OptiFeedCalf: Gesunde und leistungsstarke Kälber durch eine optimierte Kälberfütterung
Projektleitung
Theresa Berger
Forschungseinrichtung
Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein
Projektnummer
102136Projektlaufzeit
-
Finanzierungspartner
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft
Allgemeine Projektinformationen
Abstract (deutsch)
Seitens der Landwirtschaftskammer Österreich und auch von internationaler Seite, wie z.B. beim Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen der Schweiz, wird empfohlen, dass Kälber rasch zu Wiederkäuern erzogen werden und möglichst bald größere Mengen Festfutter aufnehmen sollten.
Momentan überwiegt gerade in der Kälberaufzucht und Kälbermast der Anteil an Kraftfutter gegenüber dem Grundfutter, was zu einer sehr niedrigen metabolischen Konvertierungsrate von Futterenergie zu Lebensmittelenergie resultiert (FAO, 2006). Auch aus physiologischen Gesichtspunkten ist die Verfütterung von stärkereichen Kraftfuttermitteln an Wiederkäuer bedenklich, da die Aufnahme großer Mengen Stärke zu einem Absinken des Pansen-pHs führt und eine subakute Pansenazidose mit schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen hervorrufen kann (ZEBELI und METZLER-ZEBELI, 2012).
Dieses Projekt soll beantworten, welchen Einfluss die Verfütterung von qualitativ hochwertigen Stroh statt Heu auf die Akzeptanz durch die Kälber und in weiterer Folge auf deren Leistungen hat, ob die Darreichungsform des Kraftfutters Einfluss auf die Nahrungsaufnahme hat und ob auch mit reduzierten Kraftfutteranteilen in der TMR ähnliche Leistungen hervorgerufen werden können, wie mit der hierzulande standardmäßig gefütterten Variante mit ca. 75 % Kraftfutteranteil.
Schlagwörter (deutsch)
Kälberfütterung, Kraftfutter, Kälber-TMR, Sauermilchtränke
Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)
Titel (englisch)
Healthy and productive calves through an optimized calf feed
Abstract (englisch)
The Austrian Chamber of Agriculture and international organisations, such as the Swiss Food Safety and Veterinary Office, recommend that calves should be raised quickly to become ruminants and should consume larger quantities of solid feed as soon as possible.
Currently, especially in calf rearing and calf fattening, the proportion of concentrated feed predominates over forage, which results in a very low metabolic conversion rate from feed energy to food energy (FAO, 2006). The feeding of starch-rich concentrates to ruminants is also questionable from a physiological point of view, as the intake of large amounts of starch leads to a drop in rumen pH and can cause subacute rumen acidosis with serious health consequences (ZEBELI and METZLER-ZEBELI, 2012).
This project aims to find out what influence the feeding of high-quality straw instead of hay has on acceptance by the calves and subsequently on their performance, whether the form of presentation of the concentrate has an influence on food intake and whether similar performance can be achieved with reduced concentrate proportions in the TMR as with the standard variant fed in this country with approx. 75% concentrate content.
Schlagwörter (englisch)
calf rearing
Projektziele
Hauptziel dieser Studie ist, eine derzeit weit verbreitete Fütterungsstrategie für Aufzuchtkälber zu evaluieren und noch besser an den Bedarf der Kälber anzupassen. In diesem Projekt sollen die Futteraufnahme, die Gewichts-, Stoffwechsel- und Körperentwicklung von Aufzuchtkälbern sowie die Entwicklung des Pansenökosystems und des Pansenepithels und die Folgen für die Pansengesundheit dieser Tiere unter verschiedenen Fütterungsbedingungen untersucht werden. In diesem Sinne soll die Entwicklung von Kälbern mit typischer Starterfütterung, d.h. Futter mit einem Kraftfutteranteil von ca. 75 % einer Fütterung mit reduziertem Kraftfutteranteil (25 % und 50 %) gegenüberstellt werden. Außerdem sollen verschiedene Arten von Raufutter (Heu und Stroh) und verschiedene Verarbeitungsformen (geschrotet vs. gegrützt) in der Kälber-TMR verglichen werden. In einem vorangegangenen Projekt unserer Arbeitsgruppen („HealthyCalf“, Terler et al., 2022) wurde unter anderem eine grundfutterbasierte Ration ohne Kraftfutter gefüttert. In der Versuchsgruppe, die nur Heu normaler Qualität bekommen hat, lagen die täglichen Zunahmen weit unter denen der Gruppe, die rein mit qualitativ-hochwertigem Heu, sogenanntem „Zuckerheu“ gefüttert wurden oder die zusätzlich zum „normalen“ Heu 70 % Kraftfutter in der TMR bekommen hatten. Wenig bekannt ist aber, ab welchem Verhältnis von Kraftfutter zu Grundfutter die täglichen Zunahmen sinken und wie sich ein Absenken des Verhältnisses auf die Zusammensetzung des Gastrointestinaltraktes und den Stoffwechsel der Kälber auswirkt. Unseren Hypothesen für das vorliegende Projekt zufolge, lässt sich der Einsatz von Kraftfutter in der Kälberfütterung reduzieren, es werden trotzdem gute tägliche Zunahmen und eine Verbesserung der Pansengesundheit durch eine wiederkäuergerechtere Ration erreicht.
