkmale der QAVs an einer Reihe repräsentativer aquatischer Kleinlebewesen
- kompilatorische Ermittlung und strukturierte Analyse von in der Primärliteratur vorliegenden Daten zur aquatischen Ökotoxizität

Berichte

Abschlussbericht , 01.03.2005

Kurzfassung

Quaternäre Ammoniumverbindungen (QAVs) sind eine wirtschaftlich bedeutende Klasse von Industriechemikalien. QAVs gehören zur Gruppe der kationischen Tenside, die sich an den fetthältigen Zellmembranen lebender Organismen anreichern und so die normalen Funktionen der Zellmembranen beeinträchtigen können. Deshalb können QAVs auch als Desinfektionsmittel eingesetzt werden. QAVs werden aufgrund dieser Eigenschaften in zahlreichen Produkten im öffentlichen und industriellen Bereich verwendet. Laut Berichten der chemischen Industrie wird der jährliche globale Verbrauch kationischer und amphoterischer Tenside auf 1,16 Millionen Tonnen geschätzt. Der zukünftige Bedarf wird demnach weiterhin steigen und 1,97 Millionen Tonnen im Jahr 2005 betragen. Für diese Studie führten die Kriterien der Mengen- und Toxizitätsrelevanz zur Auswahl der Benzalkoniumchloride (BAC) und Dialkyldimethylammoniumchloride (DDAC) als Leitsubstanzen. Es wurden analytische Methoden für die Bestimmung dieser ausgewählten Stoffe in verschiedenen Matrices entwickelt und adaptiert, die niedrige Bestimmungs- und Nachweisgrenzen gewährleisten. Im Vergleich zu den Fluoreszenzdetektoren, die im µg/l bzw. mg/kg Bereich messen, können mit dem hier verwendeten LC-MS/MS System ng/l bzw. µg/kg quantifiziert werden. Durch die Selektivität sind auch Proben wie filtrierte und unfiltrierte Zu- und Abläufe von Kläranlagen, Abwässer von Indirekteinleitern und Klärschlämmen der Analyse der Einzelsubstanzen zugänglich. Die Ergebnisse der Untersuchungen bei Oberflächenwässern zeigen, dass die Leitsubstanzen im ng/l Bereich anzutreffen sind. Die Maxima liegen bei DDAC-C10 bzw. BAC-C12 (bis zu 1,9 µg/l). Da QAVs an den Schwebstoffen adsorbieren, weisen schwebstoffreiche Gewässer höhere QAV-Gehalte in den Wasserproben auf. Die Gehalte der Sedimente lagen zum größten Teil im µg/kg Bereich. Vereinzelt wurden Konzentrationen im mg/kg Bereich festgestellt, wobei Maxima vor allem bei den langkettigen Dialkyldimethylammoniumchloriden (DDAC-C16 und DDAC-C18) sowie BAC-C12 nachgewiesen wurden. Die Indirekteinleiter waren im ng/l- bis niedrigen mg/l-Bereich mit QAVs belastet. Am häufigsten davon ist BAC-C12 mit bis zu 2,8 mg/l in den Abwässern zu finden. Krankenhäuser und Wäschereien konnten als wichtige Quellen identifiziert werden. Sie lieferten im Fall einer Kleinstadt 70 % der DDAC und fast 100 % der der BAC-Fracht im Kläranlagenzulauf. Bei anderen Indirekteinleitern, wie einem Hallenbad oder Wellness Center, waren die Konzentrationen unterschiedlich. Dort wo mit Chlor desinfiziert wurde, waren relativ geringe QAV-Konzentrationen messbar (bis 20 ng/l DDAC bzw. 110 ng/l BAC), während im Abwasser des Wellness Centers die Konzentrationen im Bereich von 18 µg/l DDAC bzw. 61 µg/l BAC waren. In Molkereien, in einer Papierfabrik und bei der Tierkörperverwertung waren nur geringe Belastungen an QAVs feststellbar. Es wurden für die ausgewählten Leitsubstanzen Methoden zum Abbau oder zur Entfernung von nicht bzw. von schlecht abbaubaren Stoffen näher untersucht. Dabei zeigt sich, dass QAVs in Hinblick auf eine Foto-Fenton Oxidation empfindlich sind und somit auch mit niedriger H2O2-Zugabe entfernt werden können. Durch dieses Advanced Oxidation Process (AOP)-Verfahren wird der TOC in BAC und DDAC rasch angegriffen, wobei die Stickstofffreisetzung etwas verzögert