Projektpartner beim Abschlussworkshop in Pfunds 2023

© Rudolf Philippitsch

RG-AlpCatch: Blockgletscher als Grundwasserspeicher in alpinen Einzugsgebieten und ihr Einfluss auf übergeordnete Flusssysteme unter dem Aspekt des Klimawandels

Projektleitung

Gerfried Winkler

Forschungseinrichtung

Uni Graz

Projektnummer

101561

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Amt der Kärntner Landesregierung| Amt der Salzburger Landesregierung| Amt der Steiermärkischen Landesregierung| Amt der Tiroler Landesregierung| Amt der Vorarlberger Landesregierung| Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

Allgemeine Projektinformationen

Schlagwörter (deutsch)

Abflussdynamik alpiner Einzugsgebiete, Hydrogeologie von Blockgletscher, Klimawandel, Einfluss auf alpine Fließgewässer, Österreich

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Rock glaciers as groundwater storages in alpine catchments and their impact on downstream river systems with regard to climate change

Abstract (englisch)

The Alps are regarded as the water towers of Europe, because of higher precipitation, lower evapotranspiration and lower air temperature compared to the surrounding foreland. In the last decades the rapid melt of (ice) glaciers and related impact on downstream river basin systems was intensively investigated regarding water management because of rather direct consequences of climate change. So far, very little is known about the hydro(geo)logy of remaining debris accumulations due to glacier retreat and periglacial landforms such as rock glaciers as the most prominent ones, and their impact on surface and subsurface runoff in alpine regions. First basic research related to these topics was done during the last years within the DaFNE-research project “Water resources management issues of rock glaciers in alpine catchments of the Eastern Alps - storage capacity, flow dynamics and hydrochemistry in particular heavy metal pollution (RGHeavyMetal, BBK Nr. 101093)“. The results indicate that in high alpine regions rock glaciers may be important shallow porous aquifers with a high storage capacity for groundwater. Moreover, the runoff of these landforms contributes to streamflow and especially baseflow in further downstream river systems.
The follow-up project will place emphasis on the impact of rock glaciers on downstream river systems. Therefore, in five test sites distributed (one in each participating federal state) over the Austrian Alps, the discharge of rock glacier springs and the downstream river systems will be monitored. The impact of the rock glacier catchment share to the discharge of the downstream rivers will be investigated with a rainfall-runoff model. In addition, the results will be validated with an isotopic approach to identify and separate discharge components related to rain, snow melt, permafrost ice melt or longer stored groundwater of rock glaciers. Another aim of the project is the quantification of water stored in rock glaciers as groundwater and permafrost ice based on the recently developed first consistent rock glacier inventory. The project will also contribute to a densification of the hydrochemical background information in alpine regions as the spring and stream waters will be hydrochemically analysed due to its hydrochemistry and in particular to rare earth metals, per- and polyfluoroalkyl substances (PFAS), and polycyclic aromatic hydrocarbons (PAH).