Die Fütterung von Raufutter entspricht den physiologischen Bedürfnissen eines Wiederkäuers, jedoch wird meist ein gewisser Anteil an Kraftfutter eingesetzt, da sie das Kalb zur festen Nahrungsaufnahme animieren und dadurch für die erfolgreiche Zucht nötige tägliche Zunahmen generieren. Kraftfutter führt zwar zu einer gesteigerten Entwicklung der Pansenzotten, diese übermäßige Ausbildung der Zotten ist für das Rind als Raufutterverwerter aber nicht essentiell (Leiber, 2014). Eine Verfütterung von Kraftfutter an Wiederkäuer ist somit im gewissem Maß für die schnelle Entwicklung des jungen Kalbes wichtig, jedoch sollte – gerade auch im Hinblick auf die wachsende Nahrungsmittelkonkurrenz (TAUBE et al., 2016; ERTL et al., 2015) und um frühzeitig die Entwicklung von Pansenazidosen zu stoppen eine Anpassung des Kraftfutteranteils erfolgen.
Die detaillierten Hypothesen dieses Projektes sind:
Hypothese 1: Durch die Verringerung des Kraftfutteranteils in der TMR können das Risiko der Entstehung einer Pansenazidose und -hyperkeratose bei Aufzuchtkälbern gesenkt werden, ein gesundes Pansenökosystem entstehen und trotzdem für die Zucht nötige tägliche Zunahmen (850-900 g Tageszunahme bis zu 14. Lebenswoche) generiert werden.
Hypothese 2: Durch die Verringerung des Kraftfutteranteils wird das Fress- und Wiederkauverhalten von Kälbern gefördert, welches wiederum wichtig für die Pansengesundheit und Entwicklung des Gastrointestinalstraktes ist und Beschäftigung für das Tier bietet, so dass Stress und Verhaltensstörungen (Zungeschlagen, Besaugen, leeres Kauen) vermieden werden kann.
Hypothese 3: Eine Veränderung der Verarbeitungsform des Kraftfutters (geschrotet oder gegrützt) verändert die tägliche Nahrungsaufnahme des Kalbes oder die Entwicklung und die Zusammensetzung des Gastrointestinaltrakts nicht und bewirkt keine verstärkte Futterselektion.
Hypothese 5: Eine Fütterung mit Stroh als Grobfutter liefert bei gleichem Kraftfutteranteil ähnliche Ergebnisse wie die Fütterung mit Heu und es entstehen dadurch keine tiergesundheitlichen Nachteile für das Kalb.
Um die aufgestellten Hypothesen zu beweisen, soll ein Fütterungsversuch mit je 25 weiblichen Kälbern der Rassen Fleckvieh und Holstein Friesian sowie 25 männlichen Holstein-Friesian Kälbern an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein durchgeführt werden. Die Kälber werden unmittelbar nach der Geburt einer von fünf Versuchsgruppen zugeteilt, um die Auswirkungen der Fütterung, d.h eine Kraftfutter-reduzierte Fütterung, die Fütterung mit verschiedenen Verarbeitungsformen des Kraftfutters (geschrotet vs. gegrützt) und verschiedene Arten des Grundfutters (Stroh vs. Heu) auf das Wachstum und die Pansen- und Tiergesundheit zu untersuchen. Im Anschluss an den Fütterungsversuch werden die männlichen Kälber geschlachtet, um die Auswirkungen der Fütterung auf die Pansen- und Darmphysiologie und –histologie bzw. -stoffwechsel genauer untersuchen zu können. Zusätzlich werden Pansensaft- und Digestaproben des Pansens entnommen, um eine Analyse des pH-Wertes und dem Gehalt an Ammoniak und SCFAs durchführen zu können. Diese Analysen werden in der Analytik der HBLFA Raumberg-Gumpenstein durchgeführt. Die Entwicklung des Wiederkauverhaltens bei Kälbern ist bislang noch wenig erforscht. Weiterführende Analysen von Pansen- und Darmphysiologie und –histologie bzw. -stoffwechsel werden durch die Kooperationspartner in Wien durchgeführt. Diesbezüglich wird ein eigenes Projekt eingereicht. Es ist bekannt, dass Tiere, die Raufutter angeboten bekommen, mehr wiederkauen als Kälber, die ausschließlich Kälberstarter fressen (CASTELL et al., 2012). Im vorangegangenen Projekt „HealthyCalf“ (Terler et al., 2022) wurde dies auch bestätigt. Dort wurde bei ausschließlicher Raufutterfütterung eine wesentlich längere Wiederkauzeit in den ersten 14 Lebenswochen festgestellt als bei den Gruppen, denen zusätzlich Kraftfutter zum Grundfutter angeboten wurde. Hier sollen durch dieses Projekt weitere Ergebnisse zur Entwicklung des Wiederkauens sowie der Vermeidung von Stress und Verhaltensanomalien bei Kälbern generiert werden.
