BienenGenom: Genom-Scan österreichischer Bienenpopulationen mit besonderer Berücksichtigung der Varroa Resistenz und praktischer züchterischer Fragestellungen

Projektleitung

Thomas Druml

Forschungseinrichtung

Biene Österreich

Projektnummer

101720

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus| Biene Österreich - Imkerei Dachverband

Allgemeine Projektinformationen

Abstract (deutsch)

Mit den raschen Fortschritten der genomweiten Analysen und Genom-Sequenzierung in den letzten 10 Jahren, ist mittlerweile ein direkter Einblick in das Genom auf Populationsebene von unterschiedlichen Tierarten möglich. Die Bienenzucht ist seit den letzten Jahrzehnten permanent mit negativen Umwelteinflüssen konfrontiert, wobei neben Pestiziden, Klimawandel, Verbauung, vor allem die Varroa Milbe die gegenwärtige Imkerei vor immense Herausforderungen stellen. Denn ohne den massiven Einsatz von chemischen wie auch pharmakologischen Mitteln zur Bekämpfung des Parasiten, wären die europäische Honigproduktion als auch die europäischen Bienenpopulationen nicht überlebensfähig.

Die Winterverluste von Bienenvölkern in Österreich schwanken von 8.1% bis 28.4% und verursachen somit für die österreichische Imkerei einen Schaden von durchschnittlich 32 Millionen Euro jährlich. Die Varroatose wird für 20 bis 50% dieser Winterverluste verantwortlich gemacht.

Ein Aussetzen der Anti-Varroa Behandlung bei Bienenvölkern würde innerhalb von drei Jahren zum Zusammenbruch der gesamten Honigbienenpopulation führen. Aus diesen genannten Gründen ist langfristig die Zucht einer Biene anzustreben, die mit der Varroa Milbe koexistieren kann, d.h. die gewisse genetisch bedingte Resistenz- bzw. Toleranzmerkmale aufweist.

Trotz der Bemühungen zahlreicher internationaler Zucht Konsortien schreitet der Zuchtfortschritt in Richtung Varroa Resistenter Biene nur mäßig voran, da dieses schwierig zu definierende Merkmal polygenetisch bedingt ist. Im Jahr 2020 wurde von Prof. Bienefeld erstmals ein HighDensity SNP Chip entwickelt, der ab Frühjahr 2022 für die Untersuchung des gesamten Bienengenoms kosteneffektiv und mit hoher Durchsatzrate zur Verfügung steht. Damit ergibt sich erstmalig in der Zuchtgeschichte dieser Spezies die Möglichkeit die genetische Disposition, die mit Varroa Resistenz und Leistung korrelieren, zu analysieren und potentielle genetische Marker zu identifizieren. Weiter können SNP Daten zur genetischen Charakterisierung im Rahmen des Erhaltunszuchtprogrammes der "Dunklen Biene" verwendet, sowie für die Bestimmung der Paarungssicherheit an österr. Beölegstellen genutzt werden. Mit diesem Projekt soll neben der Bearbeitung der genannten Forschunsfragen auch ein Grundstock an Daten, technischen Werkzeugen und Know-How entwickelt werden, der für zukünftige Zucht- wie auch Wissenschaftsarbeit nutzbar sein kann.

Schlagwörter (deutsch)

Bienenzucht; Varroa-Resistenz; Genomanalyse; SNP Chip; Belegstellensicherheit; Genetische Diversität; Tiergesundheit

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Genome-scan of Austrian Honeybee populations with special focus on Varroa resistency and practical breeding issues

Abstract (englisch)

