RG-AlpCatch: Blockgletscher als Grundwasserspeicher in alpinen Einzugsgebieten und ihr Einfluss auf übergeordnete Flusssysteme unter dem Aspekt des Klimawandels

Projektleitung

Gerfried Winkler

Forschungseinrichtung

Universität Graz, Institut für Erdwissenschaften

Projektnummer

101561

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Amt der Kärntner Landesregierung| Amt der Salzburger Landesregierung| Amt der Steiermärkischen Landesregierung| Amt der Tiroler Landesregierung| Amt der Vorarlberger Landesregierung| Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

Allgemeine Projektinformationen

Schlagwörter (deutsch)

Abflussdynamik alpiner Einzugsgebiete, Hydrogeologie von Blockgletscher, Klimawandel, Einfluss auf alpine Fließgewässer, Österreich

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Rock glaciers as groundwater storages in alpine catchments and their impact on downstream river systems with regard to climate change

Abstract (englisch)

The Alps are regarded as the water towers of Europe, because of higher precipitation, lower evapotranspiration and lower air temperature compared to the surrounding foreland. In the last decades the rapid melt of (ice) glaciers and related impact on downstream river basin systems was intensively investigated regarding water management because of rather direct consequences of climate change. So far, very little is known about the hydro(geo)logy of remaining debris accumulations due to glacier retreat and periglacial landforms such as rock glaciers as the most prominent ones, and their impact on surface and subsurface runoff in alpine regions. First basic research related to these topics was done during the last years within the DaFNE-research project “Water resources management issues of rock glaciers in alpine catchments of the Eastern Alps - storage capacity, flow dynamics and hydrochemistry in particular heavy metal pollution (RGHeavyMetal, BBK Nr. 101093)“. The results indicate that in high alpine regions rock glaciers may be important shallow porous aquifers with a high storage capacity for groundwater. Moreover, the runoff of these landforms contributes to streamflow and especially baseflow in further downstream river systems.
The follow-up project will place emphasis on the impact of rock glaciers on downstream river systems. Therefore, in five test sites distributed (one in each participating federal state) over the Austrian Alps, the discharge of rock glacier springs and the downstream river systems will be monitored. The impact of the rock glacier catchment share to the discharge of the downstream rivers will be investigated with a rainfall-runoff model. In addition, the results will be validated with an isotopic approach to identify and separate discharge components related to rain, snow melt, permafrost ice melt or longer stored groundwater of rock glaciers. Another aim of the project is the quantification of water stored in rock glaciers as groundwater and permafrost ice based on the recently developed first consistent rock glacier inventory. The project will also contribute to a densification of the hydrochemical background information in alpine regions as the spring and stream waters will be hydrochemically analysed due to its hydrochemistry and in particular to rare earth metals, per- and polyfluoroalkyl substances (PFAS), and polycyclic aromatic hydrocarbons (PAH).

