AMMORE: TdRF2023_Praxistaugliche Reduktion und Inwertsetzung von Ammoniak-Emissionen in landwirtschaftlichen Betrieben
Projektleitung
Florian Gattermayr
Forschungseinrichtung
tbw Research GesmbH
Projektnummer
101974Projektlaufzeit
-
Finanzierungspartner
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft
Allgemeine Projektinformationen
Abstract (deutsch)
Die Erreichung der im Emissionsgesetz-Luft 2018 festgelegten, quantitativen Ziele bei der Reduktion von Ammoniak-Emissionen stellen insbesondere den landwirtschaftlichen Sektor vor große Herausforderungen. Im Projektvorhaben wird daher ein praxistauglicher Ansatz verfolgt, welcher zu einer effektiven Senkung von Ammoniak-Emissionen führt und gleichzeitig regionale Wertschöpfung generiert. Konkret werden saure landwirtschaftliche Nebenprodukte genutzt, um Ammoniak aus Wirtschaftsdünger, welches sonst als Emission verloren gehen würde, zu binden und in weiterer Folge fermentativ zu hochwertigem, proteinreichem Futtermittel zu veredeln. Diese kombinierte Herangehensweise übertrifft konventionelle, rein technische Lösungen und trägt somit zu einer breiteren Akzeptanz von dringend notwendigen Klimaschutzmaßnahmen bei.
Schlagwörter (deutsch)
Ammoniak-Emissionen, Wirtschaftsdünger, Futtermittel, Molke
Titel, Abstract, Schlagwörter (englisch)
Titel (englisch)
TdRF2023_ Practical on-farm ammonia emission reduction and valorisation
Abstract (englisch)
The achievement of the quantitative targets for the reduction of ammonia emissions set out in the Austrian ‘Emissionsgesetz-Luft 2018’ poses major challenges, especially for the agricultural sector. The project therefore pursues a practical approach that leads to an effective reduction of ammonia emissions and at the same time generates regional added value. In concrete terms, acidic agricultural by-products are used to bind ammonia from farm manure, which would otherwise be lost as an emission, and subsequently refined by fermentation into high-quality, protein-rich animal feed. This combined approach outperforms conventional, purely technical solutions and thus contributes to a broader acceptance of urgently needed climate protection measures.
Schlagwörter (englisch)
ammonia emissions, farm manure, animal feed, whey
Projektziele
Ziel des Projektvorhabens AMMORE ist landwirtschaftliche Ammoniak-Emissionen aus Wirtschaftsdünger zu vermeiden. Stattdessen wird der sonst in die Umwelt entweichende Ammoniak einer stofflichen Nutzung zugeführt. Dazu wird ein „Proof-of-Concept“ einer Ammoniak-Sequestrierung und Wertschöpfung als Futtermittel erbracht, welche die quantitative Erfassung der möglichen Emissionseinsparungen sowie die Erarbeitung eines praxisbezogenen Implementierungsszenarios beinhaltet. Kombiniert mit einer Untersuchung der Eignung und Preiswürdigkeit des Futtermittels liegt eine belastbare Datenbasis vor, welche als Entscheidungsgrundlage für zukünftige, konkrete Umsetzungsprojekte dient. Der Landwirtschaft wird somit eine neue Möglichkeit gegeben, um nachweislich positive Effekte für Umwelt- und Klimaschutz zu erzielen und zusätzlich regionale Wertschöpfung zu generieren.
AMMORE wird, im Zusammenhang mit der Separierung von Ammoniak aus Wirtschaftsdünger (Gülle, Gärrest), ein Technologiekonzept untersuchen und entwickeln, das insbesondere auch in der biozertifizierten Landwirtschaft geeignet ist. Die chemische Ammoniak-Fixierung erfolgt nämlich über eine Milchsäurelösung, welche über Reststoffe aus der Milchwirtschaft fermentativ hergestellt wird. Der Prozess ist entsprechend selektiv und effektiv, da die freie Säure ausschließlich für die chemische Fixierung des Ammoniaks aus der Wirtschaftsdünger eingesetzt wird. Dadurch können große Einsatzmengen von freier Säure, die üblicherweise aufgrund der sehr hohen Pufferkapazität von Güllen zur Ansäuerung und Verschiebung des pH-Wertes erforderlich sind, vermieden werden.