The rapide efforts in whole-genome sequenzing facilitated in the meanwhile a direct insight into the genome on population level of several livestock species. The bee-breeding sector has been permanently exposed throughout the last decades to negative environmental effects, from which besides pestizides, climate change and loss of agricultural land, the mite 'varroa destructor' represents an immense challenge for nowadays beekeepers. Without the massive use of chemical as well as pharmacological drugs in order to lower mite population growth in bee colonies, the european honey production would not be aible to continue to exist. As a consequence winter colony losses in Austria vary from 8.1% to 28.4%, and thus generate a financial damage of 32 million Euro yearly. The mite varroa destructor is being made responsible for 20% to 50% of this financial damage. A stop of anti-varroa treatments in apiaries would let break down the entire honeybee populations within three years. Due to all these reasons, the breeding of a varroa-resistant bee, able to coexist with the mite, is of essential significance for the future honey production sector. Although intense efforts were made by several international bee breeding consortia in breeding resistant honeybees, the selection efforts only increased slowly, as the trait varroa-resistancy is difficult to describe and is controlled by more than one gene. In the year 2020 Prof. Bienefeld and collegues developed a high-density SNP genotyping array, which will be firstly available from spring 2022 for the genome-wide analysis of the honeybee genome on population level. This new tool offers for the first time in breeding history of this species the possibility to study the genetic background and disposition of varroa resistancy and performance traits and it should enable also the identification of useful genetic markers for future breeding programs. Furthermore HD SNP data can be applied to characterize population structures in the context of conservation breeding (Dark Austrian Honeybee) and it will also be possible to evaluate controlled mating on mating stations. In this project we aim, besides the solving of the mentioned scientific questions, to establish a basic pool of genotype data, technical methods and scientific know-how, in order to facilitate future breeding and scientific work in favour of the Austrian Honeybee populations.

Schlagwörter (englisch)

Bee breeding; Varroa resistance; genome analysis; SNP array; paternity control; genetic diversity; animal health

Projektziele

Mit der Etablierung und den raschen Fortschritten der genomweiten Analysen auf Basis von hochdichten SNP Chips (SNP=Single Nucleotide Polymorphism, Einzelnukleotid-Polymorphismus) und Sequenzdaten in den letzten 10 Jahren ist mittlerweile ein direkter Einblick in das Genom auf Populationsebene von unterschiedlichen Tierarten möglich. Beruhen die gebräuchlichen tierzüchterischen Konzepte, wie Inzuchtkoeffizient, effektive Populationsgröße, Zuchtwertschätzung etc. auf mathematisch definierten Schätzmodellen, ist es durch die kommerzialisierte und standardisierte SNP Chip-Analyse möglich, mehrere hundert- bis zigtausende genetische Marker pro Tier relativ kostengünstig zu genotypisieren und damit auf Populationsebene die realen Verwandtschaftsverhältnisse, Diversitätsparameter, Selektionssignaturen sowie genetische Marker oder Kandidaten-Genregionen abzuleiten (Jones et al., 2020).

Die Bienenzucht ist seit den letzten Jahrzehnten permanent mit negativen Umwelteinflüssen konfrontiert, wobei neben Pestiziden, Klimawandel, Verbauung, vor allem die Varroa Milbe den Bien als auch den Imker vor immense Herausforderungen stellen. Trotz der Bemühungen zahlreicher internationaler Konsortien schreitet der Zuchtfortschritt in Richtung einer Varroa-toleranten Biene nur mäßig voran, da dieses schwierig zu definierende Merkmal polygenetisch bedingt ist. Im Jahr 2020 wurde von der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Bienefeld erstmals ein HD SNP Chip entwickelt (Jones et al., 2020), der ab Frühjahr 2022 für die Untersuchung des Bienengenoms kosteneffektiv und mit hoher Durchsatzrate zur Verfügung steht. Damit ergibt sich die Möglichkeit für die österreichischen Imkereiverbände grundlegende genetische Untersuchungen der österr. Bienenpopulationen durchzuführen.

