FETALSENS: Senkung der Totgeburtenrate beim Rind durch Entwicklung eines Systems zur automatischen Erfassung des fetalen EKGs
Projektleitung
Thomas Wittek
Forschungseinrichtung
Veterinärmedizinische Universität Wien
Projektnummer
101984Projektlaufzeit
-
Finanzierungspartner
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft
Allgemeine Projektinformationen
Abstract (deutsch)
Bei der Geburt von Kälbern kann es zu zahlreichen Problemen kommen, die teilweise schwerwiegende Konsequenzen (z. B. Aspiration von Fruchtwasser, Todgeburten durch Asphyxie/Hyperkapnie oder nachfolgende Erkrankungen des Muttertieres) nach sich ziehen. Durch eine entsprechende Früherkennung kritischer Situationen können in vielen Fällen Maßnahmen, wie zum Beispiel ein Kaiserschnitt in die Wege geleitet werden und damit das Leben von Kalb und Mutter erhalten werden. Ein wesentlicher Faktor ist das korrekte Erkennen der Notwendigkeit des Zeitpunktes der Geburtshilfe. Die Beurteilung der Situation stützt sich bisher auf die Beobachtung des Muttertieres durch die Landwirtinnen und Landwirte, die mit und ohne Hilfsmittel erfolgen kann. Die bisher beim Rind eingesetzten elektronischen Instrumente, basieren lediglich auf der Erfassung von Geburtsanzeichen bei den Müttern. Die Tierbeobachtung und die gegenwärtig verfügbaren Tools zur Erkennung und Überwachung der Geburt, erfassen jedoch gegenwärtig keine fetalen Parameter, wie das in der Humanmedizin z. B. mittels der Erfassung der fetalen EKGs beim CTG routinemäßig erfolgt.
Die zurzeit in der Veterinärmedizin verfügbaren Systeme zur Erfassung des fetalen EKGs (z. B. Televet 100) sind für experimentelle Untersuchungen konzipiert. Sie sind nicht miniaturisiert, können nicht längerdauernd und unbeaufsichtigt am Tier verbleiben, erlauben keine automatisierte Fernübertragung bzw. Entscheidungshilfen und besitzen keine Alarmfunktionen. Daher ist die Anwendung in der Praxis beim Rind nicht etabliert.
Das kontinuierliche EKG der ungeborenen Kälber kann zusätzliche Informationen zur Entscheidungsfindung in der Geburtshilfe liefern, was die Todgeburtenrate und Schäden am Muttertier reduzieren kann. Dieses System ist in Kombination mit den Systemen, welche die Geburtsanzeichen bei der Mutter erfassen, anwendbar.
Das Projekt soll die Voraussetzungen für eine automatisierte kontinuierliche Überwachung der Herztätigkeit des noch ungeborenen Kalbes schaffen, die Geburtsüberwachung in den landwirtschaftlichen Betrieben verbessern und Entscheidungshilfen für das tierärztliche Vorgehen etablieren. Damit besteht die Möglichkeit die Geburtskomplikationen und die Todgeburtenrate zu senken. Das Projekt soll die Voraussetzung dafür schaffen, dass in Zukunft durch die Miniaturisierung eine Datenübertragung auf Endgeräte (Mobiltelefone, Computer) stattfinden kann, um eine einfache und sichere Anwendung zu gewährleisten.
Schlagwörter (deutsch)
Dystokie, Totgeburten, fetales EKG, Früherkennung
Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)
Titel (englisch)
Reduction of stillbirth rate in cattle by development of an automatic system measuring fetal ECG
Abstract (englisch)
Numerous problems may occur during parturition, which can have serious consequences (e.g. aspiration of amniotic fluid, stillbirths or subsequent diseases of the cow). Appropriate early recognition of critical situations can in many cases initiate measures, such as cesarean section, and thus preserve the life of calf and mother. An essential factor is the correct recognition of the need for the timing of obstetric intervention. Up to now, the assessment of the situation has been based on the farmer's observation of the mother animal, which can be done with or without aids. The electronic instruments used so far in cattle, are based only on the recording of birth signs in the mothers (e.g. measurement of body temperature, recording of changes in behavior, measurement of changes in the external genitalia). However, animal observation by farmers and the tools currently available to detect and monitor birth, do not currently record fetal parameters, as is routinely done in human medicine, for example, by means of recording fetal ECGs during CTG.
