BowAT: Bodenwasser als Schlüssel zur landwirtschaftlichen Versorgungssicherheit in Österreich – Homogenisierung der Datengewinnung, -verarbeitung und -auswertung als Basis für die flächendeckende Bodenwasserhaushaltsabschätzung in der Landwirtschaft

Projektleitung

Sebastian Berka

Forschungseinrichtung

JR-AquaConSol GmbH

Projektnummer

101847

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft 

Allgemeine Projektinformationen

Abstract (deutsch)

Prognosen zur Entwicklung der Ertragssicherheit in der österreichischen Landwirtschaft zeichnen ein düsteres Bild. Für Flächen ohne Bewässerung werden Ertragsrückgänge von zum Teil über 50% der derzeitigen Erträge in Aussicht gestellt. Das Wasser im Boden ist bereits jetzt oft der limitierende Faktor für den landwirtschaftlichen Ertrag auf den hoch produktiven Ackerböden Österreichs und somit für die Versorgungs- und Ernährungssicherheit. Die systematische Erfassung des Bodenwasserhaushalts ist somit unerlässlich für weitsichtige Aussagen zu landwirtschaftlichen Ertragsverhältnissen und den Risiken für verminderte Versorgungssicherheit durch Trockenheit oder das Schwinden von Grundwasserressourcen.

Die Hydrographie Österreichs betreibt seit Ende der 1990er Jahre ein Messnetz zur Erfassung des Bodenwasserhaushalts (BWH). Dieses wurde im Laufe der Zeit kontinuierlich erweitert, sodass – bedingt durch techn. Weiterentwicklungen – dieses aktuell in unterschiedlichen technologischen Ausbaustufen vorliegt. Für die Vergleichbarkeit der Ergebnisse dieser BWH‑Messstellen ist das Etablieren einer einheitlichen Vorgehensweise für die Datenauswertung erforderlich. Das Projekt BowAT wird eine solche Routine entwickeln. Die aufbereiteten BWH-Daten werden anschließend in ein Bodenwasserhaushalts- und Pflanzenwachstums-Simulationsmodell implementiert. Darauf aufgesetzt werden Ansätze zur Regionalisierung der Ergebnisse erprobt, um von den punktuellen BWH-Messungen auf flächenhafte, regionale Auswertungen des BWH-Status und in weiterer Folge auf den Pflanzenertrag und die Ernährungs- und Versorgungssicherheit rückschließen zu können.  In einem weiteren Projektabschnitt wird auf der Basis einer Angebotsanalyse und von langjähriger Messerfahrung ein Vorschlag für die Ausstattung und kommunikationstechnische Einbindung einer zukunftsfähigen BWH-Messstelle erarbeitet. So soll der langfristige, kosteneffiziente Betrieb des Messnetzes gefördert werden.

Die Ergebnisse der Berechnungen im Projekt können in weiterer Folge auch die Basis für tagesaktuelle Ableitungen flächenhafter BWH-Informationen bilden, die für LandwirtInnen, Verwaltung und Forschung von signifikanter Bedeutung sind. Vertrauenswürdige Informationen über die vorherrschenden Bodenwassergehalte ermöglichen zum Beispiel Bewässerungsempfehlungen, eine Bewertung der Intensität von Trockenperioden sowie Abschätzungen der Grundwasserneubildung.

Schlagwörter (deutsch)

Bodenwasserhaushalt, Landwirtschaft, Ernährungssicherheit, Ertrag, Klimawandel, Bodenfeuchte, Wasserkreislauferhebung

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Soil water as key parameter to agricultural food security in Austria – Homogenization of data acquisition, processing and interpretation as basis for a regional estimation of the soil water balance in agriculture

Abstract (englisch)

Forecasts on the development of food security in Austrian agriculture paint a gloomy picture. For areas without irrigation, yield losses of occasionally more than 50% of current yields are envisaged (Haslmayr et al., 2018). Already today, soil water is often the limiting factor for agricultural yields on Austria's highly productive arable soils and thus its food security. Systematic monitoring of the soil water balance is thus essential for a far-sighted understanding of agricultural yield conditions and the risks for reduced food security due to drought or declining groundwater resources.

