Projekt-689: Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die österreichische Agrarwirtschaft

Projektleitung

Franz GREIF

Forschungseinrichtung

Direktion Agrarwirtschaft

Projektnummer

10572

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

The Impact of EU enlargement on Austria’s Agricultural Sector

Projektziele

Das Projekt war zwischen 1998 und 2002 in erster Linie eine Koordinationsaufgabe. Es kam zur Zusammenführung von Arbeiten verschiedener Institute in Österreich und den Nachbarländern. Die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft brachte ihr Netzwerk an Forschungskooperationen mit ein, welches wertvolles Daten- und Informationsmaterial lieferte. Mit dem Herannahen des Verhandlungsabschlusses zur EU-Erweiterung 2003 wurden durch die Bundesanstalt verschiedene Untersuchungen akzessorischer Art, sei es in Theorie oder näher zur Politikberatung, verfolgt, die z.T. auch schon früher Themen von Arbeitsgruppen waren.
So standen zunächst im Vordergrund:
- im Bereich der OECD die markt- und handelspolitischen Entwicklungen sowie die laufende Beobachtung der Staatseinflüsse auf die Wirtschaft – insbesondere der Agrarunterstützungen auf den Wettbewerb (im OECD- und MOEL-Raum),
- im Bereich der EU die Festlegung von Zielen der Gemeinsamen Agrarpolitik und deren Finanzierung, die Simulierung von politischen Szenarien und die Strukturlage in den prospektiven Erweiterungsländern.

