Chlamydiose bei Sauen: Chlamydia suis induzierte Fruchtbarkeitsstörungen bei Sauen: Optimierung von Diagnostik und Gewinn neuer Erkenntnisse zu Pathogenese, Epidemiologie sowie Resistenzlage

Projektleitung

Christine Unterweger

Forschungseinrichtung

Veterinärmedizinische Universität Wien

Projektnummer

101827

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

Allgemeine Projektinformationen

Abstract (deutsch)

Eine Chlamydia (C.) suis Infektion ist eine der Top 5 Differentialdiagnosen bei Fruchtbarkeitsproblemen der Sauen und Infektionen werden insbesondere mit Aborten und Umrauschen in Verbindung gebracht. C. suis birgt ein hohes Risiko der Entwicklung einer Tetrazyklinresistenz, ist ein potenzieller Zoonoseerreger und es besteht die Möglichkeit der Übertragung von Resistenzgenen auf humane Chlamydienstämme. Dies unterstreicht die Bedeutung dieses Erregers für die Gesundheit von Schweinen und Menschen, da es keine C. suis-spezifischen Impfstoffe gibt und es an zuverlässigen und spezifischen Diagnoseinstrumenten mangelt. Die geplante Studie zielt darauf ab, zum ersten Mal auf breiter Basis Feldisolate aus dem Genitaltrakt von Sauen zu gewinnen und diese nicht nur auf ihre Resistenzlage zu untersuchen, sondern auch genetisch zu analysieren. Gleichzeitig werden von denselben Sauen auch Proben aus dem Enddarm entnommen, um mögliche genetische Unterschiede zwischen den dort angesiedelten Isolaten und jenen des Genitaltraktes festzuhalten. Diese Datenerhebung ist wichtig für Vorarbeiten zur Entwicklung von potentiellen Impfstoffen. Es werden Betriebe mit und ohne Einsatz von Tetrazyklinen gewählt, um den Einfluss der Tetrazyklingabe auf die Resistenzentwicklung zu analysieren. Die Entnahme von Umgebungsproben kann Aufschlüsse geben über das Risiko der Wiederaufnahme von infektiösen Stadien. Diese Daten werden Biosicherheitsmaßnahmen dieser Betriebe gegenübergestellt, wodurch mögliche Hinweise auf Übertragungstrigger oder – verhinderung erfasst werden. Die Durchführung dieser Studie ist wesentlich 1) für die Landwirtschaft durch den Wissensgewinn bei Therapie und Prophylaxe, 2) für die Tierärzteschaft durch das weitere Erfassen von Infektionswegen und Verbesserung von Diagnostik, 3) für die Forschung durch die Vorarbeiten für eine mögliche Impfstoffentwicklung und 4) für das öffentliche Veterinärwesen für die bessere Einschätzung der derzeitigen Resistenzsituation bei Chlamydien.

Schlagwörter (deutsch)

Chlamydia suis, Abort, Umrauscher, Totgeburten, Antibiotikaresistenz, Desinfektion, Diagnostik, Therapie, Sauen, Fruchtbarkeitsprobleme, Zoonose, Nachhaltigkeit

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Chlamydia suis induced fertility disorders in sows: Optimization of diagnostics and improvement of understanding of pathogenesis, epidemiology and resistance

Abstract (englisch)

Infection with Chlamydia (C.) suis is one of the top 5 differential diagnoses for fertility problems in sows and infections are particularly associated with abortions and rebreeding. C. suis bears a high risk of tetracycline resistance development, acts as potential zoonotic agent and states a potential for transfer of resistance genes to human chlamydia strains. This highlights its importance for swine and human health, as no C. suis specific vaccines exist, and reliable and specific diagnostic tools are lacking. The planned study aims to gather field isolates from the genital tract of sows on a broad basis for the first time and not only to examine them for their resistance status, but also to analyze them genetically. At the same time, samples will be taken from the rectum of the same sows to record possible genetic differences between these isolates and the genital isolates. This data collection is important for preliminary work on the development of potential vaccines. Farms with and without tetracycline usage are chosen to analyze the influence of tetracycline treatment on resistance development. Environmental sampling can provide information on the risk of reinfection with infectious stages. These data will be compared with biosecurity measures taken on these farms, thereby capturing possible evidence of transmission triggers or prevention. The implementation of this study is essential 1) for agriculture through the knowledge gain in therapy and prophylaxis, 2) for the field veterinarians through the further recording of infection routes and improvement of diagnostics, 3) for research through the preliminary work for a possible vaccine development and 4) for the public veterinary system for better assessment of the current resistance situation in chlamydia.