The Hydrological Service of Austria has been operating a soil water monitoring network since the late 1990s. This network has been continuously expanded over time, so that - due to technical developments - it is currently available at different technological stages. For the comparability of the results of these soil hydrological measurements, it is necessary to establish a uniform data evaluation procedure. The BowAT project will develop such a routine and in a subsequent step the processed soil water data will be implemented in a soil water-plant growth simulation model. Based on this, approaches to regionalize the results will be tested. The modelling will allow for moving from local point information to a regionally interpretable chain of information from soil water status via plant yield to food and supply security. In a further stage of the project, a proposal for the equipment and communication integration of a sustainable soil water monitoring station will be developed, drawing on a supply analysis and long-term measuring experience of the project team. This is intended to promote the sustainable, cost-efficient future operation of the monitoring network.

The results of the calculations in the project can subsequently also form the basis for daily derivation of regional soil water status information, which is of significant importance for farmers, administration and research. Reliable information on the prevailing soil water content enables, for example, irrigation recommendations, an assessment of the intensity of dry periods and estimates of groundwater recharge.

Schlagwörter (englisch)

Soil water balance, agricultural water management, food security, crop yield, climate change, soil moisture, water cycle monitoring

Projektziele

Das trockene Frühjahr 2022 hat der Landwirtschaft in Österreich stark zugesetzt. In der landwirtschaftlichen Produktion großer Teile Österreichs ist das verfügbare Bodenwasser mittlerweile ein limitierender Faktor (Eitzinger et al., 2009; Trnka et al., 2016). Da die ungesättigte Bodenzone durch komplexe Wasser- und Stofftransportprozesse charakterisiert ist, die durch meteorologische Parameter beeinflusst werden, hat der Klimawandel einen starken Einfluss auf den Bodenwasserhaushalt (BWH). Klimaprognosen für Österreich deuten darauf hin, dass sich der Jahresniederschlag in vielen Regionen nicht wesentlich ändern und regional sogar erhöhen wird (BMLRT, 2020a). Durch eine gleichzeitige Zunahme der mittleren Jahrestemperatur wird auch die Verdunstung zunehmen, weswegen der zusätzliche Niederschlag dem Boden nicht zur Verfügung stehen wird (Eitzinger et al., 2009). Ebenso werden Verschiebungen in der Verteilung des Niederschlags und eine Zunahme von intensiven Starkregenereignissen prognostiziert, das heißt längere Trockenphasen wechseln sich mit kurzen intensiven Regenphasen ab (Kyselý et al., 2011; Breinl et al., 2020). Die prognostizierten Klimaänderungen werden demnach zu erhöhtem Nutzungsdruck auf die Ressource Bodenwasser führen, mit großen Unsicherheiten in Bezug auf die jahreszeitliche Verfügbarkeit.

Prognosen zur Entwicklung der Ertragssicherheit in der österreichischen Landwirtschaft zeichnen ein dementsprechend düsteres Bild. Für Flächen ohne Bewässerung sind durch die Veränderungen im Niederschlagsregime Ertragsrückgänge um mehr als 50% zu erwarten, insbesondere in den derzeit ertragreichsten Regionen Österreichs (Haslmayr et al., 2018). Als Folge des weiterhin voranschreitenden Klimawandels zeichnen sich daher zukünftige Spannungsfelder und konkurrierende Nutzungen von Wasser zwischen der Landwirtschaft und anderen Sektoren ab (BMLRT, 2021).

Das Bodenwasser als entscheidende Wasserressource für die Landwirtschaft muss daher österreichweit kontinuierlich überwacht werden, um für diese zukünftigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen eine zuverlässige Planungsgrundlage zu schaffen. Neben einzelnen Institutionen in Österreich, die punktuell oder regional Messstellen für die Überwachung des BWH betreiben und auswerten (z.B. BAW, JR-AquaConSol, HBLFA Raumberg-Gumpenstein, BOKU), existiert das BWH-Messnetz der Hydrographie Österreichs (HÖ), welche aus der Abteilung I/3 Wasserhaushalt und den hydrographischen Diensten der Bundesländer besteht. Dieses Bodenwassermessnetz wurde Ende der 1990er Jahre mit ersten Messstellen etabliert. Da sich die Messtechnik und das fachliche Knowhow über die letzten Jahrzehnte stark verändert haben, existieren an den unterschiedlichen Standorten des Messnetzes unterschiedliche techn. Ausbaustufen. Entsprechend zeigen sich Unterschiede in der Qualität der Messungen und in Bezug auf die automatisierte Datenübertragung und dem mit der Datenauswertung verbundenen Aufwand. Eine zuverlässige Fernübertragung von Messdaten in Echtzeit ist entscheidend für eine Vielzahl von Anwendungen, so zum Beispiel für die Steuerung der Bewässerung oder für Hochwasser- oder Trockenheitsprognosen.

