GesundesBrustbein: Brustbeinfrakturen in österreichischen Legehennen- und Legehennen-Elterntierbetrieben: Prävalenz, Risikofaktoren und Produktivität

Projektleitung

Janja Sirovnik Koscica

Forschungseinrichtung

Veterinärmedizinische Universität Wien

Projektnummer

101815

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus| Österreichische Qualitätsgeflügelvereinigung| Amt der Niederösterreichischen Landesregierung| Amt der Salzburger Landesregierung| Amt der Oberösterreichischen Landesregierung| Amt der Steiermärkischen Landesregierung| Amt der Tiroler Landesregierung| Amt der Vorarlberger Landesregierung| Amt der Kärntner Landesregierung| Amt der Burgenländischen Landesregierung| Gesellschaft für artgemäße Nutztierhaltung GmbH

Allgemeine Projektinformationen

Abstract (deutsch)

In den letzten zwei Jahrzehnten wurde bei Konsument:innen nicht nur der Ruf nach tiergerechter Haltungssystemen immer stärker, sondern auch der Wunsch, Produkte aus solcher Haltung zu kaufen. Bei Legehennen treten schmerzhafte Brustbeinfrakturen (BBF) häufig auf. Die Prävalenz von BBF variiert zwischen Legehennenherden, aber in einigen Beständen leiden fast alle Hennen daran. Die großen Unterschiede zwischen den Herden deuten darauf hin, dass die Haltung und das Management eine wichtige Rolle spielen und weisen auf das Potential hin, die Häufigkeit von BBF verringern zu können. Wirtschaftliche Aspekte können durch BBF negativ beeinflusst werden, wobei ein Abfall der Eiproduktion um bis zu 16 % bei Hennen mit schweren Veränderungen möglich ist. Da auch die Elterntiere von Legehennen von BBF betroffen sind, kann auch die Produktivität dieser Tiere beeinträchtigt werden, was bisher jedoch noch nicht untersucht wurde. Es gibt viele Faktoren, die zu einer erhöhten Prävalenz von BBF führen können, mitunter die Aufstallung, das Herdenmanagement und tierbezogene Faktoren. Zum Beispiel können gute Beleuchtung, Bereitstellung von Rampen und flache Winkel zwischen den Volierenetagen den Wechsel zwischen den Ebenen erleichtern und BBF verringern. Der Nährstoffgehalt des Futters kann ebenfalls eine Rolle bei der Prävalenz von BBF spielen. Des Weiteren ist eine gute Mensch-Tier-Beziehung wichtig, denn geringere Furcht vor Menschen kann dazu beitragen, furchtbedingte Kollisionen und BBF zu verringern. Außerdem können die Genetik, das Körpergewicht und die Fußballengesundheit auch die Häufigkeit von BBF beeinflussen. Das Projekt GesundesBrustbein ist eine epidemiologische Untersuchung zur Risiko-Analyse, die Informationen über die Prävalenz von BBF bei Legehennen und Lege-Elterntieren liefern soll, sowie Risikofaktoren für BBF auf österreichischen konventionellen und biologischen Legehennenbetrieben identifizieren soll. Die Produktivität von Legehennenherden in Bezug auf BBF wurde zwar schon in anderen Ländern untersucht, jedoch fehlen solche Informationen bei österreichischen Betrieben. Neben den Auswirkungen von BBF auf die Produktivität, werden auch andere Indikatoren des Wohlergehens als BBF bei Legehennen- und Legehennen-Elterntierbeständen untersucht werden.

Schlagwörter (deutsch)

Brustbein Frakturen, Prävalenz, Risikofaktoren, Legehennen, Legehennen-Elterntieren, Wohlergehen, Produktivität

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Keel bone fractures in Austrian layer and layer parent flocks: prevalence, risk factors, and productivity

Abstract (englisch)

