EssensWert: Verringerung von vermeidbaren Lebensmittelabfällen und -verlusten in der Primärproduktion

Projektleitung

Gudrun Obersteiner

Forschungseinrichtung

Universität für Bodenkultur Wien

Projektnummer

101851

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

Allgemeine Projektinformationen

Abstract (deutsch)

Lebensmittelverluste und -verschwendung haben negative Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Umwelt und die Wirtschaft. Sie verschlechtern die Ernährungssicherheit, verursachen Treibhausgasemissionen, belasten Land- und Wasserressourcen, führen zur Verschlechterung von Lebensräumen sowie zu Verlusten der biologischen Vielfalt und sind nicht zuletzt für große wirtschaftliche Verluste verantwortlich. Diese negativen Auswirkungen werden in Krisenzeiten wie der aktuellen COVID-19-Pandemie noch verschärft, wenn durch Unterbrechungen der Lebensmittelversorgungsketten zusätzliche Lebensmittelverluste und -abfälle verursacht werden.

Zahlen über die Höhe der Verluste in der Landwirtschaft sind eher selten, da zufriedenstellende Methoden noch fehlen und die Bestimmung der Lebensmittelabfälle in der Primärproduktion am schwierigsten zu quantifizieren ist. Gründe dafür sind neben fehlende Analysen auf der einen Seite sowie die generelle Vielfalt des Sektors (Fischerei bis Gemüseanbau) gepaart mit schwer einschätzbaren äußeren Bedingungen, welche das das Aufkommen an Lebensmittelabfällen und -verlusten maßgeblich beeinflussen. Es gibt große Unterschiede im Abfallaufkommen, die zum einen vom jeweiligen Produkt abhängen und zum anderen durch Witterungseinflüsse oder Krankheiten und Schädlinge bedingt sind. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass es bisher keine klare Klassifizierung von Lebensmittelabfällen und -verlusten in der Landwirtschaft gibt. Auch in Österreich ist die Datenlage über Lebensmittelabfälle in der Primärproduktion immer noch dürftig und umfasst nur Teile der gesamten landwirtschaftlichen Produktion.

Das Projekt verfolgt als Hauptziel die Vermeidung und Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen in der Primärproduktion als Beitrag zur Ernährungssicherheit. Basierend auf einer Erhebung des Aufkommens und der Zusammensetzung von Lebensmittelabfällen in der Primärproduktion und der verantwortlichen Gründe wird das Vermeidungspotential abgeschätzt und konkrete Maßnahmen zur Lebensmittelabfallvermeidung unter Berücksichtigung rechtlicher, technischer, ökonomischer und sozialer Aspekte werden abgeleitet.

Dies soll zur Schaffung nachhaltiger, gesunder und integrativer Lebensmittelsysteme beitragen, die Vorteile für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel, die biologische Vielfalt, die ökologische Nachhaltigkeit und einen sicheren Lebensmittelkonsum ermöglichen.

Schlagwörter (deutsch)

Lebensmittelabfall, Ernteverluste, Primärproduktion, SDG 12.3, Lebensmittelabfallvermeidung

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Reduction of avoidable food waste in primary production

Abstract (englisch)

Food loss and waste have negative impacts on society, the environment and the economy. They worsen food security, cause greenhouse gas emissions, stress land and water resources, lead to habitat degradation and biodiversity losses, and, last but not least, are responsible for large economic losses. These negative impacts are exacerbated in times of crisis, such as the current COVID-19 pandemic, when disruptions in food supply chains cause additional food losses and waste.

Figures on the amount of losses in agriculture are rather rare, as satisfactory methods are still lacking and the determination of food waste in primary production is the most difficult to quantify. The reasons for this are the lack of analysis on the one hand, and the general diversity of the sector (from fisheries to vegetable production) coupled with external conditions that are difficult to assess, which significantly influence the generation of food waste and losses. There are large differences in the amount of waste generated, depending on the product in question on the one hand, and on the other hand due to weather conditions or diseases and pests. Furthermore, it was found that there is no clear classification of food waste and losses in agriculture so far. Also in Austria, data on food waste in primary production is still poor and covers only parts of the total agricultural production.

The main objective of the project is the prevention and reduction of food losses and waste in primary production as a contribution to food security. Based on a survey of the occurrence and composition of food waste in primary production and the responsible reasons, the prevention potential will be estimated and concrete measures for food waste prevention will be derived, taking into account legal, technical, economic and social aspects.

This will contribute to the creation of sustainable, healthy and inclusive food systems that enable climate change mitigation and adaptation benefits, biodiversity, environmental sustainability and safe food consumption.