Bei der Abtrennung von Ammoniak werden zwei verschiedenen Ansätze verfolgt:
- Die (semi-)kontinuierliche Abtrennung des Ammoniaks aus Wirtschaftsdünger und Überführung in eine saure Empfängerlösung, bei der dieser chemisch fixiert wird (vor allem als Ammoniumlactat). Dazu wird ein geeignetes Membranverfahren zur selektiven Entgasung des Ammoniaks aus der Gülle zum Einsatz kommen. Die organische Säure wird ebenso parallel über eine weiterführende milchsaure Vergärung der Molke bereitgestellt, um den Anteil an freier Säure nachzubilden.
- „Just in time“ Behandlung von Gülle: Hierbei wird untersucht, ob eine möglichst vollständige und schnelle Abtrennung von Ammoniak aus der Gülle ein entsprechendes „emissionsfreies bzw. emissionsreduziertes Zeitfenster“ eröffnen kann, welches für eine unmittelbare Ausbringung der Gülle genutzt werden kann. Dazu sind leistungsstarke Stripp- bzw. Flashverfahren zur Abtrennung von Ammoniak vorgesehen.
Die beiden technologischen Ansätze sind sehr praxisrelevant, da es zu einer signifikanten Reduktion der Ammoniakemissionen sowohl bei Lagerung als auch bei der Ausbringung von Wirtschaftsdünger kommen kann. Das Projekt AMMORE wird dies in grundlegenden Experimenten und darauf aufbauenden Versuchen konkret untersuchen und zudem belastbare Daten generieren. Da die beschriebenen Technologien mit zusätzlichem Aufwand verbunden sind, welche Zusatzkosten für Installation und Betrieb verursachen, sind ebenso Untersuchungen zur Inwertsetzung des separierten Stickstoffs im Projekt enthalten.
Das Projekt wird exemplarisch die Veredelung des Ammoniumlactats zur Herstellung von „Single Cell Protein“ (SCP) in Fermentationsversuchen austesten und evaluieren. In diesem Zusammenhang wird die generierte SCP-Biomasse chemisch charakterisiert, die Eignung für den Futtermitteleinsatz erhoben sowie die Preiswürdigkeit des Produkts abgeschätzt.
Ziel ist es die generierten Ergebnisse abschließend einer Evaluierung und gesamtheitlichen Bewertung zu unterziehen. Dabei sollen konkrete Aussagen betreffend einer Reduktion der Ammoniak-Emissionen getroffen werden. Zusätzlich erfolgt die Erstellung eines geeigneten Anlagenkonzeptes, welche insbesondere auf die speziellen Anforderungen der landwirtschaftlichen Praxis abgestimmt ist. Dies dient als Grundlage für weitere geplante Arbeiten zur konkreten Technologieentwicklung und Umsetzung, die nicht Gegenstand des vorliegenden Projektantrages sind.
Das Projekt AMMORE verfolgt zusammenfassend folgende konkrete Projektziele:
- Eine nachweisliche Emissionsreduktion von Wirtschaftsdünger durch Überführung des flüchtigen Ammoniakanteils in eine saure Empfängerlösung.
- Die fermentative Fixierung von Ammoniak durch Umsetzung in eine Ammoniumlactat-Lösung.
- Die fermentative Fixierung von Ammoniak als Zellprotein zur Anwendung als Futtermittel.
- Die Evaluierung der Ergebnisse und Erarbeitung eines praxisnahen Anlagenkonzepts als Basis für eine nachfolgende Pilotierung.
Praxisrelevanz
Die im Projektvorhaben behandelte Problematik der Ammoniak-Emissionen stellt ein sehr aktuelles und in der Praxis höchst relevantes Thema in der Landwirtschaft dar. Das Projekt AMMORE will dazu neue Lösungsansätze zur Reduktion der Ammoniakemissionen bereitstellen.
Grundproblematik
In die Luft freigesetztes Ammoniak (NH3) hat in mehrerlei Hinsicht negative Auswirkungen auf die Umwelt. Es gilt einerseits als indirektes Treibhausgas, da es zu Lachgas (N2O), einem um den Faktor 300 klimawirksameren Gas als CO2, umgewandelt werden kann. Andererseits schädigt es durch unkontrollierbare Eutrophierung und Versauerung Pflanzen und Ökosysteme und führt so zu einem Diversitätsverlust. Außerdem trägt Ammoniak zur Bildung von Feinstaubpartikel bei und gefährdet damit die menschliche Gesundheit.