Over the last two decades, increasing numbers of consumers and citizens demand ethical farming systems and claim to refuse to buy products that do not meet their animal welfare concerns. Commercial laying hens are susceptible to keel bone fractures (KBF), which are likely painful. The prevalence of KBF varies between laying hen flocks, but in some flocks almost all hens suffer from KBF. However, a large variation between flocks indicates that housing design and/or management plays a key role and shows a potential to reduce the prevalence of fractures. Economic aspects are negatively affected by KBF with up to a 16% reduction in egg production in hens with the most severe KBF. As layer parent hens also experience KBF, the productivity of these animals may also be impaired including reduced egg production, fertility and hatchability as well as increased mortality of the chicks, but this has not been studied so far. Keel bone fractures are a multi-factorial welfare and economic issue. There are many factors that may lead to increased prevalence of KBF including housing, management, and bird-related factors. The provision of ramps and bright barns may reduce the risk for KBF. Less steep angles between aviary tiers may improve the transitions and reduce KBF. Feed nutrient content may also play a role in the prevalence of KBF. Furthermore, a good human-animal relationship leads to low levels of fear of humans and may help to reduce fear-induced collisions and fractures. Bird genetics, body weight, and feet health have already been suggested to affect KBF prevalence. HealthyKeel project is an on-farm risk assessment analysis, which will provide information on the prevalence of KBF and risk factors for KBF in layer and layer parent hens on Austrian conventional and organic egg producing farms. On-farm research will ensure that the identified risk factors are relevant to current practices. Although productivity of layer flocks in relation to KBF has been studied elsewhere, information on Austrian farms is missing. We will also investigate the effects of KBF on productivity and other welfare indicators of layer parent flocks.

Schlagwörter (englisch)

Keel bone fractures, prevalence, risk factors, laying hens, layer parent stock, welfare, productivity

Projektziele

Das Ziel des GesundesBrustbein Projekts ist es, die Prävalenz von Brustbeinfrakturen (BBF) auf österreichischen Legehennen- und Legehennen-Elterntierbetrieben zu evaluieren und Risikofaktoren für BBF zu identifizieren. Es soll auch der Zusammenhang zwischen BBF und Produktivität ermittelt werden. Das GesundesBrustbein Projekt ist für Tiere, Menschen (Landwirte und Öffentlichkeit) und die Umwelt von Bedeutung, um eine nachhaltige Eiproduktion zu unterstützen.

Tier: Brustbeinfrakturen gehören zu den wichtigsten Tierschutzproblemen bei Legehennen (FAWC, 2010, 2013). Hennen mit BBF leiden unter erheblichen Schmerzen, wie ihr verändertes Verhalten (Nasr et al., 2012; Rufener et al., 2019a), ihre Reaktion auf Schmerzmittel (Nasr et al., 2012) und Anzeichen eines negativen emotionalen Zustands (Armstrong et al., 2020) zeigen. Untersuchungen in fünf europäischen Ländern fanden eine BBF-Prävalenz von 30 bis 100 % (Heerkens et al., 2016; Thøfner et al., 2021). In Österreich sind mindestens 45 % der Hennen in ökologischer Erzeugung von BBF betroffen (Jung et al., 2019); in dieser Studie wurde jedoch eine ungenaue Bewertungsmethode (Palpation) genutzt, weshalb die Prävalenz von BBF wahrscheinlich noch deutlich höher ist. Die Schwankungsbreite der Prävalenz zwischen Betrieben deutet darauf hin, dass auf manchen Betrieben das Risiko für BBF größer ist.

Haltungsbedingungen, Management und tierbezogene Faktoren können ein Risiko für BBF darstellen. So werden Stürze als ein wichtiger Risikofaktor für BBF angesehen (Stratmann et al., 2019). Die Bereitstellung von Rampen wurde als eines der vielversprechendsten Instrumente zur Verringerung der Sturzhäufigkeit und der BBF-Prävalenz in einem Forschungsumfeld identifiziert (Stratmann et al., 2015) und würde wahrscheinlich die Prävalenz der BBF in landwirtschaftlichen Betrieben verringern. Wenn die Hennen weniger steile Winkel überwinden müssen, um die oberen Volierenebenen zu erreichen, könnte dies den Wechsel zwischen diesen Ebenen erleichtern und BBF reduzieren (LeBlanc et al., 2018). Da die meisten Stürze in der Abenddämmerung auftreten, wenn die Hennen nach einem Schlafplatz suchen (Stratmann et al., 2019), könnte auch ein großes Angebot an Sitzstangen im oberen Teil der Voliere die BBF-Prävalenz möglicherweise verringern. All diese Faktoren müssen noch untersucht werden. Darüber hinaus hilft das allmähliche Dimmen der Beleuchtung den Hennen wahrscheinlich, ohne Stürze zum Schlafplatz zu gelangen (Stratmann et al., 2019). Hühner benötigen ausreichend Licht, um einen angemessenen Sprung und eine sichere Landung durchzuführen (Moinard et al., 2004). Es hat sich daher gezeigt, dass die Versorgung mit Tageslicht mit einer geringeren BBF-Prävalenz zusammenhängt (Jung et al., 2019). Allerdings wurden die Auswirkungen der Lichtintensität im Stall auf die BBF nicht untersucht.

