Projekt-281: Betriebsaufgabe in der österreichischen Landwirtschaft – Rahmenbedingungen, Motivationen und Implikationen

Projektleitung

Michael GROIER

Forschungseinrichtung

Direktion Bergbauern

Projektnummer

10003

Projektlaufzeit

-

Finanzierungspartner

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Allgemeine Projektinformationen

Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)

Projektziele

Der unvermindert anhaltende agrarische Strukturwandel hat nicht nur auf der landwirtschaftlichen, regionalwirtschaftlichen und ökologischen Ebene substantielle Auswirkungen. Von den Verantwortlichen oft verdrängt und totgeschwiegen, sind speziell die familiären und sozialpsychologischen Konsequenzen von Betriebsaufgaben für viele VerliererInnen der Ideologie des 'Wachsen und Weichen', nämlich die betroffenen Familien, ein ernstes Problem. Betriebsaufgaben sind nicht nur ein agrarpolitisches Problem, sondern wirken sich vor allem in benachteiligten Regionen regionalwirtschaftlich destabilisierend aus. Kaum bekannt und deshalb auch nicht erstgenommen sind/werden außerdem die familiären und sozialpsychologischen Implikationen, die eine Betriebsaufgabe für die betroffenen Menschen mit sich bringt.

Dieses Projekt stellt sich die Aufgabe, eine Analyse des Phänomens der Betriebsaufgabe in der österreichischen Landwirtschaft durchzuführen, um der Agrarpolitik und –verwaltung sowie dem Beratungswesen entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. Sowohl die betrieblichen Rahmenbedingungen und Ursachen, die persönlichen Motive sowie die mannigfaltigen Auswirkungen der Betriebsaufgabe vor allem auf Haushaltsebene sollen prozesshaft (markante Entwicklungsmuster) analysiert werden. Die Arbeit soll dazu beitragen, dass zukünftig einerseits von der Auflassung gefährdete Betriebe mit entsprechenden Interventionsmechanismen wirkungsvoll unterstützt werden können, andererseits im Falle einer unvermeidlichen Betriebsaufgabe entsprechende Beratungs- und Informationsangebote einen geregelten und geordneten Ablauf garantieren. Zusätzlich sollte auch der Neueinstieg in die Landwirtschaft (Übernahme des gesamten Hofes außerhalb der Erbfolge) erleichtert werden.