Legislative Rahmenbedingungen
Um diesem Problem entgegenzuwirken, hat sich Österreich im Rahmen der EU-NEC-Richtlinie zur Reduktion der Ammoniak-Emissionen verpflichtet und diese Reduktionsziele im nationalen Emissionsgesetz-Luft 2018 konkret festgelegt. In der Periode 2020-29 gilt es demnach die NH3-Emissionen um 1 % pro Jahr, ab dem Jahr 2030 dann um 12 % pro Jahr gegenüber dem Vergleichsjahr 2005 zu reduzieren. In absoluten Werten entspricht dies einem Grenzwert von maximal 62,43 kt/a NH3-Emission im Jahr 2020 der sich auf 55,49 kt/a im Jahr 2030 reduzieren soll. In der Realität hinkt Österreich seinen Zielen derzeit allerdings mit Realemissionen von 65,42 kt/a (2020) und 65,8 kt/a (2021) deutlich hinterher [1, 2].
Problemfelder
94 % der NH3-Emissionen in Österreich stammen aus der Landwirtschaft, wovon wiederum 43,5 % auf die Ausbringung von Wirtschaftsdünger entfallen und über 45 % in die Bereiche Stall, Hof und Lagerung [3]. Es müssen daher in all diesen Bereichen erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um zukünftig Strafzahlungen zu vermeiden.
Problematik vorhandener Lösungen
Gerade in kleinbäuerlichen Betrieben kann die Anschaffung von neuen Gerätschaften zur Ausbringung von Wirtschaftsdünger wie Schleppschlauch oder Schleppschuh eine finanzielle Hürde darstellen. Darüber hinaus ist ihr Einsatz auf gewissen Betrieben gar nicht möglich (steile Hanglagen etc.). Bezüglich der Lagerung ist eine Abdeckung von Güllelagern ebenso teuer wie ineffektiv, wenn die Gülle zur Homogenisierung vor der Ausbringung kräftig aufgerührt wird und dabei das Lager geöffnet werden muss. Alternative Problemlösungen der Ammoniakvermeidung durch chemische Zusätze, wie das Ansäuern mittels Mineralsäuren (z. B. durch Zugabe von Schwefelsäure) sind nicht nur kostenintensiv, sondern insbesondere in der Biolandwirtschaft nicht zulässig.
Das Projekt setzt nicht nur auf die Vermeidung von NH3-Emssionen, sondern möchte einen möglichen Weg zur Inwertsetzung durch stoffliche Verwertung aufzeigen. Für die dazu notwendige sogenannte „Empfängerlösung“, eignet sich z. B. eine aus Sauermolke hergestellte Milchsäurelösung.
Sauermolke Ausgangslage
Sauermolke fällt in großen Mengen bei der Käse- und Topfenherstellung an. Abzüglich der direkt verfütterten Sauermolke (128.200 t/a) und der momentan ins Ausland verbrachten Molke von 99.700 t/a, ergibt das ein unmittelbar ausschöpfbares Potential von 104.900 t/a [4]. Momentan muss diese nicht genutzte Sauermolke entsorgt werden. Dies geschieht auf bäuerlichen Betrieben wie Hofkäsereien durch die Einleitung von Molke in die Güllegrube, bei industriellen Molkereien wird die Molke oft in Biogasanlagen verbracht und/oder muss kostenpflichtig entsorgt werden.
Der im Projekt beforschte Ansatz sieht ein möglichst geringes Investment vor und erlaubt die Nutzung bestehender technischer Gerätschaften (z. B. Güllefass mit Prallteller) zur Wirtschaftsdüngerausbringung. Anstatt in die Luft zu entweichen wird der Stickstoff allerdings einer weiteren Nutzung zugeführt. AMMORE schafft also einen Mehrwert für alle beteiligten Akteure und leistet durch Emissionsvermeidung und effizienten Ressourceneinsatz einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.
Vorteile des vorgeschlagenen Lösungsansatzes:
- Effizienz: Die freie Säure wird ausschließlich für die chemische Bindung des Ammoniaks eingesetzt. Dadurch sind die erforderlichen Säuremengen geringer. Eine direkte pH-Wert Absenkung durch Zugabe von Säure in der Gülle benötigt wegen der hohen Pufferkapazität der Gülle ein Vielfaches an Säure.
- Biotauglichkeit: Durch den Einsatz von Milchsäure ist eine Eignung für die Biolandwirtschaft sehr wahrscheinlich.
- Kein realer N-Verlust: Es wird nur jener Ammoniakanteil aus der Gülle abgetrennt, welcher bei Lagerung oder Ausbringung ausgasen würde.
- Zusatzeinkommen: Durch die Inwertsetzung kann zusätzliches Einkommen für die Landwirtschaft generiert werden.
- Klimarelevanz: Eine nachweisliche Reduktion von Ammoniak-Emissionen bei Lagerung- und Ausbringung von Wirtschaftsdünger und deren gleichzeitige Nutzung birgt großes Potential für den Klimaschutz.