Projektziele

Die Alpen gelten als Wassertürme Europas, da höhere Niederschlagsmengen mit geringerer Verdunstung und niedrigeren Lufttemperaturen als im umgebenden Vorland zusammentreffen. Große Wassermengen werden saisonal als Schnee und längerfristig in Form von Gletscher- und Permafrosteis zwischengespeichert. Das Abschmelzen dieser Speicher spielt nicht nur für den Abfluss in den Alpen und dem Alpenvorland eine Rolle, sondern ist auch wesentlicher Bestandteil der Grundwasserneubildung in alpinen Regionen und im Alpenvorland. In den letzten Jahrzehnten wurde das rasant fortschreitende Abschmelzen der Gletscher und dessen Einfluss auf tieferliegende Flusssysteme in Bezug auf wasserwirtschaftliche Fragestellungen intensiv untersucht. Bis zum Vorprojekt lagen jedoch kaum Kenntnisse vor, wie sich die im periglazialen und glazialen Umfeld vorliegenden Schuttmassen (wie z.B. Blockgletscher als die prominentesten periglazialen Landschaftsformen) auf das ober- und unterirdische Abflussverhalten alpiner Regionen auswirken.
Erste grundlegende Forschungsergebnisse zu diesem Thema für den österreichischen Alpenraum konnten in den letzten Jahren im Zuge des DaFNE-Forschungsprojekts „Wasserwirtschaftliche Aspekte von Blockgletschern in Kristallingebieten der Ostalpen - Speicherverhalten, Abflussdynamik und Hydrochemie mit Schwerpunkt Schwermetallbelastungen (RGHeavyMetal, BBK Nr. 101093)“ erarbeitet werden (z.B. Winkler et al., 2016; Wagner et al., 2019, 2020, akzeptiert). Die Ergebnisse zeigen, dass in hochalpinen Regionen periglaziale Landschaftsformen wie Blockgletscher bedeutende seichte Porengrundwasserleiter mit einer hohe Speicherfähigkeit für Grundwasser darstellen können. Sehr oft sind daran Quellen mit für alpine, kristalline Regionen hohen Ergiebigkeiten (mittlere Jahresschüttungsmengen >10 l/s mit Spitzen von mehreren 100 l/s) gebunden, die das Abflussverhalten alpiner Einzugsgebiete wesentlich beeinflussen können (Wagner et al., 2016). Diese Quellen werden auch teilweise bereits für die Trinkwasserversorgung genutzt, ohne jedoch bis dato Kenntnis über ihre speziellen Grundwasserleiter gehabt zu haben. Des Weiteren liegen zahlreiche Nutzungen der tieferliegenden Gebirgsbäche als wichtige Wasserressource zur Energiegewinnung von Kleinkraftwerken oder für bereits unverzichtbare Beschneiungsanlagen vor, in deren Einzugsgebieten diese speziellen Landschaftsformen vorkommen. Der Basisabfluss, der zu einem großen Tei von Blockgletschern beeinflusst ist, stellt dabei eine tragende Rolle sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht dar.
Mit dem Projekt wurden im Sinne des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans bzw. in Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG sowie des Wasserrechtsgesetzes 1959 i.d.g.F. wesentlich detailliertere Grundlagen zur Beschreibung der Charakteristik dieser hochalpinen Sonderform von Porengrundwasserkörpern geschaffen. Gleichsam erweitern die neuesten Untersuchungsergebnisse den Wissensstand zur bundesweiten Wasserkreislauferhebung (WKEV 2006 i.d.g.F.) und Gewässerzustandsüberwachung (GZÜV 2006 i.d.g.F.) in Österreich wesentlich. Mit dem abgeschlossenen Projekt wurde ein erster wichtiger Schritt getan, um die künftigen Herausforderungen einer immer stärkeren und intensiveren Nutzung der alpinen Regionen, insbesondere durch Tourismus und Energiewirtschaft, zu meistern.
Die Ergebnisse haben aber auch gezeigt, dass wesentliche Fragestellungen v.a. in Bezug auf die Auswirkungen dieser Sonderform der (hoch-)alpinen Landschaftsformen auf darunterliegende Fließgewässer nur unzureichend beantwortet werden können.

Die Ziele des beantragten Projekts resultieren aus den vom Vorprojekt aufgeworfenen, nachstehenden Fragen.
„Wie groß sind die als Permafrosteis gespeicherten Wasserreserven in intakten Blockgletschern?“
„Wie hoch ist das Speicherpotential von intakten und reliktischen Blockgletscher für das Grundwasser?“
„Wie hoch ist der Anteil von Schnee für die Grundwasseranreicherung in diesen hochalpinen Einzugsgebieten?“
„Wie weit beeinflusst das Retentionsverhalten der Blockgletscher das Abflussverhalten darunterliegender Flusssysteme?“
„Wie wirken sich unterschiedliche meteorologische Gegebenheiten im österreichischen Alpenraum auf das Abflussverhalten aus?“
„Wie wirken sich potentielle Klimaänderungen auf das Abflussverhalten im alpinen Raum aus?“

Die Ziele des Projekts können in zwei Gruppen gegliedert werden.
1) Blockgletscher sind seichte Porengrundwasserleiter in alpinen Regionen, die Grundwasser über zumindest mehrere Monate speichern können. Zudem beinhalten intakte Blockgletscher in hochalpinen Lagen Wasser in Form von Permafrosteis mit einer Verweilzeit von mehreren hundert bis tausend Jahren. Auf Basis des bestehenden bundesweiten Inventars der 5769 Blockgletscher wird eine Abschätzung potentieller Speichervolumina für Grundwasser aber auch Wasseräquivalente von Permafrosteis angestrebt. Ziel hierbei ist es Grundlagen zu schaffen, die Aussagen über die zeitliche Verfügbarkeit des gespeicherten Wassers für eine nachhaltige Nutzung ermöglichen. Des Weiteren soll das bestehende Inventar genutzt und mit anderen bestehenden wasserwirtschaftlichen und -rechtlichen Aspekten kombiniert werden, um einen Überblick über die derzeitige Nutzung dieser alpinen Grundwasserressource zu erhalten.