Schlagwörter (englisch)

Chlamydia suis, abortion, rebreeding, stillbirth, antimicrobial resistance, desinfection, diagnostics, therapy, fertility problems, zoonosis, sustainability

Projektziele

Ziel dieser Studie ist eine Status-quo Erhebung der Beteiligung von für Schweine pathogenen Chlamydien an Fruchtbarkeitsstörungen bei Sauen in österreichischen ferkelproduzierenden Betrieben. Im Rahmen der Studie sollen Chlamydienstämme isoliert, genetisch charakterisiert und auf ihre Resistenzen gegenüber häufig zur Behandlung von Chlamydien eingesetzten Antibiotika untersucht werden. Chlamydien zählen in Europa neben dem Porzinen Reproduktiven und Respiratorischen Syndrom Virus (PRRSV), dem porzinen Parvovirus (PPV), dem Porcinen Circovirus Typ 2 (PCV2) sowie diversen Leptospirenarten zu den Top 5 Krankheitserregern, die als Auslöser von Aborten, Umrauschen, lebensschwachen oder totgeborenen Ferkeln, Mumien sowie generell schlechter Reproduktionsleistungen gehandhabt werden. Bis auf ein paar wenige Fallberichte und Feldstudien im kleinen Rahmen gibt es auf breiter Feldebene kaum konkrete Daten, weltweit – und somit auch in Österreich - sind bis dato auch noch nie Resistenzerhebungen bei Chlamydien durchgeführt worden. Da es sich insbesondere bei der am häufigsten in der Routinediagnostik nachgewiesenen Spezies Chlamydia (C.) suis um einen Erreger mit Zoonosepotential handelt, hat die Erhebung auch Bedeutung für die Humanmedizin und somit das öffentliche Veterinärwesen. Resistenzen, die insbesondere bei C. suis über ein Tetrazyklin-Resistenzgen auf andere Chlamydienarten und somit auch die humanen Chlamydia trachomatis-Stämme übertragen werden können, sind ebenfalls von großer humanmedizinischer Relevanz. Der Nachweis dieser Resistenzgene macht jedoch nur aus angezüchteten reinen Chlamydienisolaten Sinn, da Tetrazyklin-Resistenzgene auch von anderen Bakterien, wie z.B. E. coli, exprimiert werden können und viele Feldproben mit den ubiquitär vorkommenden E. coli kontaminiert sind. Somit kann der Nachweis dieser Gene direkt aus dem Tier nicht dem Erreger zugeordnet werden, was aber für die Aussage wichtig ist. Anzuchtverfahren sind weltweit in der Routinediagnostik weder beim Menschen noch beim Tier gängig, dies liegt an dem im Vergleich zur PCR aufwendigeren Verfahren. Im Regelfall wird die Diagnose Chlamydiose über einen indirekten Nachweis (Nachweis von Antikörpern) mittels Komplement-Bindungsreaktion gestellt, und der positive Nachweis von Antikörpern ist somit in den meisten Fällen Grundlage für den (gruppenweisen) Einsatz von Tetrazyklinen. Im Jahr 2019 wurden in Österreich 13,4 Tonnen Tetrazykline zum Einsatz am Schwein verkauft, die Abgabemenge lag bei 81,5mg/PCU (Mengenbericht AGES 2020). Derzeit stehen keine Alternativen zur antibiotischen Therapie zur Verfügung und prophylaktische Maßnahmen stecken in den Kinderschuhen: Es gibt weltweit keine Impfung beim Schwein und es gibt auch kein Know-how über geeignete Desinfektions- oder Managementmaßnahmen.

Im Rahmen dieser Studie soll das Auftreten von Chlamydienresistenzen, insbesondere jene gegen Tetrazykline, mit dem Einsatz von Antibiotika am Betrieb sowie dem Level an Biosicherheit korreliert werden. Dafür werden 50 Betriebe mit und ohne klassischen Chlamydien-assoziierten Fruchtbarkeitsproblemen, die Tetrazykline im Einsatz haben oder nicht, gegenübergestellt.

