Projekt-283: Quantitative Analyse der Multifunktionalität am Beispiel einiger österreichischer Regionen

Projektleitung

Martha NEUNTEUFEL

Forschungseinrichtung

Direktion Agrarwirtschaft

Projektnummer

10005

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Titel (englisch)

A Quantitative Analysis of Multifunctionality, based on the examples of several Austrian regions

Projektziele

Angesichts der anstehenden WTO-Verhandlungen, die auch für Österreich weitreichende Folgen haben werden, kommt der Multifunktionalität der Landwirtschaft eine große Bedeutung zu. Da Multifunktionalität untrennbar mit den europäischen Kulturlandschaften in Zusammenhang steht und jegliche Schutz- bzw. Förderungsmaßnahmen von einigen bedeutenden Handelspartnern als Verstöße gegen die Liberalisierung des freien Welthandels angesehen werden, gewinnt sie zunehmend an politischer Aktualität.
Aufgrund dieser Problematik ist es notwendig, empirisch nachzuweisen, dass Multifunktionalität eine essentielle Bedingung nachhaltiger Landbewirtschaftung ist. Dabei wurde auch auf die Nachhaltigkeit, so wie sie in der Agenda 21 als ein allgemein akzeptiertes Prinzip dargelegt ist, expliziter Bezug genommen. Anhand einer exemplarischen Bestandsaufnahme der Multifunktionalität in einigen österreichischen Regionen und mithilfe ihrer weitestmöglichen Quantifizierung wurde versucht, eine empirische Dokumentation der multifunktionalen Leistungen der Landwirtschaft zu erstellen.
Als erster Schritt wurde ein Funktionskatalog erstellt, die potentiellen Indikatoren bzw. Quantifizierungsmöglichkeiten der verschiedenen Funktionen wurden spezifiziert und die Auswahl der Studiengebiete wurde getroffen. Demnach wurde zwischen den multiplen Funktionen in vier Bereichen unterschieden: im wirtschaftlichen, ökologischen, soziokulturellen und im regionalen Bereich. Die untersuchten Regionen waren: Kirchdorf/Krems, das Marchfeld bzw. der politische Bezirk Gänserndorf, Feldbach und das Ötztal bzw. der politische Bezirk Imst.

