Bacillus thuringiensis: Nachweis von Bacillus thuringiensis Insektiziden entlang der österreichischen Gemüse und Obstproduktionskette

Projektleitung

Beatrix Stessl

Forschungseinrichtung

Veterinärmedizinische Universität Wien

Projektnummer

101846

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft 

Allgemeine Projektinformationen

Abstract (deutsch)

Der Lebensmittelproduktionsstandort Österreich zeichnet sich durch hohe Produktqualität und Produktsicherheit aus. Die "Farm to Fork"-Strategie der Europäischen Union zielt darauf ab, unseren Übergang zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem zu beschleunigen und die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Diese Strategie umfasst auch den Einsatz und das Risiko chemischer Pestizide bis 2030 um jeweils 50 Prozent zu reduzieren.

Als Alternativen zum Schutz der Pflanzengesundheit oder zur Stechmückenregulierung werden bereits Biopestizide angeboten und eingesetzt. Aufgrund der Klimaänderung gelangen invasive Stechmücken in unsere Breiten, welche Virusarten wie West-Nile auf den Menschen übertragen. Im Obst und Gemüseanbau werden zur Schädlingsbekämpfung Biopestizidpräparate, die B. thuringiensis subsp. aizawai (BTA) und B. thuringiensis subsp. kurstaki (BTK) enthalten, eingesetzt.

Die Risikobewertung durch internationale Expertengruppen fällt im Falle der B. thuringiensis Präparate nicht eindeutig „unbedenklich“ aus.

B. thuringiensis gehört zur B. cereus Gruppe, in der sich Toxin-bildende Arten u. A. B. cereus und B. cytotoxicus befinden. Die emetischen Toxine werden ausschließlich von B. cereus produziert, während Enterotoxine von allen B. cereus Gruppe Mitgliedern gebildet werden können. In der Bewertung der Verkehrssicherheit von Lebensmitteln wird im Endprodukt die Belastung mit präsumptiven B. cereus bestimmt. Hierbei kann diagnostisch nicht zwischen B. cereus und B. thuringiensis differenziert werden. Durch diese Bewertung kommt es häufig zu Beanstandungen, Nachuntersuchungen und zu Chargenvernichtungen.

In diesem Pilot-Projekt liegt der Fokus auf dem longitudinalen mikro- und molekularbiologischen Nachweis und der Differenzierung von B. thuringiensis Insektizidstämmen in der Umwelt (Wasser, Erde), der Primärproduktion, und im Endprodukt, um die Prävalenz der einzelnen BT-Arten auf nationaler Ebene abschätzen zu können.

In weiterer Folge werden chemisch-analytische Methoden etabliert, die der B. thuringiensis Enterotoxin-Detektion dienen, was von äußerster Relevanz für die Risikobewertung ist.

Mit dieser Studie soll ein Beitrag zur Verbesserung der Labordiagnostik getätigt werden, der in weiterer Folge eine realistische und risikobasierte Begutachtung von Gemüse und Obst und daraus erzeugten Produkten möglich macht. Die erwünschte Konsequenz ist den Verlust von Rohstoffen aufgrund von Beanstandungen entlang der Wertschöpfungskette deutlich zu minimieren.

Schlagwörter (deutsch)

Biopestizide, Bacillus thuringiensis, Obst, Gemüse

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Detection of Bacillus thuringiensis insecticides along the vegetable and fruit production chain.

Abstract (englisch)

Austria as a food production location is characterized by high product quality and product safety. The European Union's "Farm to Fork" strategy aims to accelerate our transition to a sustainable food system and reduce food waste. This strategy includes reducing the use and risk of chemical pesticides by 50 percent each by 2030.

Biopesticides are already being offered and used as alternatives to protect plant health or control mosquitoes. Due to climate change, invasive mosquitoes are entering our latitudes, transmitting virus species such as West Nile to humans. In fruit and vegetable production, biopesticides containing B. thuringiensis subsp. aizawai (BTA) and B. thuringiensis subsp. kurstaki (BTK) are used for pest control.

The risk assessment by international expert groups is not clearly "safe" in the case of the B. thuringiensis preparations.

B. thuringiensis belongs to the B. cereus group, which includes toxin-producing species such as B. cereus and B. cytotoxicus. The emetic toxins are produced exclusively by B. cereus, whereas enterotoxins can be produced by all B. cereus group members. In the evaluation of food safety, the load of presumptive B. cereus is determined in the final product. Here, it is not possible to differentiate diagnostically between B. cereus and B. thuringiensis. This assessment often leads to complaints, follow-up investigations and batch destruction.