Die während der Studie erhobenen Daten sind wertvoll und wesentlich für das Verständnis der Epidemiologie sowie für die bessere Einschätzung der klinischen Relevanz in Problembetrieben. Diese Vorgangsweise garantiert eine breitflächige Untersuchung auf Herdenbasis sowie auf Länderbasis. Nachdem in Österreich bisher keine Prävalenzdaten erhoben wurden, wurden jene von Polen und Deutschland, die einzigen bisher mittels PCR erfassten Chlamydienprävalenzen im Genitaltrakt von Sauen, als Basis genommen (Rypula et al 2016; Eggemann et al 2000). Die Herdenprävalenz in 64 polnischen Betrieben lag bei 60%, jene in 66 deutschen Betrieben bei knapp über 50%. Bei der gewählten Anzahl von 40 Problembetrieben kann somit davon ausgegangen werden, dass die angestrebte Summe an Isolaten erreicht wird.

Die Daten der Problembetriebe werden jenen der Kontrollbetriebe gegenübergestellt, um den Einfluss nachgewiesener Chlamydien bei Fruchtbarkeitsproblemen besser werten zu können. Außerdem kann so der Einfluss der Tetrazyklingabe auf Resistenzbildungen eruiert werden. Die Feldisolate werden auch genetisch mittels Vollgenomsequenzierung charakterisiert. Dadurch können wissenschaftlich relevante Daten betreffend genetischer Unterschiede von jenen Chlamydienisolaten, die am Fruchtbarkeitsgeschehen beteiligt sind und jenen, die sich ubiquitär in der Umgebung bzw. physiologischerweise im Darmtrakt aufhalten, erhoben werden. Diese Daten sind wichtig und notwendig für die Weiterentwicklung von diagnostischen Tools wie beispielsweise Antikörper-ELISA, die der derzeitigen Routinemethode der KBR deutlich überlegen wären. Außerdem soll anhand eines typischen Isolates aus dem Reproduktionstrakt, das in Verbindung mit Fruchtbarkeitsstörungen detektiert wurde, in einem Folgeprojekt ein experimentelles Infektionsmodell an trächtigen Sauen etabliert werden, um die Pathogenese im Rahmen von Aborten besser verstehen zu können sowie Probenentnahmen für die Praxis besser definieren zu können. Längerfristig wird dieses Modell auch zur Etablierung und Validierung neuer diagnostischer Tools, sowie zur Testung von Vakzinen benötigt.

Diese Ziele wurden weltweit noch nie verfolgt, sind aber unbedingt notwendig, um erstens den möglicherweise unnötigen Antibiotikaeinsatz zu reduzieren, den Einsatz von Desinfektionsmitteln sowie anderen Biosicherheitsmaßnahmen im Fall einer Chlamydiose zu bewerten und künftig zu optimieren, sowie die Entwicklung von diagnostischen Schritten voranzutreiben, um klare Diagnosestellungen gewährleisten zu können. Im besten Fall stellen diese Ergebnisse die Grundlage für eine Impfstoffentwicklung für Sauen dar.