The systems currently available in veterinary medicine for recording the fetal ECG (e.g. Televet 100) are essentially designed for experimental studies. They are not miniaturized, cannot remain on the animal unattended for long periods, do not allow automated remote transmission or decision support, and have no alarm functions. Therefore, their use in cattle practice is not established.
Continuous monitoring of the ECG of unborn calves can provide additional information for decision making in obstetrics, which can reduce the stillbirth rate and damage to the cows. This system is applicable in combination with the systems that record the birth signs in the mother. The novelty value lies in the measurement and processing of parameters automatically derived from the calf, which allow conclusions about the vitality of the calf or the need for obstetric intervention.
The project aims to create the conditions for automated continuous monitoring of the heart activity of the still unborn calf during the birth period, to improve birth monitoring on farms and to establish new decision-making aids for veterinary procedures in obstetrics. This has the potential to reduce birth complications and the stillbirth rate. The project is intended to create the prerequisite for data transfer to terminal devices (cell phones, computers) in the future due to miniaturization, in order to ensure simple and safe application.
Schlagwörter (englisch)
dystocia, stillbirth, fetal ECG, early detection
Projektziele
Das Projekt hat folgende Ziele:
1.Fetale EKG-Daten während ungestörter Trächtigkeiten und Geburten aufzuzeichnen
2. Referenzdaten hinsichtlich fetaler EKGs beim Kalb zum Ende der Trächtigkeit und bei physiologischen Geburten zu sammeln.
3. Fetale EKG-Daten bei Dystokien aufzuzeichnen
4. Grundlagen für ein mobiles Gerät zu entwickeln und beim Rind zu validieren, das die pränatale Überwachung des Fötus im Mutterleib mittels fetalen EKG ermöglicht, ähnlich wie es auch in der humanmedizinischen Geburtsüberwachung üblich ist.
Um diese Ziele zu erreichen und die Anwendung möglichst benutzerfreundlich und minimal invasiv zu gestalten, soll eine Wearable Technologie entwickelt werden. Es soll ein Gerät entwickelt werden, das am Tier über mehrere Stunden bzw. Tage verbleiben und die fetale Herzschlagrate messen kann. So sollen pathologische Veränderungen, ähnlich dem Cardiotokogramm („Wehenschreiber“, CTG) in der Humanmedizin, detektiert werden. In Zukunft soll es so möglich sein, einen Alarm auf ein Empfängergerät (Mobiltelefon der/des Landwirtin/Landwirts) zu senden. Dies soll es Landwirtinnen und Landwirten sowie Tierärztinnen und Tierärzten auf einfache und benutzerfreundliche Weise ermöglichen, Totgeburten zu verhindern bzw. deren Anzahl zu verringern. Die Herausforderung bei der technischen Entwicklung besteht in der Tatsache, dass zwar einzelne Komponenten bereits existieren, jedoch die Anwendung am Wiederkäuer einerseits durch anatomische Verhältnisse erschwert ist, als auch die dauerhafte Anbringung am Tier mit durchgehender Messung besonders in modernen Laufställen bislang nicht möglich ist.
Dazu sind bereits folgende Vorarbeiten durchgeführt worden:
Die bisherigen Vorarbeiten umfassen eine Literaturrecherche, die Erstellung des Projektplanes sowie eine technische Machbarkeitsanalyse. Für die Anschaffung der technischen Hilfsmittel und die Durchführung der Pilotuntersuchungen in Zusammenarbeit der Vetmeduni (TW) der Tierarztpraxis Enichlmayr (JE) mit der Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH (SK, SB und SM) wurde vom Land Salzburg eine Anfangsförderung gewährt.
Es konnten bereits erste Erfahrung mit dem System Televet 100 in einer Pilotmessung an trächtigen Kühen gesammelt werden.
