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DigiTEN: Potentiale digitaler Technologien zur Entschärfung von Nutzungskonflikten zwischen Almwirtschaft und Erholungssuchenden
Projektleitung
Mike Peters
Forschungseinrichtung
Universität Innsbruck
Projektnummer
101701Projektlaufzeit
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Finanzierungspartner
Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
Allgemeine Projektinformationen
Abstract (deutsch)
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Schlagwörter (deutsch)
Almwirtschaft, Tourismus, Nutzungskonflikte, Digitalisierung, Landwirtschaft
Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)
Titel (englisch)
The potential of digital technologies to reduce the conflicts between alpine agriculture and recreational usage
Abstract (englisch)
Mountain areas and alpine outdoors are increasingly demanded by various leisure-seekers such as residents and tourists. Furthermore, agriculture and alpine pastures play an important role in Austria’s mountain areas. In the past two decades, conflicts between these segments and industries intensified, threatening the perceived leisure experiences and leading to numerous dangerous situations. For instance, livestock mountain farmers fear leisure seekers (e.g., hikers or mountain bikers) to be harmed by mother cows and to be blamed for (legal) consequences.
This project will explore the potential of digital technologies to reduce or avoid these conflicts. For this purpose, local knowledge from various stakeholders will be developed to raise up-to-date information about various conflicts and categories of conflicts, such as risks, events, path quality etc. This information will be gathered, managed and communicated using a software application that will be constructed and integrated into existing regional platforms. This project firstly aims at stimulating stakeholders in a minimum of four selected regions in Austria in order to better understand stakeholder conflicts in the mountain areas.
Secondly, the project jointly develops local knowledge that is digitally collected and available for these stakeholder groups. This knowledge needs to be integrated into existing digital tools (e.g., destination apps) to enhance regional information systems and reduce potential trade-offs.
The Department of Strategic Management, Marketing and Tourism (University of Innsbruck), and the sub-partner Lo.La Peak Solutions GmbH cover scientific and digital competencies and implement the following research program: First, an analysis of studies on conflicts based on a systematic literature review will be conducted. Second, four Austrian destinations will be selected in cooperation with the funding authority and third, stakeholders will be interviewed in order to identify regional mountain area conflicts. Following that, a digital regional expert will be assigned in each region to support the development of a first prototype.
This prototype will be tested and implications for the implementation of the software will be presented and disseminated in the regions and all over Austria.
Schlagwörter (englisch)
tourism, use conflicts, digitalization, agriculture, alpin farming
Projektziele
Übergeordnetes Hauptziel des beantragten Projektes ist es, Potentiale digitaler Technologien zur Reduktion bzw. Vermeidung von Nutzungskonflikten zwischen Almwirtschaft und Erholungssuchenden zu identifizieren, den Austausch von Smart Data zu forcieren, mögliche Lösungsansätze zu entwickeln, deren Funktion bzw. Wirkung zu überprüfen und schlussendlich konkrete Handlungsvorschläge im Praxistransfer abzuleiten.
Aus diesem übergeordneten Hauptziel lassen sich detaillierte Teilziele auf technischer, inhaltlicher und strategischer Ebene ableiten, die nachfolgend näher erläutert und beschrieben werden:
Fachlich-inhaltliche Teilziele:
-Planung, Durchführung und Auswertung einer Studie zum Thema “Konflikte zwischen Almwirtschaft und Erholungssuchenden” unter Berücksichtigung aller Stakeholder. Methodisch kommen dabei (qualitative) sozialwissenschaftliche Verfahren zum Einsatz, die darauf abzielen, die beiden nachfolgend beschriebenen Aspekte besser zu verstehen und dabei die Interessenlagen beider Seiten gleichwertig zu berücksichtigen:
Einerseits gilt es, die aktuellen Bedürfnisse der beiden Stakeholdergruppen strukturiert zu erfassen und zu beschreiben. Denn dort, wo es zu Überschneidungen kommt, entstehen mit hoher Wahrscheinlichkeit Nutzungskonflikte. Ziel ist es dabei nicht, Einzelfälle zu identifizieren, sondern vielmehr strukturelle Überschneidungsbereiche herauszuarbeiten und so konkrete Ansatzpunkte zu deren Vermeidung zu identifizieren.