Praxisrelevanz

Eine noch unveröffentlichte Onlineumfrage, die 2021 von 42 österreichischen Schweinetierärzten ausgefüllt wurde, zeigt, dass für rund 50% der Praktiker Chlamydien in Betrieben mit Fruchtbarkeitsproblemen eine hohe bis sehr hohe Bedeutung haben. Dies spiegelt sich auch in der hohen Probeneinsendungsrate zum direkten und indirekten Nachweis bei Fruchtbarkeitsproblemen in Tiergesundheitsdienst-Laboren, der AGES sowie der Vetmeduni wieder. Insbesondere Vaginalausfluss, Aborte und Umrauscher werden in Betrieben mit Chlamydiose benannt. Neben dem psychologischen Aspekt für die Landwirte und der physischen Belastung für die Sauen sind Aborte und Umrauschen mitunter die unwirtschaftlichsten und am wenigsten nachhaltigen Aspekte in der Schweinehaltung: Die Sauen brauchen Platz, Futter, oft auch Medikation und Hormoneinsatz in dieser „unproduktiven“ Phase, kosten somit viel und in den meisten Fällen müssen sie trotzdem der vorzeitigen Schlachtung zugeführt werden. Impfungen gegen Chlamydien sind derzeit nicht am Markt erhältlich, andere Prophylaxemaßnahmen sind aufgrund des geringen Wissens über Überlebensdauer in der Umgebung, Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln, Ausscheidung und Übertragung von Chlamydien nicht optimal durchzuführen. Tierärzte greifen daher in der Regel auf eine Behandlung mit Tetrazyklinen über das Futter zurück, was sich zumindest kurzfristig als gut wirksam bewährt hat. Neuere Erkenntnisse haben gezeigt, dass sich die intrazellulären Stadien der Chlamydien in Stresssituationen (dazu zählt auch Stress, den die Chlamydien durch die Tetrazyklingabe erfahren) in Persistenzstadien zurückziehen und nach Beendigung des Stressstimulus wieder weitervermehren. Dies erklärt auch die Notwendigkeit der regelmäßigen Behandlungen, oft jeder Beleggruppe. Zusätzlich weiß man mittlerweile auch, dass mehr als 90% der Chlamydia suis Isolate ein Resistenzgen gegen Tetrazykline tragen, das auch exprimiert werden kann. Da dieses Resistenzgen zumindest in vitro auch auf die humanen Chlamydia trachomatis Isolate transferiert werden können, sind diese Resistenzgen-tragenden Isolate auch für das öffentliche Veterinärwesen von entscheidender Relevanz. In den meisten Chlamydiosefällen handelt es sich tatsächlich nur um Verdachtsfälle, da für eine Diagnosestellung für die Praxis interpretierbare diagnostische Methoden fehlen und auch mangels durchgeführter Infektionsversuche wichtige Informationen über die optimalen Nachweiszeitpunkte und Zielgewebe, sowie die Interpretierbarkeit von Ergebnissen fehlen. Auch der Wunsch der österreichischen Schweinetierärzte/Innen nach einer verbesserten Diagnostik ging in der Umfrage klar hervor. Die Praxisrelevanz der geplanten Studie ist somit klar ersichtlich: Es sollen erstmals auf breiter Basis Chlamydien-Feldisolate aus klinisch relevanten Fruchtbarkeitsstörungen bei Sauen auf Resistenzen untersucht werden. Diese Resistenzen sollen in Korrelation mit vorangegangenen Therapien, aber auch prophylaktischen Maßnahmen im Betrieb gesetzt werden. Diese Daten geben Anhaltspunkte über den Einfluss von aktuell durchgeführten Bekämpfungs- und Vorbeugestrategien. Anhand genetischer Untersuchungen soll geklärt werden, ob generell alle Chlamydien in der Lage sind, Fruchtbarkeitsstörungen zu verursachen, oder es genetische Eigenschaften gibt, die manche Chlamydien pathogener oder virulenter machen. Dies wäre entscheidend für zukünftige Infektionsstudien sowie Entwicklungen von optimierten Antikörpertests sowie möglichen Impfstoffkandidaten. Die erstmalige Untersuchung von infektiösen Stadien der Chlamydien in Staub und Umgebungstupfern soll Auskunft über die Effizienz der gängigen Desinfektion geben. Es wird davon ausgegangen, dass Chlamydien ubiquitär vorhanden sind und klinische Relevanz nur bei einem erhöhten Erregerdruck gegeben ist. Die Gegenüberstellung von Isolaten aus Betrieben ohne Fruchtbarkeitsprobleme und solchen aus Betrieben mit Fruchtbarkeitsproblemen soll mehr Aufschluss über genetische Unterschiede zwischen klinisch relevanten und nicht relevanten Stämmen geben. Die Suche nach Chlamydien in den verschiedenen Prädilektionsstellen wie Enddarmkot (von dem man von einer bis zu 100%igen Nachweisquote ausgehen kann) und Muttermund sowie Eileitern von betroffenen Sauen, die zur Schlachtung gehen, ermöglicht eine bessere Einschätzung von Nachweiserfolgen. Auch durch das Screenen diverser fötaler Organe inklusive der Nachgeburt nach Aborten in den Problembetrieben können Aussagen über möglicherweise mehr oder weniger geeignete Organe zur Beprobung gemacht werden. Diese Aspekte sind nicht nur für den Tierarzt, sondern letztendlich insbesondere für die Sauen-haltenden Betriebe von Relevanz, eine schnellere Diagnose geht Hand in Hand mit einer zielgerichteteren Behandlung sowie optimierten Biosicherheit. Dies ist nicht nur ein Beitrag zur Nachhaltigkeit, sondern auch zur Optimierung des öffentlichen Gesundheitswesens.