Projekt-946: Alte Rassen kleiner Hauswiederkäuer in Salzburg am Beispiel von Pinzgau und Pongau: Vorkommen und Stand der Bedrohung, Nutzungskonflikte und alternative Nutzungsformen zur In-situ-Erhaltung

Projektleitung

Ruth M. Wallner

Forschungseinrichtung

Salzburger Landesverband für Schafe und Ziegen

Projektnummer

1148

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

Endangered Alpine Goats and Sheep in Salzburg and their Sustainment in situ

Projektziele

Erhaltung der traditionellen alpinen Haltungsform (=Sommeralpung) für die kleinen Hauswiederkäuer und damit des Erscheinungsbildes bergbäuerlicher Kulturlandschaften.
In-situ-Erhaltung alter, autochthoner Ziegen- und Schafrassen als genetische Ressource und als Beitrag zur Einkommenssicherung der Berglandwirtschaft.
Wege und Maßnahmen zur In-situ-Erhaltung alter regionaler Ziegen- und Schafrassen im Pinzgau und Pongau.
Nutzungsalternativen für Ziegenprodukte als Beitrag zur Einkommenssicherung der Berglandwirtschaft.
Lösungen für bestehende Nutzungskonflikte, insbesondere der Alpungsproblematik.
Erfassen von Entwicklungstrends hinsichtlich Tierhaltungen, Nutzungsformen usw.
Wiederbeleben alter Traditionen in Zusammenhang mit der Ziegenhaltung und deren Vermarktung.
Öffentlichkeitsarbeit zur Vergrößerung der Lobby für alte Ziegenrassen in ganz Österreich.
Vorrangige Fragestellungen:
Welche Ziegen- und Schafrassen sind heute im Pinzgau in welchem Ausmaß anzutreffen?
Warum sind gerade diese Bestände vorhanden, das heißt, welche wirtschaftlichen, soziologischen (Image) und/oder Umweltbedingungen sind dafür maßgeblich, die andernorts fehlen?
Welchen Stellenwert haben Ziegen- und Schafhaltung im allgemeinen und alte Rassen im besonderen im Traditionsbewusstsein der Bergbauern dieser Region?
Ausmaß der tatsächlichen Nutzungskonflikte auf den Ziegen- und Schafalmen?
Welche Schäden richten unbehirtete Ziegen- und Schafherden heute tatsächlich an? Welches Mindestausmaß an Betreuung ist dort erforderlich, um diese zu verhindern?
In welchem Verhältnis stehen gealpte kleine Hauswiederkäuer zu den lokalen Schalenwildarten?
Welche alternativen Haltungsformen für Ziegen und/oder Schafe sind möglich und welche Konsequenzen sind davon zu erwarten? Können alte Rassen auch unter anderen als den traditionellen Alpungsbedingungen nachhaltig erhalten werden? Welchen Beitrag können andere Einrichtungen, bspw. Tierparks, zur In-situ-Erhaltung alter Haustierrassen leisten?
Ist eine Ziegenalpung an alte Rassen gebunden, oder können auch die modernen Hochleistungsrassen (Edelziegen, Burenziege) unter den hochalpinen Weidebedingungen optimal genutzt werden?
Sind rassebedingte Unterschiede im ökologischen Verhalten der Tiere nachweisbar?
Lassen sich Auswirkungen der Alpung an morphologischen oder physiologischen (z. B. Leistung) Merkmalen nachweisen?
Welche Formen künftiger Ziegen- und Schafnutzung sind möglich und wie kann eine nachhaltige In-situ-Erhaltung dieser alten Rassen erreicht werden?
Welche diesbezüglichen Entwicklungstrends lassen sich während der Projektphase nachweisen und wie werden sie sich künftig fortsetzen?