Ein alternatives Sensorsystem (Bitalino (R)evolution LTE Plugged board + 2x ECG-Sensoren; Bitalino), welches sich als Sensortechnologie zur Integration in tragbare Gurte für Langzeit-EKG-Monitoring gut eignen könnte, wurde bereits in einer Pilotmessung als Proof-of-Concept zum Vergleich gegenüber dem Televet 100 System (Televet) getestet. In dieser Pilotmessung wurden die Elektroden der beiden Messsysteme an übereinstimmenden Positionen angebracht, um synchron EKG-Daten aufzuzeichnen. Während sich im maternalen EKG die Ähnlichkeit der Signale bzw. Herzfrequenz visuell feststellen lässt, zeigt das Bitalino Maternal&Fetal-Signal ein verrauschtes Signal, aus dem sich keine Frequenzen ablesen lassen. Daraus lässt sich schließen, dass im Televet-Signal Filter angewendet werden, um Rauschen sowie Frequenzen außerhalb der erwarteten maternalen und fetalen Herzfrequenzen herauszufiltern, sodass auch ein rein fetales Signal extrahiert werden kann.
Nach der Durchführung einer Literaturrecherche wurden relevante Frequenzbänder (angegeben in beats per minute (bpm)) für maternale und fetale EKGs bestimmt: 75 – 101 bpm (maternal) und 115 – 145 bpm (fetal) (Trenk et al., 2015). Daraufhin wurden die Signale mittels einem Zero-Lag Butterworth Bandpass Filter zweiter Ordnung mit den zutreffenden Grenzfrequenzen für das maternale und fetale Signal gefiltert und durch eine Fast Fourier Transformation (FFT) die dominanten Frequenzen in den gefilterten Signalen bestimmt (Abbildung 2). Dadurch werden Störsignale, wie z. B. allgemeine Muskelaktivitäten der Kuh, herausgefiltert und es bleiben nur die relevanten EKG-Frequenzen erhalten.
Bei Bestimmung der dominanten Frequenz durch eine Peak-Detektion in den Frequenzspektren können folgende Frequenzen bestimmt werden:
• Televet Maternale Herzfrequenz: 81 bpm
• Bitalino Maternale Herzfrequenz: 81 bpm
• Televet Fetale Herzfrequenz: 114 bpm
• Bitalino Fetale Herzfrequenz: 123 bpm
Während die maternale Herzfrequenz in beiden Sensorsystem genau übereinstimmt, weicht die fetale Herzfrequenz um 9 bpm ab. Dennoch stimmt die zweitdominanteste Frequenz im fetalen Televet Signal mit der dominantesten fetalen Bitalino Herzfrequenz (123 bpm) genau überein. Dieser Abweichungseffekt muss in weiteren Experimenten untersucht werden. Diese Analyse wurde mit Daten aus einem 20 Sekunden Ausschnitt mit guter Signalqualität durchgeführt. Die Signalqualität hängt stark von der richtigen Positionierung und Haftung der Elektroden an der Haut ab. Daher muss das Bitalino-System robust in einen tragbaren Gurt integriert werden, sodass die Elektroden positionsgetreu mit stabiler Haftung an der Haut anliegen und Messungen mit hoher Signalqualität gewährleistet werden können. Durch eine erweiterte referenzierte Datenaufzeichnung kann ein (intelligenter) adaptiver Bandpass-Filter entwickelt werden, sodass die Ermittlung der Herzratenvariabilität sowie eine Abweichung der Herzrate vom gewöhnlichen Frequenzband erkannt und an Systemanwender in Echtzeit gemeldet werden kann.
Praxisrelevanz
Die Forschungsergebnisse können bei erfolgreichem Verlauf in die Praxis überführt werden. Eine automatisierte kontinuierliche Überwachung der Herztätigkeit des noch ungeborenen Kalbes im Geburtszeitraum verbessert die Geburtsüberwachung in den landwirtschaftlichen Betrieben und dient als Entscheidungshilfe für das tierärztliche Vorgehen in der Geburtshilfe. Damit besteht die Möglichkeit die Geburtskomplikationen und die Todgeburtenrate zu senken. Das schafft die Voraussetzung dafür, dass in Zukunft durch die Miniaturisierung eine Datenübertragung auf Endgeräte (Mobiltelefone, Computer) stattfinden kann, um eine einfache und sichere Anwendung zu gewährleisten.