Projektziele

Die Alpen gelten als Wassertürme Europas, da höhere Niederschlagsmengen mit geringerer Verdunstung und niedrigeren Lufttemperaturen als im umgebenden Vorland zusammentreffen. Große Wassermengen werden saisonal als Schnee und längerfristig in Form von Gletscher- und Permafrosteis zwischengespeichert. Das Abschmelzen dieser Speicher spielt nicht nur für den Abfluss in den Alpen und dem Alpenvorland eine Rolle, sondern ist auch wesentlicher Bestandteil der Grundwasserneubildung in alpinen Regionen und im Alpenvorland. In den letzten Jahrzehnten wurde das rasant fortschreitende Abschmelzen der Gletscher und dessen Einfluss auf tieferliegende Flusssysteme in Bezug auf wasserwirtschaftliche Fragestellungen intensiv untersucht. Bis zum Vorprojekt lagen jedoch kaum Kenntnisse vor, wie sich die im periglazialen und glazialen Umfeld vorliegenden Schuttmassen (wie z.B. Blockgletscher als die prominentesten periglazialen Landschaftsformen) auf das ober- und unterirdische Abflussverhalten alpiner Regionen auswirken.
Erste grundlegende Forschungsergebnisse zu diesem Thema für den österreichischen Alpenraum konnten in den letzten Jahren im Zuge des DaFNE-Forschungsprojekts „Wasserwirtschaftliche Aspekte von Blockgletschern in Kristallingebieten der Ostalpen - Speicherverhalten, Abflussdynamik und Hydrochemie mit Schwerpunkt Schwermetallbelastungen (RGHeavyMetal, BBK Nr. 101093)“ erarbeitet werden (z.B. Winkler et al., 2016; Wagner et al., 2019, 2020, akzeptiert). Die Ergebnisse zeigen, dass in hochalpinen Regionen periglaziale Landschaftsformen wie Blockgletscher bedeutende seichte Porengrundwasserleiter mit einer hohe Speicherfähigkeit für Grundwasser darstellen können. Sehr oft sind daran Quellen mit für alpine, kristalline Regionen hohen Ergiebigkeiten (mittlere Jahresschüttungsmengen >10 l/s mit Spitzen von mehreren 100 l/s) gebunden, die das Abflussverhalten alpiner Einzugsgebiete wesentlich beeinflussen können (Wagner et al., 2016). Diese Quellen werden auch teilweise bereits für die Trinkwasserversorgung genutzt, ohne jedoch bis dato Kenntnis über ihre speziellen Grundwasserleiter gehabt zu haben. Des Weiteren liegen zahlreiche Nutzungen der tieferliegenden Gebirgsbäche als wichtige Wasserressource zur Energiegewinnung von Kleinkraftwerken oder für bereits unverzichtbare Beschneiungsanlagen vor, in deren Einzugsgebieten diese speziellen Landschaftsformen vorkommen. Der Basisabfluss, der zu einem großen Tei von Blockgletschern beeinflusst ist, stellt dabei eine tragende Rolle sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht dar.
Mit dem Projekt wurden im Sinne des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans bzw. in Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG sowie des Wasserrechtsgesetzes 1959 i.d.g.F. wesentlich detailliertere Grundlagen zur Beschreibung der Charakteristik dieser hochalpinen Sonderform von Porengrundwasserkörpern geschaffen. Gleichsam erweitern die neuesten Untersuchungsergebnisse den Wissensstand zur bundesweiten Wasserkreislauferhebung (WKEV 2006 i.d.g.F.) und Gewässerzustandsüberwachung (GZÜV 2006 i.d.g.F.) in Österreich wesentlich. Mit dem abgeschlossenen Projekt wurde ein erster wichtiger Schritt getan, um die künftigen Herausforderungen einer immer stärkeren und intensiveren Nutzung der alpinen Regionen, insbesondere durch Tourismus und Energiewirtschaft, zu meistern.
Die Ergebnisse haben aber auch gezeigt, dass wesentliche Fragestellungen v.a. in Bezug auf die Auswirkungen dieser Sonderform der (hoch-)alpinen Landschaftsformen auf darunterliegende Fließgewässer nur unzureichend beantwortet werden können.

Die Ziele des beantragten Projekts resultieren aus den vom Vorprojekt aufgeworfenen, nachstehenden Fragen.
„Wie groß sind die als Permafrosteis gespeicherten Wasserreserven in intakten Blockgletschern?“
„Wie hoch ist das Speicherpotential von intakten und reliktischen Blockgletscher für das Grundwasser?“
„Wie hoch ist der Anteil von Schnee für die Grundwasseranreicherung in diesen hochalpinen Einzugsgebieten?“
„Wie weit beeinflusst das Retentionsverhalten der Blockgletscher das Abflussverhalten darunterliegender Flusssysteme?“
„Wie wirken sich unterschiedliche meteorologische Gegebenheiten im österreichischen Alpenraum auf das Abflussverhalten aus?“
„Wie wirken sich potentielle Klimaänderungen auf das Abflussverhalten im alpinen Raum aus?“