Obwohl die techn. Entwicklung in Sensorik und Datenübertragung sicherlich weiter voranschreiten wird, kann man davon ausgehen, dass der Entwicklungsstand und das spezifische Fachwissen am BML und in den Bundesländern mittlerweile soweit fortgeschritten sind, dass eine Homogenisierung des Messnetzes zum momentanen Zeitpunkt in Hinblick auf Datenerfassung, Datenverarbeitung sowie Fernübertragung als zukunftsträchtig angesehen werden kann. Die Notwendigkeit einer Homogenisierung ist sogar dringend gegeben, um in Zukunft ein zuverlässiges und taugliches Werkzeug bereitstellen zu können, welches nicht nur einen konkreten praktischen Nutzen für die Landwirtschaft und Wasserwirtschaft bringen, sondern auch die Bearbeitung hochaktueller Fragestellungen im Zusammenhang mit dem BWH in Österreich ermöglichen kann. Das zentrale Ziel des Projekts BowAT ist daher die Homogenisierung der Datenerfassung und -verarbeitung des Bodenwassermessnetzes am BML, sowie die einer zeitgemäßen Ausstattung aller Messstellen mit einheitlicher Sensorik und Datenübertragung auf Basis der gesammelten Erfahrung aus mehr als zwei Jahrzehnten. Diese Homogenisierung besteht im Wesentlichen aus einer detaillierten Analyse des Status quo und darauf aufbauend aus einer Entwicklung eines Umsetzungskonzeptes. Zusätzlich zu dieser Bestandsanalyse ist eine homogene Aufbereitung des bisher gesammelten Datenmaterials notwendig, um das Potential der Daten im Hinblick auf eine Verwendung für zukünftige Einsatzbereiche der Ernährungs- und Versorgungssicherheit eingehend zu analysieren.

Über die eigentlichen Messungen an den BWH-Messstellen in Österreich hinausgehend spielt die Auswertung dieser Messungen und die Ableitung der Bodenwasserbilanz-Parameter eine weitere zentrale Rolle. Im Sammelband „Wasser im Boden“ (BMLRT, 2020b) wurde diese Thematik bereits näher beleuchtet und unterschiedliche Methoden beschrieben. Da es im vorliegenden Projektantrag in erster Linie um den BWH in Zusammenhang mit Ernährungs- und Versorgungssicherheit – sprich den landwirtschaftlichen Erträgen – geht, ist die Anwendung eines Bodenwasserhaushalts- und Pflanzenwachstumsmodells erforderlich. Aus diesem Grund erscheint das Simulationsmodell SIMWASER/STOTRASIM – welches am BAW speziell für die Simulation von Sickerwasser, Verdunstung und oberirdischer Pflanzenmasse von Ackerkulturen in Österreich entwickelt worden ist – als geeignet. Im Laufe der Zeit wurde das Simulationsmodell immer weiterentwickelt, teilweise bereits in Zusammenarbeit von BAW und JR-AquaConSol.

Die allgemeinen Ziele des Projekts BowAT lassen sich demnach wie folgt zusammenfassen:

Allgemeine Projektziele:

  • Homogenisierung der Datenerfassung und -verarbeitung von verschiedenen BWH-Messsystemen über ganz Österreich mit dem Ziel einer einheitlichen, zeitgemäßen und zukunftsfähigen Infrastruktur
  • Auswertung vorhandener Datensätze im Hinblick auf Anwendungen zur Förderung der Ernährungs- und Versorgungssicherheit; Klärung der Frage, ob Erweiterungen/Reduktionen der Ausstattung bzw. der Messstellen notwendig sind?
  • Auswertung der Messdaten anhand des physikalisch basierten Simulationsmodelles SIMWASER/STOTRASIM
  • Erarbeitung eines zukunftsfähigen Konzepts zur zentralen Verarbeitung, Auswertung und Interpretation von BWH-Messdaten und Erstellen einer Handlungsempfehlung
  • Entwicklung eines techn. Standards für die Modernisierung und ev. Neuausstattung von Messstellen (inkl. Sensortechnik, Datenübertragung)
  • Erstellen einer Handlungsempfehlung für die Wartung von BWH-Messstellen
  • Flächenhafte Aussagen zum BWH und zu Ernteerträgen mittels Methoden der Regionalisierung
  • Weichenstellung für zukünftige Anwendungen auf Basis der BWH-Messdaten wie Echtzeitimplementierung in öffentliche Datenportale (z.B. eHYD.gv.at, Datenportale der Bundesländer) Prognosen zu Bewässerungsbedarf, Ertragsentwicklung im Klimawandel, Trockenheit, mengenmäßigem Grundwasserzustand

Gesellschaftliche Projektziele:

Die Produkte des vorgestellten Projekts sollen die wissenschaftliche Basis für eine fundierte Diskussion und verwaltungsinterne Meinungsbildung zu immer dringenderen Fragestellungen im Themenumfeld BWH liefern. Die Frage einer zukünftigen stabilen Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten ist wesentlich von der Verfügbarkeit und dem Management unserer Bodenwasserressourcen abhängig. Der gesellschaftliche Konsens dazu muss erreicht werden. Dies kann nur über eine Sensibilisierung zum Thema Bodenwasser erfolgen.