Berichte

Abschlussbericht , 30.11.2004

Kurzfassung

Den Kern dieser explorativ-qualitativen Studie bildet eine Befragung von ehemaligen BetriebsleiterInnen in den beiden Regionen Westliches Nordtirol und Weinviertel mittels Tiefeninterviews. Abgerundet werden diese Analysen durch sekundärstatistische Auswertungen der ausgeschiedenen landwirtschaftlichen Betriebe zwischen 1995 und 1999 (LFBIS Sonderauswertungen), ExpertInneninterviews sowie ausführlichen Literaturrecherchen. Ergänzt durch Kontextanalysen zum agrarischen Strukturwandel werden abschließend Strategieansätze zur Vermeidung von unfreiwilligen Betriebsaufgaben, zur Moderation von unvermeidbaren bzw. freiwilligen Betriebsauflassungen sowie zur Erleichterung des Neueinstiegs in die Landwirtschaft vorgestellt und Eckpunkte eines betriebsaufgabe-spezifischen, integralen Beratungskonzeptes skizziert. Im Prozess der Betriebsaufgabe werden zentrale Fragestellungen wie die • Hofübernahme • Hofnachfolge • Gründe und Motivationen der Betroffenen, den Betrieb aufzugeben • typische Muster der Betriebsaufgabe • ökonomische und sozialpsychologische Konsequenzen dieser Lebenszäsur anhand von Tiefeninterviews ehemaliger BetriebsleiterInnen beantwortet. Der Prozess der Betriebsaufgabe zeigt bezüglich der vorhergehenden Betriebsentwicklung kein einheitliches Muster. Sowohl Stagnations- (Kontinuität bis zum Pensionsantritt), Expansions-/Intensivierungs- (Professionalisierung mit Überschuldung), Extensivierungs- (Arbeitserleichterung und Nebenerwerb) und Marginalisierungsphasen (gezielter Betriebsrückbau) können einer Betriebsaufgabe vorangehen. Betriebsaufgaben können freiwillig oder unfreiwillig stattfinden und unvorhergesehen oder geplant ablaufen. Meist erfolgen Hofauflassungen mit dem Eintritt der BetriebsleiterIn in den Ruhestand. Sie können aber auch frühzeitig (z.B. Verschuldung, Krankheit oder Todesfall) oder nach der Pensionierung (Pensionistenbetriebe) stattfinden. Die endgültige Trennung vom landwirtschaftlichen Betrieb bildet bei Vielen den schmerzhaften Schlusspunkt am Ende jahrelanger Arbeitsüberlastung und verzweifelter Versuche, den Hof doch noch zu erhalten. Damit verbunden sind oft eine Bedrohung der Existenz, finanzielle Probleme und Unsicherheiten bezüglich der weiteren Lebensgestaltung. Die Frage nach der Notwendigkeit eines speziellen Beratungsangebotes für Betriebsaufgaben wird unterschiedlich gesehen. Bei hoch verschuldeten Betrieben wird dies als sinnvoll empfunden, vor allem eine psychologische Betreuung wäre in familiären Extremsituationen hilfreich. Kleinbetriebe ohne spezielle Probleme bei der Auflassung des Betriebes hingegen urgieren so eine Spezialberatung nicht. Ein Problem dürfte auch sein, dass sich viele BäuerInnen in dieser heiklen Situation nicht an die Offizialberatung der Landwirtschaftskammern wenden wollen. Das Thema Betriebsaufgabe ist in der agrarpolitischen Diskussion in gewisser Hinsicht ein Tabuthema, da die große Anzahl der jährlich ausscheidenden Betriebe die aktuellen agrarpolitischen Ziele einer flächendeckenden bäuerlichen Landwirtschaft konterkariert. So benachteiligt etwa das Flächen bezogene Förderungssystem die am meisten gefährdete Gruppe der Kleinbetriebe. Seitens der Interessensvertretung (Landwirtschaftskammer) wird diese Thematik auch deshalb nicht offensiv gehandhabt, weil kein Interesse an der Reduktion der Mitglieder und den damit verbundenen Konsequenzen besteht. Man fühlt sich für Betriebsaufgaben nicht verantwortlich, man will die Betriebe nicht aktiv aus der Landwirtschaft „hinausberaten“. Eine derartige Sichtweise kann aber Betriebsaufgaben nicht verhindern, sondern kann aufgrund zu später oder ungeordneter Betriebsaufgaben sowohl finanzielle als auch psychosoziale Situation der betroffenen Personen verschärfen. Aus diesem Blickwinkel wäre daher eine offene Diskussion über zukünftige agrarpolitische Strategien und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft (Strukturwandel) und die einzelnen Betriebe (Betriebsaufgaben) notwendig. Den Betrieben müssen zukünftig die Problematik des Strukturwandels und dessen individuelle Gefahren und Chancen als Orientierungshilfe zur weiteren Lebensplanung transparent und objektiv vermittelt werden. Prinzipiell sind zur Entschärfung des Problemfeldes Betriebsaufgaben bzw. des agrarischen Strukturwandels folgende drei Strategieansätze zielführend: 1. Vermeidung von unfreiwilligen Betriebsaufgaben 2. Moderation von freiwilligen bzw. nicht zu vermeidenden Betriebsaufgaben 3. Förderung des Neueinstieges in die Landwirtschaft Agrarpolitische Strategien zur Eindämmung bzw. Moderation von Betriebsaufgaben betreffen das gesamte agrar-, regionalwirtschaftliche und umweltpolitische Spektrum und erfordern eine entsprechende Anpassung des landwirtschaftlichen Beratungswesens. Zur Prävention von Betriebsaufgaben bietet die Kammer bzw. die Landwirtschaftlichen Fortbildungsinstitute (LFI: Weiterbildungseinrichtungen der Kammern) eine breite Palette an Informationsmaterial und Beratungspaketen an. Im Problembereich Betriebsaufgabe in Österreich bestehen aber, im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz, bezüglich spezieller Informations- und Beratungsangebote große Defizite. Speziell Informations- und Beratungsangebote zum Problemfeld Betriebsaufgabe sollten in dieses Beratungskonzept integriert werden. Nach Entwurf eines speziellen Beratungskonzeptes (Ziele, Aufgaben, Inhalte, Struktur, Finanzierung etc.) sollten auf Länderebene entsprechende Organisationsmodelle für Beratungs- und Koordinationsstellen geschaffen werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich das Beratungswesen in Hinblick auf die sich rasch verändernden Rahmenbedingungen und damit verbundenen Problemlagen durch die Entwicklung integraler Beratungsmodelle konzeptionell in die richtige Richtung entwickelt. Bei der zukünftigen Entwicklung und Umsetzung des integrierten Beratungsmodells 'Lebensqualität Bauernhof' muss daher speziell auch der sensible, immer noch tabuisiere Problembereich der Betriebsaufgabe Berücksichtigung finden und mittels spezifischen Informations- und Beratungsangebote in dieses Konzept integriert werden.