Die Ziele des Projekts können in zwei Gruppen gegliedert werden.
1) Blockgletscher sind seichte Porengrundwasserleiter in alpinen Regionen, die Grundwasser über zumindest mehrere Monate speichern können. Zudem beinhalten intakte Blockgletscher in hochalpinen Lagen Wasser in Form von Permafrosteis mit einer Verweilzeit von mehreren hundert bis tausend Jahren. Auf Basis des bestehenden bundesweiten Inventars der 5769 Blockgletscher wird eine Abschätzung potentieller Speichervolumina für Grundwasser aber auch Wasseräquivalente von Permafrosteis angestrebt. Ziel hierbei ist es Grundlagen zu schaffen, die Aussagen über die zeitliche Verfügbarkeit des gespeicherten Wassers für eine nachhaltige Nutzung ermöglichen. Des Weiteren soll das bestehende Inventar genutzt und mit anderen bestehenden wasserwirtschaftlichen und -rechtlichen Aspekten kombiniert werden, um einen Überblick über die derzeitige Nutzung dieser alpinen Grundwasserressource zu erhalten.

2) Die Hauptzielsetzung ist, ein besseres Prozessverständnis in Bezug auf die Quantifizierung des Einflusses dieser (hoch-) alpinen Grundwasserspeicher auf darunterliegende Fließgewässer zu bekommen. Hierbei ist es von großer Bedeutung die unterschiedlichen meteorologischen Bedingungen im österreichischen Alpenraum zu berücksichtigen, weshalb 5 Testgebiete von Vorarlberg bis in die Steiermark mit unterschiedlichen meteorologischen Gegebenheiten (Nord- versus Südstaulagen und möglicher Einfluss von kontinentalem oder pannonischem Klima) ausgewählt werden. In weiterer Folge soll auch der Einfluss des fortschreitenden Klimawandels auf das Abflussverhalten der Blockgletscher und der darunterliegenden Fließgewässer untersucht werden. Mit Niederschlags- und Lufttemperaturverteilungen basierend auf maximal 4 unterschiedlichen Klimaszenarien (ÖKS15) als Eingangsgröße für die Abflussmodellierung soll der Wissenstand über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Entwässerungsdynamik alpiner Einzugsgebiete, die von Permafrost beeinflusst sind, wesentlich erweitert werden. Die Kenntnis über die potentielle (wenn auch limitierte) Speicherung von Grundwasser in Blockgletschern und eine Einzugsgebietscharakterisierung ermöglichen eine planbare, nachhaltige Nutzung dieser Wässer.
Dadurch kann sich die öffentliche Hand frühzeitig mit den damit zusammenhängenden künftigen Herausforderungen und mögliche Gefahren (oder auch Vorteilen?) für die bewohnten Gebirgstäler auseinandersetzen und zielgerichteter vorbereiten.