Insgesamt soll im Projekt BowAT ein Gesamtpaket erarbeitet werden, das auf absehbare Zeit ein zielgerichtetes Quantifizieren des BWH von der punktuellen Messung bis zur regionalen Abbildung auf Basis von Simulationsmodellen – welche vor allem Aussagen zur landwirtschaftlichen Produktion zulassen – ermöglicht.

Praxisrelevanz

Das Pflanzenwachstum ist generell sehr stark an die Wasserverfügbarkeit gekoppelt. Die Kenntnis des BWH ist daher eine signifikante Größe für die Abschätzung von landwirtschaftlichen Ertragspotentialen. In Kombination mit geeigneten Bodenwasserhaushalts- und Pflanzenwachstumsmodellen können BWH-Daten entscheidende Informationen über die Intensität, Dauer und den Zeitpunkt von Trockenstress unterschiedlicher Anbausysteme und Bewirtschaftungsmethoden liefern. Da davon auszugehen ist, dass die Beeinträchtigung und die Risiken für die Landwirtschaft durch extreme Wetterereignisse und Witterungslagen zunehmen werden, ist die Anpassung der landw. Kulturen an diese geänderten Bedingungen immens wichtig, um die Produktion landw. Güter aufrecht zu erhalten. Während gewisse Kulturen in bestimmten Regionen möglicherweise nicht mehr wirtschaftlich angebaut werden können, stellen andere Kulturen eventuell praktikable Alternativen dar. Eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage für die Auswahl, Anpassung und Entwicklung von alternativ angebauten Kulturen ist dabei jedoch nur gegeben, wenn die Bodenwasserverhältnisse bekannt sind. Nur so können Kulturen identifiziert werden, die eine höhere Toleranz gegen den zu erwartenden Trockenstress aufweisen oder durch eine entsprechend frühere Aussaat dem Trockenstress entgehen. Durch die komplexe geomorphologische und klimatische Lage Österreichs im Übergangsbereich zwischen kontinentalem und ozeanisch beeinflusstem Klima kommt es naturgemäß zu einer großen regionalen Heterogenität. Aus diesem Grund sind belastbare Aussagen – und in weiterer Folge auch Prognosen – zu Anpassungsstrategien der Landwirtschaft an geänderte klimatische Bedingungen und deren Auswirkungen auf den BWH nur mit einem entsprechend regional differenzierten BWH-Messnetz möglich.

Hinsichtlich der Quantifizierung der klimatischen Wasserbilanz bildet ein regional gut aufgelöstes BWH-Messnetz die Basis für die flächenhafte Bestimmung der Wasserbilanzparameter Grundwasserneubildung und Verdunstung mit Hilfe eines Bodenwasserhaushaltsmodells. Vor allem die Grundwasserneubildung aus infiltrierenden Niederschlägen ist dabei von besonderer Bedeutung, da diese für Porengrundwasserkörper in der Regel eine wesentliche Inputgröße darstellt. Ohne entsprechende Grundwasserneubildung würden die Grundwasserspiegel kontinuierlich absinken, bis die Grundwasserressourcen erschöpft sind. Daher hat die Grundwasserneubildung vor allem für jene Grundwasserkörper, die stark für die Trinkwasserversorgung genutzt werden, eine immense Wichtigkeit zur Abdeckung dieses gesellschaftlichen Grundbedürfnisses. In der weiteren Folge kann durch die Kopplung des im vorliegenden Projekt verwendeten Bodenwasserhaushaltsmodells (SIMWASER/STOTRASIM) mit einem Grundwasserströmungsmodell das zeitliche Verhalten des Grundwasserspiegels auf regionaler Ebene flächenhaft nachgebildet bzw. – unter Annahme von Wetterprognosen – auch prognostiziert werden (Klammler et al., 2013a, 2013b, 2013c). Das BWH-Messnetzt stellt somit auch eine wesentliche Grundlage für die regionale und überregionale wasserwirtschaftliche Planung dar.