Berichte

Abschlussbericht , 31.12.2004

Kurzfassung

In erster Linie sind wichtige thematische Ergänzungen zu den zitierten Untersuchungen vorgenommen worden, insbesondere regionale Entwicklungstendenzen betreffend. Besondere Schwerpunkte bildeten die Themen Bodenordnung sowie die Grenzgebiete in Mitteleuropa. a) Das bodenpolitische Spannungsfeld zwischen Österreich und der EU sowie ihren 'östlichen' Nachbarn nach der Erweiterung Seit eineinhalb Jahrzehnten geht in den „Beitrittsländern 2004“ der Europäischen Union eine Reform der Bodeneigentumsverhältnisse und Besitzrechte vor sich. Diese Prozesse haben bisher noch keinen endgültigen Abschluss gefunden, sind aber auf dem Weg zur Bildung liberaler Bodenmärkte bereits weit fortgeschritten. Privatrechtliche Akte über Grund und Boden werden in vielen Ländern (namentlich in der Nachbarschaft Österreichs und Deutschlands) allerdings schon sehr lange gesetzt und auch Ausländer können Grundbesitzer und, mit gewissen Einschränkungen, auch Bodeneigentümer werden. Allerdings ist die Struktur der Grundbesitzverhältnisse sowie die Gestaltung der Bodenmärkte einstweilen noch von bedeutenden Ungleichgewichten gekennzeichnet. Das nationale Spektrum unterschiedlicher Bodenbesitzverhältnisse ist breit: Es umfasst grossbetriebliche Erzeuger mit überwiegend Pachtland, bäuerliche Familienbetriebe mit restituiertem Grundeigentum, sowie auch traditionelle (und 'neue') Kleinbesitzer inklusive einiger Millionen Selbstversorgerexistenzen; es umfasst 'Gesellschaftsbetriebe' auf Pachtland im Eigentum ihrer Mitglieder ebenso, wie gemischte Besitzverhältnisse zwischen inländischen Eigentümern und ausländischen Pächtern, als auch (wiewohl nicht überall) 'reformierte' Genossenschaften; schliesslich umfasst dieses Spektrum auch ein regional sehr unterschiedliches Interesse an der agrarischen Bewirtschaftung von Grund und Boden, gebietsweise mit dem Ergebnis von mehr brachliegendem als genutztem Land, und andererseits auch kräftige Spekulation mit Grund und Boden, sei es in bevorzugten Lagen oder in Gebieten mit Entwicklungschancen. Angesichts der regional starken Ausländerinteressen einschließlich rechtlich bedenklicher bis illegaler Grundstücks- und Immobiliengeschäfte während der letzten Jahre sind die von den Beitrittsländern geforderten (und von den EU-Ländern aus anderen Gründen unterstützten) Übergangsfristen im Prinzip verständlich. Von derartigen Problemen betroffen sind insbesondere westpolnische und westböhmische Grenzbezirke, westungarische Komitate und auch südmährische Grenzgebiete. Doch sinnvoller als bodenrechtliche Restriktionen wäre wohl gewesen, etwa den Gewinntransfer in das Ausland für eine bestimmte Frist zu beschränken, Reinvestitionen zu begünstigen, oder auch während der Vorbeitritts- bzw. Übergangsperiode die 'eigenen' Landwirte in Grenzgebieten beim Erwerb von Boden zu unterstützen, um verzerrte Wettbewerbsbedingungen auf den Bodenmärkten auszugleichen oder abzuschwächen. Die bloße Verhinderung eines freien Bodenmarktes brachte jedenfalls keine Entwicklungsimpulse, sondern verhinderte sie eher. b) Grenzgebiete in Mitteleuropa Das Thema wurde an der Bundesanstalt auch im Zuge des Projekts 'Iron Curtain' bearbeitet. Dazu wurde eine Neubewertung der Situation in den Grenzgebieten – mit besonderer Berücksichtigung der Lage der Landwirtschaft und der Umweltsituation – vorgenommen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Frage gelegt, wie in Grenzgebieten lokal oder grenzüberschreitend wirksame Kräfte, die für Allokationsentscheidungen (Investitionen, Betriebsgründungen) massgeblich sind, systematisch gefasst und quantifiziert werden können. Dies wurde auf der Grundlage einzelner theoretischer Vorarbeiten zu einem 'Push&Pull-Konzept' weitergeführt und anhand von verschieden strukturierten Grenzregionen getestet. Je nach spezifischer regionaler Situation erbrachte die Quantifizierung von Attraktivitäts- und Repressionsfaktoren, die regionalwirtschaftlich massgeblich sind, gute Vergleichsergebnisse. Bereits genannt wurde die Bereitstellung von Informationsunterlagen für Interessenten aus den Beitrittsländern, die neben dem Bodenmarkt auch die kommunalpolitische Situation in Österreich, politikberatende betriebswirtschaftliche Analysen und die Regionalpolitik für Grenzgebiete umfasst; Konsumenten kommen nicht nur aus den östlichen Nachbarländern sondern regelmäßig auch aus Polen, Rumänien, der Ukraine und den Baltenländern. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch zahlreiche Seminar- und Vortragsveranstaltungen der Bundesanstalt in Wien oder in Zusammenarbeit mit anderen Instituten (Gumpenstein) sowie mit Partnerinstituten in Budapest, Ljubljana oder Praha u.a. c) Sozialwirtschaftliche Probleme: Kleinbetriebe und Nebenerwerb in den MOEL Sozialwirtschaftliche Probleme der MOEL waren seit den 1980er Jahren ein von der Bundesanstalt stets mitberücksichtigtes Forschungsthema. Die ersten Ergebnisse brachten Untersuchungen in Grenzregionen zwischen Österreich und Ungarn. Im Zuge der neuentstehenden Fragestellungen nach der großen politischen Wende sind die Themen der Lebensumstände, der Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten und der sozialwirtschaftlichen Lage insgesamt nicht kleiner, sondern wesentlich größer geworden. Der Lebensstandard im ländlichen Raum Ostmitteleuropas sieht nach zwei typischen Ländergruppen deutlich unterschiedlich aus. Während in den Nachbarländern Österreichs das BIP pro Kopf (umgerechnet in Kaufkraftparitäten) zwischen 8.000 und 12.000 EUR pro Jahr liegt (d.s. 67 bis 88% der nationalen Wertschöpfungsdurchschnitte), erreichen die anderen Länder mit Pro-Kopf-Werten zwischen 2.500 und 4.000 EUR oft kaum 50%. Die Beschäftigten in den MOEL gehören zu 21% dem Primärsektor und zu 32% dem Gewerbe- und Industriesektor an. In den ländlichen Gebieten steigt der Agraranteil an den Beschäftigten auf 45 bis 50%, wobei die höchste Anteilsrate mit 73% auf Rumänien entfällt. Allein dies zeigt deutlich, welche Rolle die Landwirtschaft in Ostmitteleuropa als Puffer zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit zu spielen hat. Die Bevölkerungsentwicklung der MOEL ist zwischen 1990 und heute generell negativ gewesen. In vielen Landgebieten ist jedoch eine Rückwanderung von Teilen des städtischen Proletariats zu verzeichnen gewesen, was zu einem ruralen Wanderungsgewinn etwa in Polen von 0,4%, in Rumänien von 0,9% und in Ungarn sogar von 1,9% führte. Was den Ausbildungsstand der Arbeitsbevölkerung (also der Zwanzig- bis Sechzigjährigen) der MOEL betrifft, so ist ein genereller Überhang der Primärschulbildung gegeben, der im Regionsdurchschnitt bei rund 50% dieser Kohorte liegt. Dies legt die Vermutung nahe, dass dieser Prozentsatz in ländlichen Gebieten noch wesentlich höher liegt, so etwa in Slowenien bei 68% und in den meisten übrigen Ländern noch darüber. Zwar haben sich das BIP und die Industrieproduktion der MOEL insgesamt längst wieder erholt und das Niveau von 1990 inzwischen weit hinter sich gelassen. Die Agrarproduktion hingegen liegt um etwa 15% unter dem einstigen Niveau und wird es möglicherweise auch bleiben. Noch vor dem Beitritt durchgeführte Untersuchungen haben ergeben, daß die Aussichten für Landwirte der MOEL außerhalb der EU sehr ungünstig wären. Faktum ist heute jedenfalls, dass mit dem Beitritt auch bei geringeren Direktzahlungen die Agrareinkommen in allen MOEL steigen. Durch Anwendung der Direktzahlungen in voller Höhe hätten sich zu starke Disparitäten, mit viel zu starken Einkommenseffekten eingestellt, was Anreize zur Umstrukturierung der Beschäftigung zunichte gemacht und soziale Verwerfungen und Ungleichheiten zur Folge gehabt hätte.