Praxisrelevanz

Forschungsergebnisse der letzten zwei Jahrzehnte zeigen die Bedeutung von Blockgletscher als weltweit bedeutende Süßwasserressource in alpinen Einzugsgebieten auf (z.B. Jones et al., 2018; 2019). Folgt man den Annahmen, dass unsere alpinen Gletscher bis Ende dieses Jahrhunderts verschwinden werden, ist davon auszugehen, dass die Bedeutung der Permafrost-beeinflusste Landschaftsformen wie Blockgletscher als Grundwasserressource und wichtige Lebensgrundlage für das alpine Ökosystem massiv steigen werden (Grêt-Regamey et al., 2012; Harrington et al., 2017, Hayashi, 2019).
Im Projekt werden wesentliche, österreichweite Grundlagen für künftige wasserwirtschaftliche Nutzungen in alpinen Einzugsgebieten erarbeitet, weshalb das gegenständlich beantragte Projekt eine hohe wasserwirtschaftliche Bedeutung hat.
• Die Bedeutung von Blockgletscherquellen wird teilweise bereits durch ihre Nutzung als einzige Trinkwasserversorgung hervorgehoben, von einem starken Anstieg des künftigen Nutzungsgrades - gerade in touristisch erschlossenen Gebieten – ist auszugehen.
• Des Weiteren liegen zahlreiche Nutzungen der tieferliegenden Gebirgsbäche als wichtige Wasserressource zur Energiegewinnung von Kleinkraftwerken oder für bereits unverzichtbare Beschneiungsanlagen vor, in deren Einzugsgebieten diese speziellen Landschaftsformen vorkommen. Somit tragen sie wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung alpiner Regionen bei.
• Ein österreichweite Gegenüberstellung der Blockgletscher- und Bockgletschereinzugsgebietsinventare mit anderen vorliegenden wasserwirtschaftlichen und -rechtlichen Aspekten (z.B. Trinkwassernutzung, Konsensmengen für Kleinkraftanlagen oder Beschneiungsmengen unter Berücksichtigung der aquatischen Ökologie, etc.) stellt eine wesentliche Grundlage für künftige Entscheidungen einer nachhaltigen Nutzung dar.
• Des Weiteren stellen diese Landschaftsformen und ihr Speichervermögen ganz generell eine wichtige Lebensgrundlage für das äußerst sensible Ökosystem in alpinen Lebensräumen dar.
• Die Quantifizierung möglicher Änderungen der Entwässerungsdynamik im Zusammenhang mit Klimaerwärmung stellt eine wichtige Grundlage für Prognosen in Bezug auf Entwicklung des Ökosystems und einer nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzung dieser Ressourcen dar.
Das geplante Projekt liefert somit wesentliche Grundlagen für eine sorgsame Wasserversorgung alpiner Bereiche, die im Spannungsfeld von steigendem Tourismus sowie Schutz und nachhaltiger Nutzung der Wasserressourcen stehen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse stellen auch einen bedeutenden Mehrwert für die derzeit in Bearbeitung befindliche Studie „Wasserschatz Österreich“ dar.
Die geplanten Messungen an Blockgletscherquellen stellen des Weiteren eine wichtige Verdichtung des Grundwassermessstellennetzes der Hydrografie, insbesondere zielgerichtet auf kristalline Einzugsgebiete im alpinen bis hochalpinen Raum, dar. Daraus ergibt sich ein großer Kenntnisgewinn für die übergeordnete Wasserwirtschaft der Bundesländer Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten und Steiermark sowie des zuständigen Bundesministeriums BMLRT, welche auf den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie basiert.