Andererseits werden in der genannten Studie aber auch die konkreten Hürden, die sinnvolles Nebeneinander von Landwirtschaft im Allgemeinen bzw. Almwirtschaft im Speziellen und Erholungssuchenden aktuell vielfach verhindern bzw. einschränken. herausgearbeitet, um so nicht nur die Nutzungskonflikte, selbst, sondern auch deren Ursachen kennenzulernen. Dabei werden einerseits faktische Aspekte berücksichtigt, andererseits aber auch Fragestellungen rund um das derzeitige Kommunikationsverhalten beachtet (angenommen wird eine Informations- und Kommunikations-Asymmetrie zwischen den einzelnen Stakeholdergruppen).
Technische Teilziele:
-Entwicklung eines Informationsdesigns an der Schnittstelle zwischen Almwirtschaft und Erholungssuchenden (Austausch Smart Data): Um erfolgreich zu sein, müssen digitale Lösungen allen beteiligten Nutzergruppen bestmögliche Informationen liefern, ohne sie zu überfordern. Ein solches Informationsdesign umfasst nicht nur eine gemeinsame “Sprache” sowie ein gemeinsames Verständnis von Begrifflichkeiten, sondern auch eine geeignete Bildsprache, um den Informationsaustausch schnell und zielsicher zu ermöglichen. Gerade bei digitalen Systemen, die dazu dienen sollen, Nutzungskonflikte zu entschärfen erscheint dieser Aspekt als absolut zentral und bedeutend für den schlussendlichen Erfolg des Vorhabens. Ein solches Informationsdesign kann Elemente wie Karten, Icons, grafische Lenkungsmaßnahmen oder andere Aspekte beinhalten.
-Entwicklung eines Usability- und Interfacedesigns: Um sicherzustellen, dass alle getesteten Ansätze und Prototypen von Beginn an die maximale Akzeptanz bei den Nutzerinnen und Nutzern erreichen wird ein zielgruppengerechtes Usability- und Interfacedesign entwickelt. Wie genau dieses ausgestaltet sein wird, hängt von den Erkenntnissen der sozialwissenschaftlichen Studie ab. Ergänzend werden die Nutzerinnen und Nutzern beider Stakeholdergruppen laufend in die Entwicklung eingebunden.
-Nutzung niedrigschwelliger Technologien: Neben dem Informations-, Usability- und Interfacedesign, zielt das Vorhaben insbesondere darauf ab, konkrete Lösungsansätze auf Prototypenniveau zu entwickeln und diese umfassend zu testen. Dabei geht es weniger darum, möglichst neue Technologien anzuwenden (bspw. Augmented Reality oder Machine Learning), sondern jene Technologien zu nutzen, die einen möglichst niederschwelligen Zugang für beide Stakeholdergruppen sicherstellen. Nachfolgend sind exemplarisch einige Technologieansätze beschrieben, die aus Sicht der Antragsteller in Frage kommen können:
QR Codes;
Location Based Services, die es ermöglichen, den NutzerInnen Informationen anzuzeigen, die für den aktuellen Standort bzw. die nähere Umgebung verfügbar sind. Dabei werden alle Daten und Informationen in der Datenbank georeferenziert und anschließend (in Abhängigkeit des Standortes, der vom GPS-Modul des Smartphones erfasst wird) ausgegeben;
PWAs die ohne “Umweg” über den Appstore direkt (durch Eingabe eines Links oder scannen eines QR Codes) am Smartphone oder der Smartwatch installiert werden können;
Plattformunabhängige Technologien, die es ermöglichen, ein System zu betreiben das sowohl auf Smartphones, Tablets und Smartwatches mit IOS oder Android Betriebssystemen funktioniert, als auch am heimischen PC oder Laptop direkt über den Browser genutzt werden kann;
offline Verfügbarkeit (auch ohne aufrechte Internetverbindung nutzbar)
Strategische Teilziele:
-Integration und Berücksichtigung aller relevanten Stakeholder aus Landwirtschaft/Almwirtschaft und Tourismus (bei Bedarf ergänzt um weitere Stakeholdergruppen).
-Identifikation und Integration von 3-4 österreichweiten Testregionen (in Absprache mit dem Bundesministerium).
-Sicherstellung der technologischen Transferierbarkeit aller Ergebnisse (unterstützt durch einen entsprechenden Leitfaden zur Einführung des Systems, der auch auf die Schwierigkeiten und Herausforderungen im Zuge der Projektentwicklung eingeht).
-Bereitstellung der gesamten Technologie sowie der im Zuge des Projektes gewonnen (inhaltlichen und technischen) Erkenntnisse an Stakeholder aus Politik, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tourismus, etc. in Form einer Website.
