© Putz, Anselm, 2024
Genom-Scan österreichischer Bienenpopulationen mit besonderer Berücksichtigung der Varroa Resistenz und praktischer züchterischer Fragestellungen
Mit den Projekt BienenGenom konnten mehrere Fragestellungen bzw. Punkte mit züchterischer Relevanz geklärt werden und es war in weiterer Folge möglich, neben dem Aufbau eines umfassenden Daten- und Probenarchivs, sowie Analyseinstrumentariums, auch ein Folgeprojekt (FFG SelectBees2.0) in die Wege zu leiten. Somit wurde ein solides Fundament für die Bienenforschung in Österreich etabliert, mit dem man auch zukünftig in der Lage sein wird, essentielle Fragestellungen der Züchtung und Vererbungsbiologie in Hinblick auf Varroa-Resistenz und damit Tiergesundheit zu bearbeiten. In diesem Forschungsprojekt konnte einem zentralen Punkt der allgemeinen gesellschaftlichen Rezeption, bekannt geworden unter dem Sammelbegriff „Biodiversitätskrise“, auch Rechnung getragen werden. Mit der Analyse der genetischen Diversität bei zwei in Österreich beheimateten Bienenpopulationen, der Carnica Biene (Apis mellifera carnica) und der Dunklen Biene (Apis mellifera mellifera), war es möglich, mit Hilfe zweier unterschiedlicher wissenschaftlicher Ansätze die genetische Vielfalt, die Zusammensetzung des Genpools und die gegenwärtigen Tendenzen in Hinsicht auf den Verlust von Diversität zu untersuchen. Die Carnica Biene gilt als Leistungsrasse und wird daher international stark in der Imkereiwirtschaft eingesetzt. Neben Slowenien gilt auch Österreich als Ursprungsgebiet dieser Rasse bzw. Subspecies, und es gingen zahlreiche züchterische wie wissenschaftliche Impulse von Österreich, insbesondere vom ehem. Bundesforschungsinstitut für Bienenkunde Lunz aus, welche für die Leistungssteigerung und die internationale Verbreitung der Carnica essentiell waren. Vor diesem Hintergrund gingen in den frühen 1990er Jahren zwei österreichische Carnica Zuchtverbände hervor – die Austrian Carnica Association (ACA) und die Zentrale Arbeitsgemeinschaft österreichischer Carnicazüchter (ZAC!). Diese beiden Zuchtpopulationen wurden mittels der Methode der Pedigreeanalyse untersucht, wobei die Zusammensetzung des Genpools und die züchterischen wie populationsgenetischen Tendenzen genau analysiert wurden. Aufgrund von moderatem Inzuchtzuwachs, begrenzter Populationsgröße (ZAC!) und unbalanciertem Zuchttiereinsatz (ACA) zeigen beide Zuchtpopulationen einen moderaten Verlust an genetischer Diversität, der vergleichbar ist mit Nutztierpopulationen, die an der Grenze zur Erhaltungszucht stehen. Diesbezüglich repräsentiert die Existenz von zwei genetisch differenzierten Carnica Zuchtpopulationen und die ausgeprägten genealogischen Strukturen beider Populationen eine wertvolle Ressource, die zukünftig in der Zuchtplanung genutzt werden kann, um genetische Carnica Variabilität weiterhin zu erhalten. Die „Dunkle Biene“ (Apis mellifera mellifera), einst die dominierende Rasse/Subspezies in Mittel- und Nordeuropa bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist in Österreich mittlerweile eine Randerscheinung und vom Aussterben bedroht. Hier wurden in diesem Projekt mit Hilfe neuester molekulargenetischer Methoden (70k SNP Chip Analyse, Netzwerk- und Autozygotieanalyse) die genetische Zusammensetzung österreichischer Mellifera Populationen in Hinsicht auf die Introgression von C-Linien Genanteilen und die molekulargenetischen Inzuchtverhältnisse untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass bei der österreichischen Dunklen Biene eine durchschnittliche Inzucht von 5,9% bis 2,8% vorkommt. In