Berichte

Abschlussbericht

Kurzfassung

Die Alpen sind in besonders hohem Maße von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Das Abflussverhalten ihrer Quellen und Flüsse erfährt tiefgreifende Veränderungen, bedingt durch die steigenden Lufttemperaturen, das rasche Abschmelzen der Gletscher, die veränderte Schneedeckendynamik im Hochgebirge, den auftauenden Permafrost und die Zunahme von Extremwetterereignissen wie Dürreperioden und Starkniederschlägen im österreichischen Alpenraum. Zugleich nehmen alpine und hochalpine Einzugsgebiete eine hydrogeologische Schlüsselrolle ein und tragen überproportional zum Abfluss in den vorgelagerten Gebieten bei. Die hydrogeologischen Veränderungen im Zuge des Klimawandels bestimmen somit die zukünftige Verfügbarkeit alpiner Wasserressourcen im österreichischen Alpenraum. Ein umfassendes Verständnis dieser Prozesse und Veränderungen ist daher entscheidend für ein nachhaltiges Wasserressourcenmanagement im Alpenraum. Blockgletscher bilden wichtige Porengrundwasserleiter in Österreichs Gebirgsregionen. Diese Sedimentakkumulationen, gebildet unter Permafrostbedingungen als langsam talwärts kriechendes Schutt-Eisgemisch, stellen durch ihren Porenraum ein erhebliches Potenzial für die Grundwasserspeicherung zur Verfügung. Je nach Jahreszeit ist dieser Speicher mehr oder weniger wassergefüllt und puffert Extremereignisse wie Starkniederschläge oder Regen während der Schneeschmelze durch Zwischenspeicherung und verzögerte Entleerung ab. Des Weiteren gewährleisten diese Grundwasserspeicher den Basisabfluss alpiner Bäche und Flüsse während der Wintermonate und während Trockenperioden. Ihre hydrogeologischen Eigenschaften bestimmen die Schüttungsdynamik der daran gebundenen Quellen und prägen damit den Abfluss des alpinen Gewässernetzes. Das vorliegende Projekt dient der Charakteristierung dieser hochalpinen Porengrundwasserkörper und ihres Einflusses auf übergeordnete Flusssysteme im Sinne des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG. Aufbauend auf den Ergebnissen des Vorprojekts RGHeavyMetal (101093) wurden die hydrogeologischen Eigenschaften von Blockgletschern anhand von fünf klimatisch und geologisch unterschiedlichen Testgebieten entlang des Alpenhauptkamms analysiert und ihr Anteil am Abfluss des alpinen Gewässernetzes zu verschiedenen Jahreszeiten bestimmt. Zu diesem Zweck wurde ein Monitoringnetzwerk aus 14 Pegeln an Blockgletscherquellen und den aus ihnen gespeisten Bächen eingerichtet und mit 4 langfristig bestehende Pegelstationen des Hydrographischen Dienstes ergänzt, die die übergeordneten Einzugsgebiete (bis 200 km²) erfassen. Auf dieser Datengrundlagen wurden semi-distributive Niederschlags-Abfluss-Modelle erstellt und anhand dreier Klimaszenarien (RCP2.6, RCP4.5 und RCP8.5) der Einfluss des Klimawandels auf das alpine Gewässernetz bis zum Ende des 21. Jahrhunderts prognostiziert. Parallel dazu wurde ein umfassendes Mess- und Beprobungsprogramm zur isotopenhydrologischen Charakterisierung der Wässer durchgeführt. Dies diente zur Bestimmung der wichtigsten Grundwasserneubildungskomponenten (Regen, Schnee) und zur Abschätzung der Verweilzeit des Wassers. Zusätzlich erfolgte eine Probenahme zur Ermittlung anorganischer Spurenstoffe sowie der Belastung durch persistente organische Schadstoffe. Durch Kombination dieser Ansätze wird eine evidenzbasierte Grundlage für die quantitative und qualitatitve wasserwirtschaftliche Planung im hochalpinen Raum geschaffen. Als Grundlage für die überregionale wasserwirtschaftliche Planung wurden die in Blockgletschern gespeicherten Wasserressourcen für den österreichischen Alpenraum abgeschätzt – einerseits hinsichtlich der gegenwärtig in Form von Permafrosteis gebundenen Ressourcen, andererseits hinsichtlich des zur Grundwasserspeicherung verfügbaren Porenraums. Österreichweit sind Blockgletscher in der Lage, ein Grundwasservolumen von bis zu 0,6 km³ zu speichern und erst mit mehrmonatiger Verzögerung an die darunter liegenden Bäche und Flüsse abzugeben. Dies entspricht in etwa dem 1,4-fachen des jährlichen Trinkwasserbedarfs Österreichs und gewährleistet den Basisabfluss während der langen, Schmelz- und Regenwasser armen Winterperiode im Hochgebirge. Darüber hinaus speichenr sie langfristig ein Wasseräquivalent von etwa 0,9 km³ in Form von Permafrosteis. Diese Speicherpotentiale verändern sich – im Vergleich zu den meisten anderen Komponenten des alpinen Wasserkreislaufs – nur sehr langsam im Zuge des Klimawandels: Das Permafrosteis ist durch die auflagernde Sedimentschicht gut geschützt und schmilzt nur langsam ab, wodurch dann weiterer Porenraum für die Grundwasserspeicherung frei wird und in Zukunft als zusätzlicher Speicher zur Verfügung stehen wird. Die Ergebnisse verdeutlichen die zentrale Rolle von Blockgletschern für die hochalpine Entwässerungsdynamik, insbesondere in Gebieten mit kristallinem Festgesteinsuntergrund. Aufgrund ihrer internen Struktur zeigen sie eine