2) Die Hauptzielsetzung ist, ein besseres Prozessverständnis in Bezug auf die Quantifizierung des Einflusses dieser (hoch-) alpinen Grundwasserspeicher auf darunterliegende Fließgewässer zu bekommen. Hierbei ist es von großer Bedeutung die unterschiedlichen meteorologischen Bedingungen im österreichischen Alpenraum zu berücksichtigen, weshalb 5 Testgebiete von Vorarlberg bis in die Steiermark mit unterschiedlichen meteorologischen Gegebenheiten (Nord- versus Südstaulagen und möglicher Einfluss von kontinentalem oder pannonischem Klima) ausgewählt werden. In weiterer Folge soll auch der Einfluss des fortschreitenden Klimawandels auf das Abflussverhalten der Blockgletscher und der darunterliegenden Fließgewässer untersucht werden. Mit Niederschlags- und Lufttemperaturverteilungen basierend auf maximal 4 unterschiedlichen Klimaszenarien (ÖKS15) als Eingangsgröße für die Abflussmodellierung soll der Wissenstand über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Entwässerungsdynamik alpiner Einzugsgebiete, die von Permafrost beeinflusst sind, wesentlich erweitert werden. Die Kenntnis über die potentielle (wenn auch limitierte) Speicherung von Grundwasser in Blockgletschern und eine Einzugsgebietscharakterisierung ermöglichen eine planbare, nachhaltige Nutzung dieser Wässer.
Dadurch kann sich die öffentliche Hand frühzeitig mit den damit zusammenhängenden künftigen Herausforderungen und mögliche Gefahren (oder auch Vorteilen?) für die bewohnten Gebirgstäler auseinandersetzen und zielgerichteter vorbereiten.

Praxisrelevanz

Forschungsergebnisse der letzten zwei Jahrzehnte zeigen die Bedeutung von Blockgletscher als weltweit bedeutende Süßwasserressource in alpinen Einzugsgebieten auf (z.B. Jones et al., 2018; 2019). Folgt man den Annahmen, dass unsere alpinen Gletscher bis Ende dieses Jahrhunderts verschwinden werden, ist davon auszugehen, dass die Bedeutung der Permafrost-beeinflusste Landschaftsformen wie Blockgletscher als Grundwasserressource und wichtige Lebensgrundlage für das alpine Ökosystem massiv steigen werden (Grêt-Regamey et al., 2012; Harrington et al., 2017, Hayashi, 2019).
Im Projekt werden wesentliche, österreichweite Grundlagen für künftige wasserwirtschaftliche Nutzungen in alpinen Einzugsgebieten erarbeitet, weshalb das gegenständlich beantragte Projekt eine hohe wasserwirtschaftliche Bedeutung hat.
• Die Bedeutung von Blockgletscherquellen wird teilweise bereits durch ihre Nutzung als einzige Trinkwasserversorgung hervorgehoben, von einem starken Anstieg des künftigen Nutzungsgrades - gerade in touristisch erschlossenen Gebieten – ist auszugehen.
• Des Weiteren liegen zahlreiche Nutzungen der tieferliegenden Gebirgsbäche als wichtige Wasserressource zur Energiegewinnung von Kleinkraftwerken oder für bereits unverzichtbare Beschneiungsanlagen vor, in deren Einzugsgebieten diese speziellen Landschaftsformen vorkommen. Somit tragen sie wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung alpiner Regionen bei.
• Ein österreichweite Gegenüberstellung der Blockgletscher- und Bockgletschereinzugsgebietsinventare mit anderen vorliegenden wasserwirtschaftlichen und -rechtlichen Aspekten (z.B. Trinkwassernutzung, Konsensmengen für Kleinkraftanlagen oder Beschneiungsmengen unter Berücksichtigung der aquatischen Ökologie, etc.) stellt eine wesentliche Grundlage für künftige Entscheidungen einer nachhaltigen Nutzung dar.
• Des Weiteren stellen diese Landschaftsformen und ihr Speichervermögen ganz generell eine wichtige Lebensgrundlage für das äußerst sensible Ökosystem in alpinen Lebensräumen dar.
• Die Quantifizierung möglicher Änderungen der Entwässerungsdynamik im Zusammenhang mit Klimaerwärmung stellt eine wichtige Grundlage für Prognosen in Bezug auf Entwicklung des Ökosystems und einer nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzung dieser Ressourcen dar.
Das geplante Projekt liefert somit wesentliche Grundlagen für eine sorgsame Wasserversorgung alpiner Bereiche, die im Spannungsfeld von steigendem Tourismus sowie Schutz und nachhaltiger Nutzung der Wasserressourcen stehen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse stellen auch einen bedeutenden Mehrwert für die derzeit in Bearbeitung befindliche Studie „Wasserschatz Österreich“ dar.
Die geplanten Messungen an Blockgletscherquellen stellen des Weiteren eine wichtige Verdichtung des Grundwassermessstellennetzes der Hydrografie, insbesondere zielgerichtet auf kristalline Einzugsgebiete im alpinen bis hochalpinen Raum, dar. Daraus ergibt sich ein großer Kenntnisgewinn für die übergeordnete Wasserwirtschaft der Bundesländer Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten und Steiermark sowie des zuständigen Bundesministeriums BMLRT, welche auf den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie basiert.