Ein wichtiger Fütterungsfaktor ist die Kalziumversorgung (Fleming, 2008) und der Nährwert des Futters (Mineral-, Protein- (Aminosäure-) und Energiegehalt), welche die BBF-Prävalenz ebenfalls beeinflussen können (Jiang et al., 2013). Darüber verringert eine gute Mensch-Tier-Beziehung die Furcht der Tiere und damit Panik und Fluchtverhalten, das zu Kollisionen und Knochenbrüchen führt (Heerkens et al., 2016). Es wurde bereits vermutet, dass die Genetik (Candelotto et al., 2017), das Körpergewicht (Habig et al., 2021) und die Fußballengesundheit (Gebhardt-Henrich und Fröhlich, 2015) die Prävalenz von BBF beeinflussen. Um das Wohlergehen der Tiere in österreichischen Betrieben zu verbessern, wird das Projekt GesundesBrustbein die Prävalenz von BBF ermitteln und untersuchen, inwiefern die bekannten Risikofaktoren in Österreich eine Rolle spielen, und den Landwirten Ratschläge zur Verbesserung der Haltungs- und Managementfaktoren geben, die letztendlich das BBF-Risiko verringern sollen. Wir werden auch neue Risikofaktoren wie die Winkel in der Voliere und die Lichtintensität in Innenräumen untersuchen.

Menschen (Landwirte und Gesellschaft): Die Eiproduktion von Legehennen mit schweren BBF sinkt um 16 % im Vergleich zur Eiproduktion von Hennen ohne Frakturen (Nasr et al., 2013; Rufener et al., 2019b). Eine geringere Eiproduktion führt zu wirtschaftlichen Verlusten, die sich negativ auf die Landwirte auswirken. Unser Projekt wird jedem Teilnehmer Informationen zu seinem Betrieb, insbesondere zur BBF-Prävalenz, im Vergleich zu anderen teilnehmenden Betrieben im Sinne eines Benchmarkings zukommen lassen, selbstverständlich anonymisiert. Auf Grundlage der Analyse der Risikofaktoren in der Studienpopulation und aus der Literatur bekannter Risikofaktoren werden wir jedem Landwirt betriebsspezifische, leicht umsetzbare und kostengünstige Vorschläge zur Verringerung der BBF-Prävalenz unterbreiten.

Hennen in Legehennen-Elterntierherden leiden ebenfalls an BBF (Prävalenz von BBF: 81,5 %; Thøfner et al., 2021); der auch hier wahrscheinliche Zusammenhang mit der Eiproduktion wurde bisher noch nicht untersucht. Da Hennen mit gebrochenen Brustbeinen mehr Zeit in den oberen Etagen von Volieren verbringen (Rufener et al., 2019a) und die Fortpflanzung meist im Einstreubereich (d. h. auf dem Boden) stattfindet, können BBF mit einer verringerten Fruchtbarkeitsrate zusammenhängen und bei Hennen, die den Einstreubereich nutzen, zu Zwangskopulationen führen, die mit Stress und Verletzungen verbunden sind (Leone und Estévez, 2008). Stress in der Elterntierherde wiederum hängt mit einer geringeren Schlupfrate und einem geringeren Überleben der Küken in den ersten Lebenstagen zusammenhängt (Peixoto et al., 2020). Somit ist ein negativer Einfluss von BBF der Elterntiere auf die Produktion und das Wohlergehen von sowohl den Elterntierhennen als auch den davon abstammenden Junghennen möglich. Das Projekt GesundesBrustbein ist das erste Projekt, das den Zusammenhang zwischen BBF und der Produktivität und anderen Tierschutzindikatoren in Legehennen-Elterntierherden untersucht.