erfolgt. Wichtig ist, dass es nicht erforderlich erscheint, den gesamten TOC im Abwasser zu entfernen, um die QAVs in Abwässern abzubauen. Die Versuche zur Hemmwirkung der QAVs haben gezeigt, dass sowohl eine Akuthemmung der Kohlenstoffatmung als auch der Stickstoffatmung nicht ausgeschlossen werden können. Die Beeinflussung ist für die untersuchten Benzalkoniumchloride höher einzuschätzen als für die Dimethylalkylammoniumchloride. Grundsätzlich muss mit einer akuten Hemmwirkung bei Konzentrationen gerechnet werden, die über jenen in diesem Projekt analysierten Zulaufkonzentrationen (0,011 µg/l - 170 µg/l) liegen. Hinsichtlich der chronischen Hemmung der QAVs, ließ sich ebenfalls eine Beeinflussung der Nitrifikation erkennen. Auch in diesem Fall lagen die maßgebenden Konzentrationsbereiche (> 1 mg/l) jedoch deutlich über den ermittelten Zulaufwerten der untersuchten Kläranlagen. Die Hemmung trat für die zweite Stufe der Nitrifikation, der Oxidation von NO2-N zu NO3-N auf. Dies ist vor allem für jene Anlagen von Bedeutung, die nur über Nitrifikation verfügen und nicht auf Stickstoffentfernung ausgelegt sind. Dann besteht die Gefahr eines erhöhten NO2-N Austrages über den Ablauf in den Vorfluter. Eine Beeinflussung des Kohlenstoffabbaues als auch der Denitrifikation wurde nicht festgestellt. Bei der Ermittlung der Stoffcharakteristika wurde ein sehr hohes Adsorptionspotential der QAVs für Belebtschlamm beobachtet. Das führt zu dem Schluss, dass die Substanzen, wie auch die Kläranlagenbeprobungen gezeigt haben, wohl eine sehr hohen Entfernungsrate aus der flüssigen Phase des gereinigten Abwassers aufweisen, aber die Substanzen hauptsächlich im Belebtschlamm angelagert sind. Daher muss mit einer Entfernung der QAVs über den Überschussschlamm gerechnet werden und mit möglichen Desorptionserscheinungen während der weitergehenden Schlammbehandlung. Bei den Untersuchungen bezüglich ihrer Wirkungen auf in Wasser lebende Tierarten wurden sehr speziesspezifische Wirkungen festgestellt. Während zahlreiche Organismen tolerant gegenüber Konzentrationen von QAVs im µg/l Bereich sind, gibt es höchst sensible Organismen und Entwicklungsstadien bei welchen bei vergleichbaren Konzentrationen bereits mit Schadwirkungen zu rechnen ist. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die Datenlage betreffend chronische Auswirkungen von QAVs auf aquatische Organismen wenig zufriedenstellend ist. Vor allem Daten über Beeinträchtigungen der Reproduktion, des Wachstums und der Entwicklung fehlen. Weiters ist aus der Literatur bekannt, dass die Konzentrationen die zu toxischen Wirkungen von QAVs führen bei Verwendung von natürlichem Oberflächengewässer bzw. simulierten Bedingungen wesentlich höher sind als bei Verwendung von filtriertem Laborwasser. Auf Grund dieser Wissenslücken ist die Bewertung von QAVs mit Unsicherheiten behaftet. Weiters ist bei Fehlen von validen Toxizitätstests ein großer Sicherheitsfaktor zur Berechnung der PNEC nötig. In einigen Fällen kam es zu Überschreitungen des PEC/PNEC Verhältnisses. Es zeigte sich, dass vor allem kleinere Flüsse, insbesondere bei Hochwasser belastet sein können. Dies kann auch bestimmte Abschnitte des Gewässers besonders betreffen. Die Sedimentkonzentrationen korrespondierten im Wesentlichen mit den Oberflächengewässern. Daher sind toxische Wirkungen auf aquatische Lebewesen, die auf die QAVs sensibel reagieren, nicht auszuschließen.

Berichtsdateien

1390_QAV-Gans_Endbericht.pdf

Autor/innen

Oliver Dr. Gans, Maria Dr. Uhl, Britta Univ.-Prof. Dr. Grillitsch, Maria Univ.-Prof. Dr. Fürhacker, Norbert Dr. Kreuzinger