Praxisrelevanz
Seitens der Landwirtschaftskammer Österreich und auch von internationaler Seite, wie z.B. beim Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen der Schweiz, wird empfohlen, dass Kälber rasch zu Wiederkäuern erzogen werden sollten und möglichst bald Kraftfutter und Raufutter aufnehmen. Die Verfütterung von Trocken-TMR (Totalmischration) für Kälber wird immer populärer. Der Hauptbestandteil der Trocken-TMR ist Getreide. Etwa 10 bis 30 % fein gehäckseltes Futterstroh oder Heu als Grundfutterbasis werden mit Kraftfutter und Melasse einheitlich vermischt und den Tieren hauptsächlich während der Tränkephase als „Gesamtpaket“ vorgelegt. Die Fütterung von Kraftfutter an Wiederkäuer gerät allerdings immer mehr in die wissenschaftliche und öffentliche Kritik, da die Verfütterung von Getreide an Nutztiere in direkter Lebensmittelkonkurrenz zum Menschen steht und den Druck auf die landwirtschaftlichen Produktionsflächen erhöht (ERTL et al. 2015; TAUBE et al., 2013). Vor allem geht die Bedeutung der Rinder als Wiederkäuer verloren, wenn sie mit stärkereichen Getreiden gefüttert werden. Wiederkäuer sind evolutionsbedingt optimal an die Verwertung von zellulosereichem Pflanzenmaterial, d.h. vor allem an Gräser, angepasst, welche wiederum für den Menschen als Nahrungsquelle ungeeignet sind. Das komplexe mikrobielle Ökosystem des Pansens ermöglicht es den Rindern, Energie aus dem Fasermaterial zu gewinnen und in wertvolles Protein umzuwandeln, welches für den Menschen in Form von Milch oder Fleisch als Nahrung von Nutzen ist (KNAUS, 2008; CLAUSS et al., 2010). Eine vor einigen Jahren erschienene österreichische Studie belegt die Wichtigkeit der Grasland-basierten Fütterung an Milchkühe und ihren Beitrag zur Netto-Lebensmittelproduktion (ERTL et al., 2015).
Momentan überwiegt gerade in der Kälberaufzucht und Kälbermast der Anteil an Kraftfutter gegenüber dem Grundfutter, was zu einer sehr niedrigen metabolischen Konvertierungsrate von Futterenergie zu Lebensmittelenergie resultiert (FAO, 2006). Auch aus physiologischen Gesichtspunkten ist die Verfütterung von stärkereichen Kraftfuttermitteln an Wiederkäuer bedenklich, da die Aufnahme großer Mengen Stärke zu einem Absinken des Pansen-pHs führt und eine subakute Pansenazidose mit schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen hervorrufen kann (ZEBELI und METZLER-ZEBELI, 2012).
Dieses Projekt soll beantworten, welchen Einfluss die Verfütterung von qualitativ hochwertigen Stroh statt Heu auf die Akzeptanz durch die Kälber und in weiterer Folge auf deren Leistungen hat, ob die Darreichungsform des Kraftfutters Einfluss auf die Nahrungsaufnahme hat und ob auch mit reduzierten Kraftfutteranteilen in der TMR ähnliche Leistungen hervorgerufen werden können, wie mit der hierzulande standardmäßig gefütterten Variante mit ca. 75 % Kraftfutteranteil. Viele Studien haben die Entstehung von Pansenazidosen bei Milchkühen und Mastrindern untersucht, aber es gab bis zum Projekt „HealthyCalf“ (Terler, 2022) kaum Untersuchungen bei Aufzuchtkälbern, die noch in der Tränkephase sind. Dort wurde festgestellt, dass die Fütterung von sehr hochwertigem Heu („Zuckerheu“) die frühe Aufnahme hoher Festfuttermengen unterstützte. Das spiegelte sich in einer verbesserten Fermentation und in einem verbesserten Darmökosystem wieder, wohingegen eine reine Fütterung mit „normalem“ Heu zu hohen Einbußen bei der Futteraufnahme und den täglichen Zunahmen führte. Noch ist weiterhin wenig darüber bekannt, wie sich die frühe fütterungsabhängige Pansenentwicklung und das damit verbundene mikrobielle Ökosystem und das Pansenepithel mit den zugehörigen Absorptionsmechanismen auf die Gesundheit und Leistung der Tiere auswirkt. Von daher wird dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Fütterungseinflusses auf die Pansenentwicklung und Tiergesundheit leisten, mit dem Ziel nachhaltige landwirtschaftliche Produktionssysteme zu fördern.