Ziele aus Sicht von Lehre und Forschung:
-Sensibilisierung junger Forscherinnen und Forscher für die Thematik der Nutzungskonflikte.
-Etablierung eines Themenschwerpunktes am Forschungszentrum Tourismus und Freizeit in Kooperation mit dem Forschungszentrum Berglandwirtschaft (Forschungsschwerpunkt Alpiner Raum) der Universität Innsbruck.
-Vermehrte Berücksichtigung der Thematik in der akademischen Lehre und zukünftigen Publikationen.
Praxisrelevanz
Mehr als 8.400 Almen (ca. 450.000 Tiere ) prägen das Landschaftsbild Österreichs und erfüllen nicht nur vielfältige Aufgaben im Kontext von Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Lebensmittelproduktion und dem Schutz vor Naturgefahren, sondern sind auch einer der Beweggründe für einen touristischen Sommeraufenthalt in Tirol (Streifeneder, 2016) sowie beliebter Ort der Freizeitgestaltung der heimischen Bevölkerung. Die Bandbreite dieser “Erholungsnutzung” reicht dabei von Spaziergängen mit Hund über Wanderungen und Mountainbiketouren, bis hin zu nächtlichen Lagerfeuern und Camping.
Die vielfältigen Funktionen der Almwirtschaft sind widersprüchlich und lösen oft gesellschaftliche Grundsatzdiskussionen aus. Das dominierende Thema ist der Konflikt zwischen Almwirtschaft und der zunehmenden Beanspruchung des Naturraumes durch (einheimische und touristisch motivierte) Erholungssuchende (Kühne, 2019) durch:
-Störung des Weidebetriebs durch nicht angepasstes Besucherverhalten,
-Sperren von Almgebieten und damit Verlust wichtiger touristischer Angebote,
-Risiken durch Weidevieh, ausgelöst durch unangebrachtes Verhalten von Besuchern,
-Auflassung der Almbewirtschaftung und damit einhergehender Verlust einer Kulturlandschaft sowie verminderter Schutz vor Naturgefahren,
-Straf- und zivilrechtliche Folgen für Landwirte, ausgelöst durch die Tierhalterhaftung oder die Wegehalterhaftung,
-Verschmutzung der Almgebiete durch Müll,
-Verlust von Weidevieh durch geöffnete Absperrungen,
-Zerstörung der Grasnarbe durch Verlassen der markierten Wanderwege und
-negative mediale Berichterstattung und dadurch ausgelöster Imageschaden von Landwirtschaft und Tourismus.
Die wenigen, wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Hintergründen dieser Konfliktsituationen machen durchwegs die „Informations- und Kommunikations-Asymmetrie“ als Hauptgrund für diese Situation aus: Während es auf Seiten der Almwirtschaft bzw. Landwirtschaft entsprechende Strukturen und Interessenvertretungen gibt, fehlt ein kollektiver Ansprechpartner auf Seiten der Erholungssuchenden und niemand fühlt sich verantwortlich für die Information und Sensibilisierung der Gäste zu sorgen, Verhaltensregeln für das Almgelände aufzustellen bzw. Fehlverhalten zu sanktionieren.
Die wenigen Versuche eine Kommunikation zwischen Almwirtschaft und Gast aufzubauen, passieren sehr einseitig und ohne die jeweils andere Gruppe aktiv mit einzubeziehen, wie nachfolgende Beispiele zeigen:
-Verbots- oder Hinweisschilder stehen erst unmittelbar am Beginn des Almgeländes, was eine Reaktion durch die WanderInnen/MountainbikerInnen erschwert.
-Umgekehrt werden in Internetforen Tipps ausgetauscht, ob/wie man gesperrte Bereiche umgehen kann, ohne diese Lösungen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Almwirtschaft abzustimmen.
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre lassen erwarten, dass immer noch mehr Menschen ihre Freizeit in der alpinen Natur verbringen werden und sich die beschriebenen Nutzungskonflikte somit noch weiter verschärfen. Der Druck auf die beiden Parteien (Landwirtschaft/Almwirtschaft und Erholungssuchende/Tourismus), sich an diese Entwicklungen anzupassen wird somit weiter steigen (Homburg, 2017). Dementsprechend erscheint es zielführend, gemeinsame Konzepte zu entwickeln und Strukturen zu schaffen, um eine Besucherlenkungen auf den heimischen Almen zu etablieren und dabei Besucherinnen und Besucher über die Bedeutung der Almwirtschaft für die Kulturlandschaft, das richtige Verhalten im Weidebereich, den Umgang mit Weidevieh, etc. zu sensibilisieren und den diesbezüglichen Wissensstand zu verbessern.