Seit dem Auftreten der Varroa Milbe in Mitteleuropa ab den 1980er Jahren wurden langfristig Versuche und Anstrengungen unternommen, um die Züchtung einer resistenten Biene voranzutreiben. Zahlreiche Studien haben den Erblichkeitsgrad von Resistenz Merkmalen untersucht und festgestellt, dass es sich dabei um komplexe Merkmale mit niedriger bis mittlerer Heritabilität handelt. Daraus folgt der Schluss, dass bei der Varroa Resistenz mehrere Gene beteiligt sind, die sich mitunter unabhängig voneinander vererben. Der 2020 entwickelte HD SNP Chip (Jones et al., 2020) beinhaltet mehrere Polymorphismen, die bislang mit Merkmalen der Varroa Resistenz assoziiert wurden, und bietet somit die Möglichkeit die genetischen Dispositionen der österreichischen Bienenpopulationen in Richtung Varroa Toleranz zu verifizieren.

In einer 2020 erschienen Review von Mondet et al. wurden die bislang publizierten Studien und Experimente zur Varroa Resistenz bei Bienen gesammelt, systematisch evaluiert und auf Überlappung der Erkenntnisse geprüft. Von den im Zeitraum von 1984 bis 2019 weltweit veröffentlichten 153 Publikationen zu diesem Thema, basierten 80 Papers auf 20 Populationen die als Überlebende aus einer Letalselektion hervorgingen. 39 dieser Arbeiten beruhten auf Afrikanisierten Bienen (Argentinien, Brasilien) bzw. auf amerikanischen Populationen (Baton Rouge VHS; Russische Baton Rouge VHS). Bei allen 20 resistenten Stämmen konnten insgesamt 16 phänotypische Komplexe erhoben, untersucht und evaluiert werden. Die am häufigsten untersuchten Merkmale waren in abnehmender Reihenfolge: SMR (Anteil nichtreproduktiver Milben), VSH (Varroa-sensitive Hygiene), Grooming (Körperpflege), Recapping (Ausräumen infizierter Zellen), Toleranz bei Pathogenen Prävalenz, Schwarmtrieb. Bei den Merkmalen SMR, Recapping, Pathogen Toleranz und Schwarmtrieb konnte ein hoher Anteil der Studien die untersuchten Merkmale verifizieren, bei VSH und Grooming wurde ein signifikanter Einfluß auf Varroa Resistenz nur zu ca. 60% bestätigt, beim Merkmal Hygiene Verhalten bestätigten lediglich 10% der Arbeiten einen ursächlichen Einfluß.

27 wissenschaftliche Arbeiten beschäftigten sich mit dem genetischen Hintergrund der Varroa Resistenz, wobei insgesamt 153 assoziierte Gene/Loci (SNPs, QTls) gefunden werden konnten, von denen die physikalische Position am Genom bei 118 Genen bekannt ist (ein Teil dieser Loci ist am SNP Chip enthalten). Interessanterweise wurde sehr wenig Überlappung zwischen assoziierten Loci innerhalb der Phänotypgruppen/Merkmale festgestellt, was zu dem Schlüssen führt, dass, a) mehrere Anpassungen and den Parasiten divergent (in mehreren Populationen unabhängig voneinander) passiert sind; b) unterschiedliche Genotypen (Populationen) verschiedene Gene/Allele zur Resistenzbildung verwenden (vgl. Genetische Diversität); c) zwischen den Messmethoden eines Merkmals Unterschiede bestanden; und d) Unterschiede in den Genotypisierungsmethoden für die fehlenden Übereinstimmungen verantwortlich sind. Für die weitere Charakterisierung bzw. Präzisierung des genetischen Hintergrundes bzw. Markergenen der Varroa Resistenz müssten folgende Bereiche in den Analysen mehr Beachtung finden: Genotyp-Umwelt Interaktionen, Populations-Spezifika, Heritabilität und Wiederholbarkeit der untersuchten phänotypischen Merkmale und die Evaluierung bzw. Optimierung der Merkmalsdefinition bzw. Messmethoden.

Für die österreichische Bienenpopulationen konnte Buchegger (2018) in Anlehnung an die AGT (Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht; https://www.toleranzzucht.de) mehrere vielversprechende Meßmerkmale in selektierten Bienenstämmen auf deren Heritabilität und Korrelationen prüfen. Dieser Ansatz sollte in diesem Projekt daher mittelfristig weiterverfolgt werden um Wiederholbarkeiten bzw. Populationsdynamiken besser abzuschätzen (Merkmalspräzisierung), und es sollen Völker die weniger bis keinem Selektionsdruck ausgesetzt waren, miteinbezogen werden, damit eine breitere phänotypische Streuung für Genomweite Assoziationsanalysen genutzt werden kann.