Berichte

Abschlussbericht , 31.12.2003

Kurzfassung

Da die Bundesanstalt für die Analyse der soziokulturellen Funktionen zuständig war, werden nur jene Teile der Studie hier kurz zusammengefasst, die mit diesen in enger Verbindung stehen. Im soziokulturellen Bereich wurden drei Hauptfunktionen und innerhalb dieser mehrere Unterfunktionen spezifiziert: 1. Erhaltung sozialer Infrastruktur: Aufrechterhaltung essentieller sozialer Dienste, Stärkung lokaler Institutionen und politischer Partizipation, Verteilung von Einkommen und Vermögen, Beitrag zur Versorgungssicherheit, Erhaltung von Lebensqualität 2. Beitrag zur Regionalkultur: Erhaltung bäuerlicher/ländlicher Kulturtradition, Erhaltung der Agrodiversität, Pflege der Kulturlandschaft, Beitrag zur Identitätsstiftung, Bereicherung regionaler Kommunikationsnetze 3. Dienste an Dritten: Tourismus und Seilbahnwirtschaft, Serviceleistungen, Beitrag zur Altersversorgung. Die Untersuchung der sozioökonomischen Funktionen und die Problematik ihrer Quantifizierung haben dazu geführt, dass die Zweckmäßigkeit und die Annahmen der standardökonomischen Multifunktionalitätsanalyse, die auf der Theorie der ökonomischen Externalitäten basiert, kritisch hinterfragt wurden. Eine ‘Internalisierung der externen Effekte’ ist nur dann sinnvolles politisches Instrument, wenn a) die Funktionen monetär bewertet werden können, b) die Märkte effizient sind, und c) dadurch Verbesserungen in der sozialen Situation erreicht werden können. Daher wurden drei Fragen näher untersucht: a) die Unmöglichkeit der Aggregation individueller Bewertungen (Präferenzen), b) die Erfüllbarkeit der Prämissen der Markteffizienz-Hypothese und c) der Zusammenhang zwischen Markteffizienz und einer ‘sozial optimalen Situation’. Als Folge dieser Überlegungen wurde festgehalten, dass bei all diesen Fragen unüberwindliche theoretische Schwierigkeiten bestehen, so dass die Theorie der Externalitäten weder für die Untersuchung der Multifunktionalität noch als Grundlage für das Design von politischen Maßnahmen zu ihrer Unterstützung als eine geeignete theoretische Basis betrachtet werden kann. Des Weiteren wurde erörtert, dass die Analyse der MF mithilfe des Paradigmas von ‘normal science’ (THOMAS KUHN) nicht sinnvoll durchgeführt werden kann, weil a) wissenschaftliche Feststellungen nicht ‘objektiv’ getroffen werden können (z.B. die Beurteilung der ‘Qualität’ einer Landschaft), vielmehr müssen unterschiedliche Untersuchungsperspektiven (z.B. verschiedene Akteure) berücksichtigt werden, und b) Unsicherheiten (z.B. im ökologischen Bereich) andere Managementstrategien erfordern als Risikomanagement. Es wurde daher für die Anwendung des Wissenschaftsbildes von ‘post-normal science’ (FUNTOWITCZ und RAVETZ) plädiert. Entsprechend der bisherigen Argumentation wurde es versucht, einen konzeptuellen Rahmen für die Analyse der MF der Landwirtschaft mithilfe einer systemischen Sichtweise abzustecken. Dabei wird Landwirtschaft als ein System aufgefasst, das sich an der Schnittstelle der beiden Systeme ‘Natur’ und ‘Gesellschaft’ befindet, in dem ein Großteil der gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur vonstatten geht. Es erscheint zweckmäßig, MF als eine grundlegende Eigenschaft von Verhaltensmechanismen dynamischer Systeme zu betrachten. Während in der Biologie die MF eine endogene Eigenschaft des Systems ist, ist sie, beispielsweise in der Robotererplanung eine exogene, von ‘außen her’ geplante Operationsweise. In der Landwirtschaft besitzt die MF beide Eigenschaften: In den ökologischen Funktionen dominieren die endogenen, in den ökonomischen und sozialen die exogenen Charakteristika. Im Prozess des Metabolismus zwischen ‘Mensch’ und ‘Natur’ entsteht ein Zusammenwirken beider Arten von MF. Dabei spielen die Zusammenhänge zwischen den Strukturen und den, durch diese Strukturen (und ihrer Selbstorganisation) ermöglichten funktionalen Leistungen eine zentrale Rolle. Zur Analyse solcher Zusammenhänge erscheint das Koestler Holon-Konzept, das auf dem hierarchischen Aufbau selbstorganisierender Systeme basiert, eine geeignete methodische Grundlage zu sein. Es ist auch für die Untersuchung der MF in der Landwirtschaft erfolgversprechend. Im Weiteren wurde die MF der Landwirtschaft aus der kulturellen Sicht erörtert: Ihre Rolle in der Entwicklung gesellschaftlicher Strukturen und der Herausbildung kultureller Vielfalt (die als ein wesentlicher Faktor der Stabilität in der Evolution menschlicher Gesellschaften angesehen wird) wurde anhand einiger Beispiele beschrieben. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass selbst die Bedeutung, die verschiedene Gesellschaften der Multifunktionalität beimessen, von ihren jeweiligen Kulturen abhängig ist. Die anfangs spezifizierten soziokulturellen Funktionen wurden für die Untersuchungsgebiete der Studie – soweit sie vorhanden sind – anhand statistischer Daten beschrieben. Zusätzlich wurden in einem der Gebiete (Ötztal, Bezirk Imst) qualitative Indizien aus verschiedenen Quellen, aus der Fachliteratur (z.B. Kulturgeschichte) und aufgrund von Interviews gesammelt. Über die soziokulturellen Funktionen in den Untersuchungsregionen können leider keine allgemeinen Aussagen getroffen werden: Sowohl die Verschiedenheiten der Regionen als auch die unterschiedliche Datenlage bezüglich der einzelnen Funktionen und Indikatoren lassen solche nicht zu. Die Ergebnisse ähneln einem Mosaik, das entsprechend verschiedener Fragestellungen oder Ziele geordnet werden kann. Die Erarbeitung von Analysemethoden für eine solche Menge von (direkten und indirekten quantitativen sowie qualitativen) Indikatoren, die eine konsistente Interpretation ermöglichen – genauso wie der Aufbau einer breiteren Datenbasis – sollte noch Gegenstand zukünftiger Forschung werden. Dazu könnte der oben skizzierte konzeptuelle Rahmen als Ausgangspunkt verwendet werden. Der Projektbericht liegt an der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft auf.