hydrogeologische Speicher- und Pufferfunktion, die sich in mehrfacher Hinsicht ausdrückt: Ihre grobblockige Oberfläche bedingt eine hohe Infiltrationskapazität, sodass große Wassermengen – beispielsweise während Starkniederschlägen oder Regenereignisse während der Schneeschmelze – aufgenommen werden können. Zugleich ist ihre feinkörnige, ungefrorene Basisschicht in der Regel bis zu mehrere Meter mächtig und in der Lage, Grundwasser über Monate hinweg zu speichern. Die darunter liegenden Gewässer erster Ordnung setzen sich im Schnitt zu hohen Anteilen (> 80 %) aus zumindest länger gespeichertem Grundwasser zusammen (> 2- 3 Monate, mitunter deutlich länger). Der Einfluss der Blockgletschereinzugsgebiete auf übergeordnete Gewässer kann je nach Ausdehnung und Verteilung saisonal beträchtlich ausfallen. Insbesondere in kristallinen Gebieten kann der Blockgletscher-Abfluss nahezu den gesamten Basisabfluss (> 90 %) von Flüssen erster Ordnung bereitstellen. In größeren Einzugsgebieten (bis 200 km²) weist er typischerweise eines von zwei Mustern auf: (1) „Schmelzwasser-dominiert“, mit starkem Einfluss im späten Frühjahr auf die Abflussdynamik übergeordneter Gewässer, insbesondere in Einzugsgebieten mit Karstaquiferen und/oder großvolumigen Sedimentfüllungen in den Talllagen; (2) „Grundwasser-dominiert“ bei starkem Einfluss unter Basisab-flussbedingungen, insbesondere in jenen Einzugsgebieten, in denen Blockgletscher die quantitativ die wichtigsten Grundwasserspeicher darstellen. Durch ihre hohe, entlegene Lage sind Blockgletscher als Grundwasserleiter vor anthropogenen Verunreinigungen in der Regel gut geschützt. Negative Einflüsse auf die Wasserqualität ergeben sich jedoch lokal durch geogene Ursachen – etwa in Form erhöhter Schwermetallbelastungen im Umfeld von Vererzungen: Die fortdauernde Bewegung intakter Blockgletscher produziert stets neue, frische Mineralbruchflächen, die eine Lösung und Anreicherung der Metalle im Grundwasser begünstigen. Anderesreits konnten auch vereinzelte Verunreinigungen durch persistente organische Schadstoffe, wie beispielsweise PFAS, durch atmosphärischen Eintrag nachgewiesen werden. Insofern ist stets eine lokale Risikobewertung von Entnahmestellen für Trinkwasserversorgungen vorzunehmen, da eine geringfügige Hintergrundbelastung vorliegen kann. Die prognostizierten Abflussveränderungen im Zuge des Klimawandels zeigen, dass sich die Abflussmenge in den meisten Fällen lediglich um einige Prozentpunkte verändern wird, es kommt zu einer Zunahme im Osten und einer Abnahme im Westen. Auffallend ist eine deutliche, saisonale Verschiebung der Abflussdynamik. In allen Untersuchungsgebieten werden deutlich erhöhte Abflüsse im Frühjahr und Frühsommer erwartet, gestaffelt nach Höhenlage und zukünftigem Zeitpunkt der Schneeschmelze. Die Spitzenabflüsse treten entsprechend 1 – 2 Monate früher auf. In tiefer gelegenen Gebieten können häufigere Wärmeperioden während der Wintermonate den Basisabfluss zusätzlich deutlich erhöhen. Die alpinen Grundwasserespeicher werden somit früher gefüllt und beginnen früher auszulaufen, in Kombination mit der verstärkten Evapotranspiration während der Sommermonate (höhere Lufttemperatur) ergibt sich ein ausgeprägtes Abflussdefizit in dieser Zeit. Zeitpunkt und Ausprägung dieser Veränderungen hängen dabei maßgeblich von den hydrogeologischen Gegebenenheiten der Einzugsgebiete ab, insbesondere von den verfügbaren Grundwasserleitern und ihrer räumlichen Verteilung – diese sind teils in der Lage, die saisonalen Veränderungen abzuschwächen, können sie jedoch nicht ausgleichen. Die Ergebnisse des Projekts legen nahe, dass der sich ändernden Schneedeckendynamik eine Schlüsselrolle hinsichtlich der zukünftigen Verfügbarkeit alpiner Wasserressourcen zukommt. Aus wasserwirtschaftlicher Perspektive ermöglichen die gewonnen Erkenntnisse eine planbare, nachhaltige Nutzung der von Blockgletschenr zur Verfügung gestellten Wasserressourcen. Die zukünftigen Veränderungen der Abflussdynamik sind durch kombinierte Auswertung von Klimaszenarien und Niederschlags-Abfluss-Modellen prognostizierbar und ermöglichen eine langfristige Planung durch die öffentliche Hand. Auf dieser Grundlage können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um möglichen Schwierigkeiten und Nutzungskonflikten – beispielsweise infolge des sommerlichen Abflussrückgangs – zu begegnen und im Spannungsfeld zwischen steigender Nutzung des Alpenraums und erforderlichem Schutz seiner Wasserressourcen zu vermitteln. Da insbesondere der Einfluss der veränderten Grundwasserneubildung durch Schnee die zukünftige Verfügbarkeit alpiner Wasserressourcen besimmen wird, ist ein verbessertes Verständnis dieser Prozesse anzustreben. Das vorliegende Projekt trägt dazu bei, eine Grundlage für die dauerhafte Versorgungssicherheit in den alpinen und hochalpinen Räumen der österreichischen Alpen zu schaffen, aus denen Perspektiven für ihre künftige Entwicklung abgeleitet werden können.