Die genannten Konfliktbereiche werden zwar medial aufgegriffen, es gibt jedoch kaum fundierte, wissenschaftliche Studien zu den Hintergründen dazu. Noch weniger findet sich in der wissenschaftlichen Literatur, wenn es darum geht, nicht nur die Konfliktsituation an sich zu untersuchen, sondern konkrete Lösungsansätze (unter Einbindung aller Stakeholder) hinsichtlich Eignung, Akzeptanz und Wirksamkeit zu analysieren und damit die Grundlagen für eine Entschärfung der Nutzungskonflikte zwischen Almwirtschaft und Erholungssuchenden zu erarbeiten. Bislang vernachlässigt wurde zudem das enorme Potential digitaler Lösungen, wenn es darum geht, die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Gruppen zu etablieren und sicherzustellen, dass aktuelle, lokale Informationen jederzeit verfügbar sind (Peters et al. 2017).
Das Projekt greift dieses Potential auf und untersucht, ob digitale Systeme dazu genutzt werden können, die Nutzungskonflikte zwischen Almwirtschaft und Tourismus zu reduzieren, und welche Technologien, Systeme, Tools, etc. dafür grundsätzlich geeignet wären und wie diese ausgestaltet sein müssen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Damit trägt das Projekt wesentlich dazu bei, einen der zentralen Nutzungskonflikte der Landwirtschaft zu entschärfen und hat Potential, die beiden Sektoren langfristig und gegenseitig zu integrieren.
Berichte
Kurzfassung
Berichtsdateien
Abstract (deutsch)
Das Projekt DIGITEN konzentrierte sich in seinen Arbeiten auf die Identifikation von Konfliktpotenzialen am Berg mit dem Ziel, diese durch digitale Potenziale zu beeinflussen. Gemeinsam mit 4 Partnerregionen in Österreich wurden in mehreren Arbeitsschritten den Konflikten am Berg nachgegangen. Kern der Ergebnisse war, dass das Bewusstsein zu Konflikten am Berg zwischen Stakeholder und Erholungssuchenden (und auch untereinander) geschärft werden sollte, da dies den Ursprung der Konflikte an sich darstellt. Es ist grundsätzlich zu wenig Wissen über die Konflikte am Berg vorhanden bzw. nur sehr einfältig und nach Konfliktereignis definierbar (zB Wolf, Bär, Kuhattacke,...). Dieses Ergebnis wurde anhand eines digitalen Prototypenprozesses weiter verfolgt und ausgebaut. Es entstand aus dem Projekt DIGITEN ein digitaler Prototyp zur Bewusstseinsbildung für Konflikte am Berg, einsetzbar für jede Altersstufe. Der Prototyp wurde bewusst auch für das Kinder- und Jugendalter konzipiert, um bereits die Jüngsten in der Bevölkerung in dieser Themenstellung zu sensibilisieren. Abgerundet wurde das Projekt durch einen Evaluierungsprozess, bei dem neben Workshops mit Erwachsenen auch Veranstaltungen an Schulen in den Partnerregionen durchgeführt wurden. Nach Projektende steht der digitale Prototyp unentgeltlich allen Nutzergruppen zur Verfügung. Der Projektpartner — Universität Innsbruck — ist bemüht weitere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in diesem Kontext umzusetzen, um das fachliche KnowHow darin zu verbessern.
Abstract (englisch)
The DIGITEN project focused its work on identifying potential conflicts in the mountains with the aim of influencing them through digital potential. Together with 4 partner regions in Austria, the conflicts on the mountain were investigated in several work steps. The core of the results was that awareness of conflicts on the mountain between stakeholders and those seeking recreation (and among themselves) should be raised, as this is the source of the conflicts themselves. There is generally too little knowledge about the conflicts on the mountain or they can only be defined in a very simple way and according to the conflict event (e.g. wolf, bear, cow attack, etc.). This result was further pursued and developed using a digital prototype process. The DIGITEN project resulted in a digital prototype for raising awareness of conflicts in the mountains, suitable for all age groups. The prototype was also deliberately designed for children and young people in order to sensitize even the youngest members of the population to this topic. The project was rounded off with an evaluation process, which included workshops with adults and events at schools in the partner regions. At the end of the project, the digital prototype will be available to all user groups free of charge. The project partner — the University of Innsbruck — is endeavoring to implement further research and development activities in this context in order to expand the professional knowledge base.
Autor/innen
Peters, M. Ortner, S.