In this pilot project, the focus is on longitudinal microbiological and molecular biological detection and differentiation of B. thuringiensis insecticide strains in the environment (water, soil), primary production, and final product to estimate the prevalence of each BT species on a national scale.

Subsequently, chemical analytical methods will be established for B. thuringiensis enterotoxin detection, which is of utmost relevance for risk assessment.

This study is intended to contribute to the improvement of laboratory diagnostics, which will subsequently enable a realistic and risk-based assessment of vegetables and fruit and the products derived from them. The desired consequence is to significantly minimize the loss of raw produce due to complaints along the value chain.

Schlagwörter (englisch)

biopesticides, bacillus thuringiensis, vegetables, fruits

Projektziele

Der Lebensmittelproduktionsstandort Österreich zeichnet sich durch eine hohe Produktqualität, - vielfalt und - sicherheit aus (Wirtschaftskammer Österreich - WKO, 2021). Der Selbstversorgungsgrad mit Gemüse und heimischen Obst in Österreich lag 2021 bei 58 und 71% Prozent (https://de.statista.com/). Um die Ernährungssicherheit mit Gemüse und Obst weiterhin zu gewährleisten, ist ein gewisses Umdenken in mehreren Ebenen gemäß der „Farm to Fork“ Strategie der Europäischen Union (EU) gefordert. Aktuell wurden 9 Millionen Euro Beihilfe der EU in den Anbau von Obst-, Gemüse- und Gartenbau investiert, um den massiven Anstieg der Energie- und Produktionskosten zu kompensieren (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft –BML, 2022).

Eine wichtige „Farm to Fork“ Strategie ist den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft bis 2030 zu halbieren, daher werden alternative Pflanzenschutzmittel auf Basis mikrobieller Biopestizide immer wichtiger und deren Zulassung beschleunigt (https://www.consilium.europa.eu/de/policies/from-farm-to-fork/). Den Überblick über zugelassene Pflanzenschutzmittel erhält man im Register des Bundesamts für Ernährungssicherheit (BAES, 2022).

Bacillus thuringiensis (BT), ein Mitglied der B. cereus Gruppe, ist ein natürlich im Boden vorkommendes Bakterium, das parasitäre Kristalle mit insektizider Wirkung produziert. Die Risikobewertung der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von Biopestiziden die verschiedene B. thuringiensis Stämme beinhalten, identifizierte mehrere „Datenlücken“ besonders in Hinblick auf das Toxinbildungspotential, sowie die Akkumulation und Persistenz in der Umwelt (EFSA, https://www.efsa.europa.eu/en/...). B. thuringiensis ist als Vertreter aerober Sporenbildner weitverbreitet in der Umwelt und wird häufig in grünen Blattsalaten, Tomaten, Gewürzen und Kräutern und Paprika nachgewiesen (Frentzel et al., 2020; Hariram und Labbe, R., 2015). Internationale Forschungsteams beschäftigen sich mit der Frage der Pathogenität von B. thuringiensis Biopestiziden und der Unterscheidbarkeit zu lebensmittelpathogenen B. cereus, welche kontrovers ausfällt (Biggel et al., 2022; Bonis et al., 2021; De Bock et al., 2021).

Die Differenzierung von B. thuringiensis und den morphologisch nicht unterscheidbaren lebensmittelpathogenen B. cereus, sowie die mögliche Enterotoxinbildung und Zytotoxizität, ist in der Routinediagnostik nicht inkludiert und bedarf einer verbesserten und effizienteren Analytik (ISO 7932). In der Taxonomie der B. cereus Gruppe werden kontinuierlich durch Gesamtgenomsequenzierung neue Speziesnamen kreiert, die in der Routinediagnostik nicht erfasst werden können, zur Verwirrung beitragen und wissenschaftlich unterschiedlich anerkannt werden (Carroll et al., 2021; Ehling-Schulz et al., 2019). Die mikrobiologische Begutachtung von verzehrsfertigen Lebensmitteln beruht auf der ISO Referenzmethoden zur Zählung präsumtiver B. cereus (beinhaltet auch B. thuringiensis), wobei typische Bakterienkolonien auf wenig selektiven Nährmedien gezählt werden (Fuchs et al., 2022). Eine Beanstandung eines Mischsalates aufgrund der Überschreitung des Warnwertes präsumtive B. cereus mit 5x103 kolonienbildende Einheiten (kbE) pro Gramm orientiert sich auf nationaler Ebene an Empfehlungen zu Richt- und Warnwerten durch die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DHGM; https://www.dghm-richt-warnwerte.de/de). Die auf der unvollständigen Diagnostik beruhenden Gutachten führen zu der Konsequenz, dass Produkte beanstandet, aus dem Handel ausgelistet und als nicht sicher eingestuft werden. Der Verlust entlang der Wertschöpfungskette ist beachtlich und trägt nicht zum nachhaltigen Umgang mit Gemüse und Obst bei. Im internationalen Vergleich wird vergleichsweise ein höherer Grenzwert für präsumtive B. cereus inklusive B. thuringiensis in verzehrsfertigen Frischprodukten angegeben (105 KBE/g), der wie durch Erhebungen gezeigt wurde, selten nachzuweisen ist (De Bock et al., 2021).