Berichtsdateien

Blockgletscher als Grundwasserspeicher in alpinen Einzugsgebieten und ihr Einfluss auf übergeordnete Flusssysteme unter dem Aspekt des Klimawandels (RGAlpCatch)

Abstract (deutsch)

Die österreichischen Alpen nehmen eine Schlüsselrolle für die regionale Wasserversorgung und die Gewässernetze im Alpenvorland ein. Als wichtige alpine Porengrundwasserleiter beeinflussen Blockgletscher maßgeblich die Entwässerungsdynamik von Gebirgsregionen, insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels. Sie fungieren als natürliche Wasserspeicher, die während Niederschlägen und Schneeschmelzphasen Wasser aufnehmen und verzögert wieder abgeben. Damit puffern sie einerseits die Auswirkungen von Extremereignissen wie Starkniederschlägen ab, andererseits gewährleisten sie den Basisabfluss in Trockenperioden und während der Wintermonate.

In dieser Studie wurden die hydrogeologischen Eigenschaften von Blockgletschern in fünf klimatisch und geologisch unterschiedlichen Testgebieten entlang des Alpenhauptkamms untersucht. Mithilfe der Abflussdaten von 18 Abflusspegeln, der Analyse stabiler Isotope, Niederschlags-Abfluss-Modellen und Klimaszenarien wurde ihr Einfluss auf alpine Flusssysteme untersucht sowie Veränderungen des Abflussverhaltens bis 2100 prognostiziert.

Die Ergebnisse zeigen, dass Blockgletscher österreichweit bis zu 0,6 km³ Grundwasser speichern können und mit zeitlicher Verzögerung von mehreren Monaten wieder abgeben. Insbesondere in kristallinen Gebieten stellen sie damit den Basisabfluss von Flüssen erster Ordnung sicher. Der Klimawandel verändert die saisonale Abflussdynamik, mit früheren Abflussspitzen infolge früher einsetzender Schneeschmelze und ausgeprägten Defiziten im Sommer durch erhöhter Evapotranspiration. Die Pufferfähigkeit der Blockgletscher unterstreicht in diesem Zusammenhang ihre Bedeutung für die zukünftige Verfügbarkeit von Wasserressourcen. Aus qualitativer Sicht ist das in Blockgletschern gespeicherte Grundwasser meist gut vor Verunreinigungen geschützt, lokale Risiken bestehen jedoch durch geogen bedingte Schwermetallbelastungen und atmosphärische Einträge persistenter organischer Schadstoffe.