Schlagwörter (englisch)

food waste, harvest loss, primary production, SDG 12.3, food waste prevention

Projektziele

Lebensmittelverluste und -verschwendung haben negative Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Umwelt und die Wirtschaft. Sie verschlechtern die Ernährungssicherheit, verursachen Treibhausgasemissionen, belasten Land- und Wasserressourcen, führen somit auch zur Verschlechterung von Lebensräumen und den Verlust der biologischen Vielfalt und sind nicht zuletzt für große wirtschaftliche Verluste verantwortlich. Diese negativen Auswirkungen werden in Krisenzeiten wie der aktuellen COVID-19-Pandemie noch verschärft, wenn durch Unterbrechungen der Lebensmittelversorgungsketten zusätzliche Lebensmittelverluste und -abfälle verursacht werden.

Forschungsfrage

Nachdem die FAO (2011) feststellte, dass etwa ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette verschwendet wird, wurde dem Thema immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt, und es wurde zu einem spezifischen Unterziel des SDG 12 der Agenda 2030. Die jüngste Studie des UNEP (2021) berichtet, dass im Jahr 2019 weltweit rund 931 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle erzeugt wurden. Eine aktuelle vom WWF UK (2021) veröffentlichte Studie schätzt dass sogar rund 40 % der produzierten Nahrungsmittel nie gegessen werden und sieht den Hauptgrund für die Steigerung in neuen Erhebungen zu Verlusten in der Landwirtschaft. Die Gründe für Lebensmittelabfall hängen von verschiedenen oft spezifischen Umständen ab, die mit den einzelnen Schritten der Lieferkette verbunden sind. Gründe in der Primärproduktion reichen hier von Lebensmitteln, die aus unterschiedlichen Gründen auf den Feldern verbleiben, anstatt geerntet zu werden, oder die in den folgenden Schritten der Lieferkette aussortiert werden. Frisches Obst und Gemüse kommt aus verschiedenen Gründen nicht in den Verkauf. Unterschiedliche Erntetechniken lassen einen bestimmten Teil des Ertrags auf dem Feld zurück. Überproduktion aufgrund einer unerwartet guten Ernte ist ein weiterer Grund, warum Produkte nicht oder nur teilweise geerntet werden. Oft entsprechen die Erzeugnisse einfach nicht den Vermarktungs- und Qualitätsnormen oder den Kriterien des Lebensmitteleinzelhandels.

Problem: Fehlende Daten aus Produktion

Zahlen über die Höhe der Verluste in der Landwirtschaft sind eher selten, da zufriedenstellende Methoden noch fehlen und die Bestimmung der Lebensmittelabfälle in der Primärproduktion am schwierigsten zu quantifizieren ist. Eine Erklärung dafür ist, dass der Sektor insgesamt nicht in demselben Maße untersucht wurde wie andere Sektoren. Der zweite Faktor ist, dass der Sektor sehr vielfältig ist, von der Fischerei bis zum Gemüseanbau, und dass er von äußeren Bedingungen beeinflusst wird. Es gibt große Unterschiede im Abfallaufkommen, die zum einen von der jeweiligen Frucht oder dem Gemüse abhängen und zum anderen durch Witterungseinflüsse oder Krankheiten und Schädlinge bedingt sind. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass es bisher keine klare Klassifizierung von Lebensmittelabfällen und -verlusten gibt.

Bislang wurde die Quantifizierung von Lebensmittelabfällen meist mit einem fragmentierten Ansatz analysiert, der die letzten Stufen der Lebensmittelkette bevorzugt. Die Bewertung von Lebensmittelabfällen durch direkte Messungen in der Produktions- und Verarbeitungsphase wird nur in wenigen wissenschaftlichen Beiträgen analysiert, da deren Quantifizierung auf der Grundlage einer standardisierten Methodik besonders schwierig ist.

Mit dem kürzlich angenommenen Beschluss der EU-Kommission (EU) 2019/1597 wurden eine gemeinsame Methode und Mindestqualitätsanforderungen für die einheitliche Messung des Umfangs der Lebensmittelabfälle auf nationaler Ebene festgelegt. Da jedoch eine gründliche Bewertung der Lebensmittelverluste auf der Stufe der Primärproduktion schwierig, zeitaufwändig und kostspielig ist, schließt die gemeinsame EU-Methode die Messung von Lebensmittelverlusten auf dieser Stufe aus. Zusätzlich zu diesem Mangel an Informationen über die Höhe der Lebensmittelverluste auf der ersten Produktionsstufe gibt es auch ein unzureichendes Verständnis der Ursachen und Triebkräfte, die hinter diesen Verlusten stehen, und dies ist der Schlüssel zur Entwicklung wirksamer Strategien zur Vermeidung und Verringerung dieser Verluste.

Auch in Österreich ist die Datenlage über Lebensmittelabfälle und -verluste in der Primärproduktion immer noch dürftig und umfasst nur Teile der gesamten landwirtschaftlichen Produktion.

Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen für das Projekt:

  • Wie hoch ist das Aufkommen an Lebensmittelabfällen und -verlusten in der Primärproduktion in Österreich?
  • Welche Methoden sind geeignet das Aufkommen an Lebensmittelabfällen in der Primärproduktion langfristig mit vertretbarem Aufwand und statistisch repräsentativ zu erheben?
  • Was sind die Gründe für das Lebensmittelabfallaufkommen in der Primärproduktion?
  • Welche Möglichkeiten gibt es in Zukunft das Aufkommen an Lebensmittelabfällen und -verlusten in der Landwirtschaft zu reduzieren?

Ziele

Im Einklang mit den Prioritäten des Europäischen Green Deal und insbesondere der Strategie "Vom Hof auf den Tisch" für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem sowie mit den Klimazielen der EU sollten die erfolgreichen Vorschläge die Vermeidung und Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen in der Primärproduktion unterstützen. Sie sollten daher zur Schaffung nachhaltiger, gesunder und integrativer Lebensmittelsysteme beitragen, die gleichzeitig Vorteile für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel, die biologische Vielfalt, die ökologische Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft, eine nachhaltige, gesunde Ernährung und einen sicheren Lebensmittelkonsum ermöglichen.

Es ergibt sich demnach folgendes Hauptziel für das Projekt: Vermeidung und Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen in der Primärproduktion

Dazu werden folgende Unterziele verfolgt:

  • Erhebung des Aufkommens und der Zusammensetzung von Lebensmittelabfällen in der Primärproduktion
  • Erhebung der Gründe für das jeweilige Lebensmittelabfallaufkommen
  • Verbesserung der Datenbasis zu Verlusten in der Primärproduktion
  • Abschätzung des Vermeidungspotentials
  • Ableitung und Konkretisierung von Maßnahmen zur Lebensmittelabfallvermeidung unter Berücksichtigung rechtlicher (z.B. Nachernte, Weitergabe), technischer (z.B.: Erntemaschinen), ökonomischer (z.B. Kosten/Nutzen der Ernte von Überschüssen) und sozialer Aspekte (z.B. Schulungen).
  • Beitrag zur zur zukünftigen Ernährungssicherheit durch Reduktion der Verluste

Praxisrelevanz

Durch die erworbenen Erkenntnisse aus den Umfragen und Feldanalysen können konkrete Maßnahmen abgeleitet werden, um Lebensmittelabfälle in der Landwirtschaft zu reduzieren und somit zur Ernährungssicherheit beizutragen. Da diese Maßnahmen in einem Stakeholder-Dialog sowie mit Expert:innen diskutiert werden, kann das Potenzial zur Umsetzbarkeit besser definiert werden und unter anderem können konkrete Anreize geschaffen werden, um die Maßnahmen in der Praxis umzusetzen. Dies erhöht das Realisierung- und Replikationspotenzial.

Mit diesem Projektansatz kann eine tatsächliche Transformation im landwirtschaftlichen Bereich in Richtung nachhaltige und abfallarme Produktion und ein Übergang zu nachhaltigen und widerstandfähigen Lebensmittelsystemen erreicht werden.

Will die Weltgemeinschaft weltweite Ernährungssicherheit gewährleisten, wie es sich die Vereinten Nationen zum Ziel gesetzt haben (siehe Ziele für nachhaltige Entwicklung/SDG Nr. 2), muss hier ein Ausgleich gefunden werden. Deshalb sollen bis zum Jahr 2030 Lebensmittelabfälle um die Hälfte verringert und Lebensmittelverluste reduziert werden (SDG 12). Die Bestandsaufnahme von Schwachstellen in der Primärproduktion bis zur Schnittstelle der weiteren Lebensmittelversorgungskette ermöglicht es einen Beitrag zur zukünftigen Ernährungssicherheit zu leisten.

Zusätzlich werden neue bzw. konkrete Daten zu Verlusten für die Landwirte/Produzenten selber gewonnen; Es hat sich gezeigt, dass einige Landwirte relativ genau über ihre Verluste Bescheid, andere – vor allem „Generalisten“, die viele unterschiedliche Sorten anbauen oder in kleinräumigen Maßstäben – haben oft weniger Ahnung, was ihre Verlustmengen betrifft. Durch die Feldanalysen werden Daten erhoben, die zur Bewusstseinsbildung und zur Vermeidung von Verlusten beitragen und damit zu ökonomischen Einsparungen bei den Landwirten führen.

Gleichzeitig kommt es zu einer Reduktion der mit der unnötigen Produktion bzw. der Bewirtschaftung der Abfälle verbundenen Umweltauswirkungen, sodass die Maßnahmen einen Beitrag zum Klimaschutz liefern.