In Routineanalysen von Rohstoff und Fertigsalaten haben wir bereits einen Hinweis einer erhöhten Nachweisbarkeit von B. thuringiensis (BT) im Vergleich zu B. cereus erhalten. Ein bestimmter BT Genotyp scheint im Rohstoff häufiger aufzutreten (panC Typ IV, Enterotoxin Profil A).

Da das B. thuringiensis Vorkommen, die Umweltakkumulation und möglichen Persistenz entlang der Wertschöpfungskette bisher kaum beleuchtet wurde, liegt der Schwerpunkt dieses Projekts auf dem verbesserten Nachweis und der Differenzierung von B. thuringiensis und potentieller Toxine während der Obst und Gemüseproduktion.

In diesem Pilot-Projekt wird ein mikro- und molekularbiologischer Workflow zu Differenzierung von B. thuringiensis Insektizidstämmen in der Umwelt (Wasser, Erde), der Primärproduktion, und im Endprodukt entwickelt, um die Forschungsfrage der Prävalenz von BT-Arten auf nationaler Ebene einzuschätzen. In weiterer Folge werden chemisch-analytische Methoden etabliert, die der B. thuringiensis Enterotoxin-Detektion dienen, was von äußerster Relevanz für die Risikobewertung ist. Die Risikobewertung und die damit verbundene Risikokommunikation werden sich unmittelbar auf den nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen und Produkten auswirken.

Die Ziele des Projekts sind daher:

  1. Einen mikro- und molekularbiologischen Methodenworkflow zu etablieren der praxisnah umgesetzt werden kann
  2. Eine chemisch-analytische Methode zum Enterotoxinnachweis zu etablieren und zu evaluieren
  3. Den etablierten Analytikworkflow anhand von Feldproben mit und ohne Biopestizidbehandlung zu testen
  4. Proben entlang der Wertschöpfungskette mit dem etablierten Analytikworkflow zu analysieren, um saisonale BT Akkumulationen in Umwelt und Rohstoffen zu detektieren
  5. Die Risikobewertung der eingesetzten Biopestizide und Risikokommunikation der Ergebnisse an Stakeholder (Produzenten, Landwirtschaftskammer, Wirtschaftskammer, Handel, Untersuchungslabore, Behörde, Forschungsinstitutionen).

Die Unterziele des Projekts sind wie folgend definiert:

  1. Evaluierung eines alternativen chromogenen Selektivagars zur besseren Differenzierung von präsumtiven B. cereus und B. thuringiensis (Target Organismen)
    1. Durch die präzisere Detektion und Isolierung von Target Organismen können traditionelle Bestätigungsreaktionen und PCR-Bestätigung der Gruppe übersprungen werden und direkt zur Typisierung übergegangen werden
  2. Vorscreening der Pantothenate synthetase (panC) Typen, Selektion des häufig vorkommenden panC Typ IV bei B. thuringiensis Biopestizid assoziierten Varianten
  3. Subtypisierung der panC Gruppe IV (Multi-locus Sequenztypisierung): damit wird erkannt ob es sich um Sequenztyp (ST) 8, 15, 16 oder 23 handelt, zu denen die üblichen kommerziell verwendeten Biopestizidstämme gehören (Tabelle 1); (https://pubmlst.org/organisms/bacillus-cereus) 
  4. Subtypisierung der B. thuringiensis Biopestizide (ST8, ST15, ST16 oder ST23) (Tabelle 1) mittels einer phylogenetischen Schnellmethode-Random Amplified Polymorphic DNA (RAPD)-Technik (Guinebretiere et al. 2003)
  5. Gesamtgenomsequenzierung bestimmter wichtiger B. thuringiensis Genotypen um eine nationale Vegleichsdatenbank zu etablieren, um in Zukunft mit Laboren einen diagnostischen Abgleich zu machen
  6. Entwicklung einer Liquid-Chromatographie-Massenspektometrie/Massenspektometrie (LC-MS/MS) Methode zur Identifizierung und relative Quantifizierung der Toxine von B. thuringiensis entwickelt. Alle relevanten Toxine sind Proteine, wodurch eine Analyse mittels Proteomics-Workflow möglich ist.
    1. Enterotoxin Kombiantion spezifisch für Bacillus thuringiensis panC Gruppe IV: Nhe, Hämolysin BL (Hbl), Zytotoxin (CytK2) (Toxin Profil A) (Bonis et al., 2021)
    2. Insektizide: e.g. kristalline (Cry) und zytolytische (Cyt) Toxine (Caballero et al., 2020; Crickmore et al., 2021; Palma et al., 2014)
  7. Einsatz des Analytikworkflows zur Untersuchung von Feldproben: Umweltproben, Gemüse und Obst werden von LGV zur Verfügung gestellt (Letter of intent)

Praxisrelevanz

Die Wertschöpfungskette Obst und Gemüse und ihr regionaler Charakter sollte gestärkt werden, um bei Ressourcenknappheit den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen und die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. B. thuringiensis (BT) Biopestizide werden in der Landwirtschaft bereits erfolgreich eingesetzt, die Beurteilung ihrer Sicherheit wird jedoch kontrovers diskutiert. Besonders am Ende der Erzeugung werden Produkte wie Mono - oder Mischsalate die z. B. Tomaten, Paprika oder Blattsalate enthalten, aufgrund fehlender Differenzierungsmöglichkeiten im Routinelabor durch Gutachter:innen bei Überschreitung des präsumtiven Bacillus cereus Grenzwertes beanstandet. Die fehlende Differenzierung in der Routinediagnostik von pathogenen B. cereus die ein emetisches Toxin und Enterotoxine enthalten können, und B. thuringiensis Biopestizidstämmen, deren Risiko der Enterotoxinbildung noch nicht ausreichend geklärt ist, führt womöglich zu einem höheren Verlust in der Wertschöpfungskette als vorerst gedacht. Durch die aktuelle B. cereus Risikobewertung durch unzureichende diagnostische Tools werden Rohstoffen und Produkte verworfen, aus dem Handel ausgelistet und ein erhöhtes Risiko an Konsument:innen kommuniziert, welches diese womöglich verunsichert. Die mikrobiologischen Gutachten orientieren sich im deutschsprachigen Raum an den Richt- und Warnwerten der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, die deutlich niedriger gesetzt sind als internationale Grenzwerte (5 log kbE/g) (De Bock et al., 2021). Die Bakterienkonzentration 5 log kbE/g ist diejenige, bei der laut Literatur genügend Enterotoxine von B. cereus und anderen Spezies der B. cereus Gruppe im Produkt oder Dünndarm produziert werden können, um eine Durchfallerkrankung zu verursachen. Diese wird laut Literatur kaum bei frisch hergestellten Produkten erreicht.

Die wesentlich niedrigeren Grenzwerte der DGHM (3 log kbE/g) werden jedoch häufiger erreicht, was Beanstandungen und Lebensmittelverluste zur Folge hat. Aufgrund der momentan fehlenden Differenzierbarkeit zwischen den Bacillus Stämmen ist jedoch die Riskioabschätzung für solch niedrige Grenzwerte zu hinterfragen.

Mit diesem geplanten Projekt würde die Routinediagnostik verbessert und die Risikobewertung von B. thuringiensis Biopestizidstämmen konkreter werden. Es fehlen Daten auf internationaler und nationaler Ebene die eine realistische Risikobewertung von Biopestiziden zur Schädlings- und Moskitobekämpfung darlegen. Zu der Erschließung dieser „data gaps“ Prävalenz, Akkumulation und Persistenz von BT entlang der Wertschöpfungskette wollen wir einen wesentlichen Beitrag leisten. Durch die Beteiligung der AGES und die Methodenentwicklung zum Toxinnachweis, kann in weiterer Folge der Einsatz in der Routinediagnostik und amtliche Kontrolle schnell implementiert werden.