Das Projekt betont den Bedarf eines besseren Verständnisses der sich ändernden Schneedeckendynamik und die damit verbundene Grundwasserneubildung, und es hebt die zentrale Bedeutung der Blockgletscher als Grundwasserleiter für alpine Fließgewässer hervor. Die Ergebnisse bieten somit eine Grundlage für eine nachhaltige, planbare Nutzung alpiner Wasserressourcen vor dem Hintergrund des Klimawandels.

Abstract (englisch)

The Austrian Alps play a critical role in regional water resources, contributing disproportionately to runoff in downstream areas in the foreland of the Alps. Rock glaciers, important alpine porous aquifers, significantly influence the runoff dynamics of mountain river systems, particularly considering climate change. These sediment accumulations serve as natural groundwater reservoirs, providing critical buffering functions by storing water during precipitation and snowmelt events and releasing it gradually to sustain baseflow during dry periods and during the winter months.

This study investigated the hydrogeological properties of rock glaciers across five climatically and geologically distinct study regions along the main chain of the Alps. Using discharge data of 18 gauging stations, stable isotope analyses, rainfall-runoff models, and climate scenarios, it assessed their contribution to alpine river systems and projected changes until 2100.

Findings reveal that rock glaciers can store approximately 0.6 km³ of groundwater over several months. Groundwater storage in these aquifers sustains river flow, particularly in crystalline regions where they are primarily responsible for sustaining baseflow in first-order streams. Seasonal runoff patterns are expected to shift due to climate change, with earlier peak flows in spring and pronounced summer deficits due to increased evapotranspiration. The rock glaciers' ability to buffer these changes depends on their aquifer properties, highlighting their importance for future water resource management. While largely shielded from contamination, localized qualitative risks include heavy metal leaching and atmospheric deposition of persistent organic pollutants.

The project emphasizes the need for improved understanding of snowmelt dynamics, which govern groundwater recharge in alpine catchments, and highlights the central role of alpine aquifers for mountain rivers. Its findings provide a basis for sustainable planning, balancing increasing resource demands with the need to protect alpine water resources under a changing climate.

Autor/innen

Seelig, S., Seelig, M., Vremec, M., Wagner, T., Krainer, K., Philippitsch, R., Avian, M., Haslinger, K., Brielmann, H., Fischer, L., Leis, A., Ribis, M., Obwegs, M., Hausleber, M., Reszler, C., Hann, S., Mauthner-Weber, R., Winkler, G.

Publikationen

Alle Publikationen wurden vom Projektverantwortlichen eingetragen und liegen in dessen Verantwortung.

Thomas Wagner, Simon Kainz, Kay Helfricht, Andrea Fischer, Michael Avian, Karl Krainer, Gerfried Winkler (2021). Assessment of liquid and solid water storage in rock glaciers versus glacier ice in the Austrian Alps .
Seelig, S.,Seelig, M., Vremec, M., Wagner, T., Krainer, K., Avian, M., Haslinger, K., Brielmann, H., A. Leis5, G. Winkler1 (2024). Der Einfluss des Klimawandels auf das Abflussverhalten von Blockgletschern und übergeordneter alpiner Einzugsgebiete .
Brighenti S., Colombo, N., Wagner, T., Pettauer, M., Guyennon, N., Krainer, K., Tolotti, M., Rogora, M., Paro, L., Steingruber, S.M., Del Siro, Ch., Scapozza, C., Sileo, N.R., Villarroel, C.D., Hayashi, M., Munroe, J., Trombotto Liaudat, D., Cerastino, L., Tirler, W., Comiti, F., Freppaz, M., Litaorr, M.I., Cremonese, E., Morra di Cella, U., Winkler, G. (2024). Factors controlling the water quality of rock glacier springs in European and American mountain ranges .
Thomas Wagner, Simon Kainz, Karl Krainer, Gerfried Winkler (2021). Storage-discharge characteristics of an active rock glacier catchment in the Innere Ölgrube, Austrian Alps .
Simon Seelig, Thomas Wagner, Karl Krainer, Michael Avian, Marc Olefs, Klaus Haslinger, and GerfriedWinkler (2023). The role of thermokarst evolution in debris flow initiation (Hüttekar Rock Glacier, Austrian Alps) .