Bei den geplanten ca. 240 Prüfvölkern sollen folgende Merkmale erhobenen werden: natürlicher Milbenabfall im Frühjahr, mehrmalige Sommerbefallsmessung, Recapping, SMR, SUTT. Die Meßmerkmale werden dann mit den am SNP Chip enthaltenen Varroa-Resistenz Loci assoziiert, um zu evaluieren, welche Loci (SNPs) signifikant mit den Beobachtungen korrespondieren und welche nicht. Zusätzlich zur Evaluierung der genetischen Präsdisposition mittel bekannter genetischer Marker (SNPs), soll eine Genomweite Assoziationsanalyse mit den erhobenen Prüfdaten aus Feld- und Stationsprüfung durchgeführt werden, um zu untersuchen, ob es in den österr. Bienenpopulationen eigene (spezifische) Allelvarianten gibt, die mit Varroa-Resistenz korrelieren.

Da bei der Biene in der Fortpflanzung mehrere Drohnen pro Königin zum Zuge kommen, hat die Paarungskontrolle einen zentralen Stellenwert. Neben der künstlichen Besamung, hat sich das System der Belegstellen durchgesetzt, die eine relative Sicherheit in Punkto väterliche Abstammung leisten können. Der Wert der Belegstellen hängt vor allem von deren Lage und dem Grad der Abschirmung zu anderen Bienenvölkern (potentiellen Drohenvölkern) ab. Die Fragestellung der sogenannten Belegstellensicherheit stellt einen weiteren Forschungsschwerpunkt dieses Projekts dar und soll mittels neuer und innnovativen SNP-Chip basierenden Methoden untersucht werden.

Genetische Diversität stellt die Grundlage sowohl für die Umweltanpassung einer Species als auch für züchterische Maßnahmen dar, da nur aus einem variablen Genpool benötigte „positiv-Allele“ gefiltert werden können. Einschränkungen des Genpools können diese genetische Plastizität minimieren. Daher ist es notwendig die genetische Diversität zu charakterisieren, um entsprechende Informationen für das weitere Zuchtmanagement nutzen zu können. In diesem Projekt sollen für die "Dunkle Biene" der AMZ (Austrian Mellifera Züchter) Methoden der "Conservation Genetics" angewandt werden, um dem Zuchtverband entsprechende Daten zur weiteren Zuchtplanung zu liefern und diese mit den Züchtern entsprechend zu diskutieren.

Praxisrelevanz

Mit der Nutzung des kürzlich entwickelten HD 100k SNP Chip, der einen technischen Meilenstein der modernen Bienenzucht und Forschung darstellt, kann auch für Österreich ein signifikanter zukunftsweisender Schritt in Richtung zeitgemäßer Zucht- und Wissenschaftsarbeit getätigt werden. Neben dem Aufbau eines eigenen österreichischen Datenpools und dem dazugehörigen know-hows und des aufwändig herzustellenden Datenflusses, ist es neben der Forschung zu genetischer Diversität auch möglich, Fragestellungen die für die Praxis von Relevanz sind, zu erörtern und zu beantworten. Dazu gehören neben der Validierung einzelner bekannter genetischer Marker für Varroa Resistenz auch die Überprüfung der Belegstellensicherheit. Zusätzlich können Ergebnisse aus dieser Forschungsarbeit, die auf die österr. Situation der Bienenzucht abgestimmt ist, den Grundstein für weiterführende praxisrelevante Werkzeuge liefern, wie z.B.: Entwicklung von Gentests, Genomdaten-gestütze Selektionsexperimente, weitere Belegstellentests, genetisches Monitoring in Bezug auf die Erhaltungszucht.