Praxisrelevanz

Die Haltung der kleinen Wiederkäuer, Schafe und Ziegen, war in der österreichischen Landwirtschaft früher ein Symbol der Armut. Seit den Achtzigerjahren wächst jedoch der Schaf- und Ziegenbestand infolge des neuen Ernährungsbewusstseins und der diätetischen Wirkung der Schaf- und Ziegenprodukte kontinuierlich an (z.B. 1980 35.000, 1989 69.000, 1999 377.000 Schafe). Dabei geht der Trend zu Hochleistungsrassen für Milch- und Fleischproduktion.
Alte Rassen sind widerstandsfähiger und genügsamer als moderne Rassen, was sie heute zu wertvollen Genressourcen macht. Mit ihren typischen Zeichnungs- bzw. Färbungsvarianten, die oft talweise verschieden waren, sind alte Haustierrassen auch regionsspezifische Elemente und Ausdruck der bäuerlichen Kultur. Sie haben seit je her neben und mit dem Bergbauern eine aktive Rolle bei der Gestaltung des Erscheinungsbildes von Kulturlandschaften.
Im Pinzgau und Pongau haben einige alte Rassen (Ziegenrassen: Pinzgauer Ziege, Gemsfarbige Gebirgsziege, Tauernscheckenziege, Pfauenziege, Vierhornziege; Schafrassen: Brillenschaf, Steinschaf, Bergschaf mit verschiedenen Farbschlägen) bis heute überlebt. Zugleich aber ist auch dieses Gebiet mit den Anforderungen des Marktes an eine moderne Tierproduktion und den sich daraus ergebenden Nutzungskonflikten und der Konkurrenz der Gunstlagen konfrontiert. Damit kann diese Region Modell stehen für die heutige Berglandwirtschaft in den österreichischen Alpen.
Der Rückgang der alten, autochthonen Rassen zeigt enge Zusammenhänge mit der traditionellen Haltungsform (Alpung). Die Möglichkeit einer Rückwendung auf alte heimische Rassen erscheint jedoch dort, wo die Haltung einer bestimmen Haustierart überhaupt noch vorkommt, in Verbindung mit der besonderen Eignung für die Berglandwirtschaft und spezieller Vermarktung (z.B. Brillenschafvermarktung des Vereins zur Erhaltung alter Haustierrassen in Kärnten) durchaus erfolgversprechend. Das ggstl. Projekt soll am Beispiel von Pinzgau und Pongau dafür die wissenschaftlichen Grundlagen untersuchen und aufbereiten sowie über den Salzburger Landesverband für Schafe und Ziegen auch gleich regional entsprechend umsetzen.
Durch den wachsenden Markt für Schaf- und Ziegenprodukte ist auch für diese bergbäuerliche Nischenproduktion mit den Zusatzeffekten der Erhaltung ökologisch einmaliger Natur- und Kulturlandschaft mit ihrer Bedeutung für den Tourismus eine wirtschaftliche Grundlage vorhanden. Die wissenschaftliche Prüfung der Nutzungskonflikte bei Evaluierung der Grundlagen für die gefährdeten Rassen kann daher einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung leisten.

Berichte

Abschlussbericht , 01.11.2004

Kurzfassung

1. Mit der ab 1955 verstärkt einsetzenden Mechanisierung der Bergbauernbetriebe wurden viele Sennalmen aufgelassen, wodurch die Ziege ihre wirtschaftliche Bedeutung als Milchtier verlor. Über die darauf folgenden drei Jahrzehnte glich das reichhaltige Angebot an Zwergsträuchern und Sträuchern der nun überwiegend mit Galtvieh bestückten Almen diesen Rückschritt aus. In dieser Zeit wuchs der Einfluss der Jagd erst ganz allmählich auf ihr heutiges Niveau. Bei den Umständen in einer Phase reduzierter Wirtschaftlichkeit, als aber der genetische Wert autochthoner Rassen noch nicht erkannt war verdanken etliche aber ihr überleben. 2. Alte Lokalnamen und Ansichten auf frühen Fotos weisen darauf hin, dass Pfauenziege und Strahlenziege, neben Tauernschecken, Pinzgauer Ziege und Alpinem Steinschaf, in Salzburgs Bergen mit großer Wahrscheinlichkeit autochthon sind. 3. Ziegen benötigen als Mischfresser ein ausgewogenes Futterangebot: krautige Pflanzen, Zwergsträucher und Laubgehölze erreichen bei Bergziegen auf der Alm jeweils knapp ein Viertel der aufgenommenen Gesamtnahrung; den Rest bilden Gräser und Nadelbaumäsung zusammengenommen. Ziegen eigene sich daher besser als Schafe für die Bekämpfung von Buchswerk zur Pflege von Almen. 4. Ziegen können mit zentralen Infrastrukturen zum Ruhen und Salzlecken auch unbehirtet auf Almen heimisch gemacht werden. In extensiver Bestoßung sind sie weder Störfaktor noch Nahrungskonkurrent für die heimischen Schalenwildarten; im Gegenteil besetzen sie eine ökologische Nische, die keine der Wildarten innehat. Im Vergleich zur Koppel gedeihen Ziegen auf der Alm wesentlich besser, sie sind gesünder und widerstandfähiger. 5. Der Ertrag aus der tierischen Produktion von alten Bergziegenrassen erreicht im günstigen Fall 16 bis 25 % des Einkommens eines durchschnittlichen Bergbauernbetriebes. Einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit alter Rassen bilden öffentliche Förderungen mit Anteilen von 36 bis 48 % der Deckungsbeiträge aus der Tierproduktion. Der Versteigerungsmarkt für alte Rassen kleiner Wiederkäuer wird bis zu 55 % von Biobetrieben gebildet. 6. In-Situ-Erhaltung ist die adäquate Form, um alte Rassen kleiner Hauswiederkäuer nachhaltig zu bewahren: sie umfasst eine artgerechte Stallhaltung ebenso wie die alpine Sömmerung. Strategien zur Rettung alter Rassen als genetische Ressourcen und kulturelles Gut haben die sozialen Dimensionen der Haltungsform mit zu berücksichtigen. Öffentliche Förderungen werden auch in Hinkunft als wichtiges Standband unverzichtbar sein.

Berichtsdateien

1148_Kl_Wiederkauer.pdf

Autor/innen

Ruth M. Wallner

1148_Kl_Wiederkauer__Farbtafeln.pdf