Das öffentliche Interesse an lebensmittelliefierenden Tieren hat im letzten Jahrhundert zugenommen (Alonso et al., 2020). Österreich gilt als federführend bei Verbesserungen des Wohlergehens von Nutztieren (Vogeler, 2017), und es wird angenommen, dass öffentliche Diskussionen einen wichtigen Beitrag zu dieser Bewegung geleistet haben (Bartussek, 2001). Mit steigendem Kenntnisstand über die hohen Prävalenzen von BBF besteht die Gefahr, dass die Öffentlichkeit die moderne Legehennenhaltung als inakzeptabel empfindet. Mit dem Projekt GesundesBrustbein kann der Öffentlichkeit vermittelt werden, dass proaktiv nach den Risikofaktoren und möglichen Lösungen gesucht wird, um die Prävalenz von BBF in österreichischen Betrieben gering zu halten.

Umwelt: Hennen mit BBF verbrauchen mehr Futter und Wasser als Hennen ohne Frakturen (Nasr et al., 2013) und legen weniger Eier (Rufener et al., 2019b). Eine geringere Produktivität wirkt sich bei den meisten Umweltkriterien nachteilig aus, da pro produziertem Ei (Konsum und für die Kükenproduktion) mehr Futter und Wasser verbraucht werden. Die Umweltauswirkungen der Eiproduktion und insbesondere die produktbezogenen Umweltauswirkungen (d. h. die Belastungskriterien pro kg Eier) hängen mit der Produktivität der Herde zusammen (z. B. Pelletier et al., 2014). Daher ist es für eine nachhaltige Eiproduktion von Bedeutung, BBF zu reduzieren. 


Da BBF weit verbreitet sind, ist es wichtig, die Situation auf den Betrieben zu erheben und, voraussichtlich, zu verbessern. Eine Verbesserung des Tierwohls auf bestehenden Betrieben ist auch einer der Kernpunkte des „Paktes für mehr Tierwohl“. Das Projekt GesundesBrustbein kann zur Erreichung dieses Zieles einen wesentlichen Beitrag leisten indem es den Landwirten Lösungsvorschläge zur Verringerung der BBF bietet (z. B. Bereitstellung von Rampen, Änderung der Lichtintensität usw.), und damit die Prävalenz der BBF reduziert werden kann. Dadurch können auch ihre negativen Auswirkungen auf die Ressourcennutzung und die Umwelt verringert werden.

Praxisrelevanz

Schwerwiegende wirtschaftliche Verluste auf Grund einer verminderten Eiproduktion wurden in der Forschung mit Brustbeinfrakturen (BBF) in Verbindung gebracht (Rufener et al., 2019b). Das Projekt GesundesBrustbein ist die erste Studie über den Zusammenhang zwischen BBF und Produktivität in österreichischen kommerziellen Betrieben und könnte eine Erklärung für die schlechte Eiproduktion sein, die in einigen Herden beobachtet wird. Darüber hinaus werden wir den Zusammenhang zwischen BBF und der Produktivität von Legehennen-Elterntieren untersuchen, was sowohl für Elterntierherden als auch für Junghennen von praktischer Bedeutung sein wird. Bei den Elterntieren werden wir die Auswirkungen der BBF auf die Produktivität, d.h. die Eiproduktion und Fruchtbarkeit, untersuchen.

Des Weiteren werden wir den Zusammenhang zwischen BBF und Parametern, die indirekt durch den erhöhten Stress beeinflusst werden, wie z. B. die Schlupfrate und die Kükenmortalität, untersuchen. Einfache und kostengünstige Lösungen wie Rampen, die die Fortbewegung in Volierensystemen verbessern, und eine verbesserte Tier-Mensch-Beziehung (Reduktion der Furcht vor Menschen) mit ihren potenziellen positiven Auswirkungen auf die Verringerung von Fluchtreaktionen und Panik, können die Prävalenz und den Schweregrad von BBF in einer Forschungsumgebung verringern (Stratmann et al., 2015). Im Rahmen des Projekts GesundesBrustbein wird untersucht, inwieweit solche Lösungen in österreichischen Betrieben eingesetzt werden. Auch weitere mögliche Risikofaktoren für BBF werden ermittelt, wie z. B. die Winkel zwischen den Etagen in der Voliere, Unterschiede in der Fütterung usw.

Dieses Projekt ist auch wichtig, um den Ansprüchen der Verbraucher und der Gesellschaft gerecht zu werden, und die Prävalenz von BBF zu verringern, um damit Bedenken gegen die Legehennenhaltung auszuräumen. Daher bietet dieses Projekt den österreichischen Landwirten Lösungen für dieses wichtige Problem.