Bezug auf den Mellifera Genanteil stammen im Schnitt 87,2% bis 82,3% der Gene aus dem Mellifera Hintergrund– der C-Linien Genanteil (Carnica Genanteil) liegt somit zwischen 12 und 17%. Daraus schlussfolgernd sollte zum weiteren Erhalt der Dunkeln Biene von Zeit zu Zeit (ca. im 5-10 jährigen Intervall) ein molekulargenetisches Monitoring durchgeführt werden, damit die Populationen stabilisiert bzw. erhalten werden können. Das methodische Instrumentarium bzw. der Vergleichsdatenpool dazu wurden in diesem Projekt erstellt. Eines der bekanntesten Charakteristika der Honigbiene stellt ihre spezifische Fortpflanzungsbiologie – die Polyandrie oder Mehrfachpaarung – dar. Um dennoch eine kontrollierte Paarung und damit die Übertragung eines Zuchtfortschritts zu gewährleisten, etablierte sich das sogenannte „Belegstellensystem“, semi-isolierte Paarungsstationen auf denen mehrere 1b Vollgeschwister Königinnen die Drohnen (Erbmaterial des 4a Volks) für die Anpaarung stellen. Die Sicherheit der Anpaarung hängt somit in erster Linie von der Topographie der Belegstelle und der Anzahl an aufgestellten Drohnenvölkern ab. Die Ermittlung der Anpaarungssicherheit ist von zentralem tierzüchterischem Interesse, da damit auch ein Qualitätskriterium für die angepaarten Zuchtköniginnen wie auch für das jeweilige Zuchtprogramm ermittelt wird. Obwohl in der Bienenforschung Vaterschaftsanalysen durchgeführt werden, sind die Publikationen diesbezüglich dürftig, vor allem in den neueren bi-allelen Systemen, und es existiert derzeit noch kein Standardverfahren. In diesem Projekt wurde ein Verfahren entwickelt und geprüft, mit dem standardmäßig Vaterschaftstest mit hoher Aussagekraft auch auf dem spezifischen Belegstellenszenario durchgeführt werden können. Die Sicherheiten der getesteten semi-isolierten Gebirgsbelegstellen Österreichs liegen zwischen 82 und 94%, mit einer Korrekturmöglichkeit nach oben. Diese Ergebnisse verdeutlichen somit den hohen Qualitätsstandard österreichischer Belegstellen im Alpengebiet. Die Varroa-Resistenz bei der westlichen Honigbienen A.mellifera gilt als komplexes Merkmal, dessen phänotypische Variation durch Umwelteinflüsse, polygenetischen Hintergrund oder Genregulation verursacht wird. Aufgrund der komplexen Merkmalserhebung bzw. schwierigen Phänotypisierung ist die Resistenzzucht in erster Linie wissenschaftlichen Projekten bzw. individuellen Zuchtbetrieben vorbehalten, die sich den daraus ergebenden Zusatzaufwand leisten können. Vom derzeitigen Stand des Wissens ausgehend, werden Verhaltensmerkmale (SMR – supressed mite reproduction, VSH – Varroa sensitive hygiene, Recapping – Wiederverdeckelung von Brutzellen, allgemeines Hygieneverhalten) und Milbenbefallsraten (Brutbefall, Bienenbefall, Totabfallszahlen) herangezogen, um entweder Selektionsentscheide zu treffen oder um entsprechende Testdatendesigns zu etablieren, die für Assoziationsstudien mit Genotypdaten verwendet werden, um eventuelle genetische Marker zu identifizieren. In diesem Projekt konnten 275 Carnica Völker aus diversem genetischem Hintergrund umfassend phänotypisiert, analysiert und archiviert werden. Es konnte weiter mit Hilfe empirischer Daten ein Kategorisierungsmodell für Resistenzgrade entwickelt werden, das auch eine entsprechende Datenspreizung für genom-weite Assoziationsstudien bietet. Von diesen Prüfvölkern konnten 22,9 % der Völker als resistent charakterisiert werden, mit einem mittleren SMR von 0,44 (+/- 0,09) und einer Brutbefallsrate von 0,04 (+/- 0,03). In anfälligen Bienenvölkern betrug das SMR im Durchschnitt 0,22 (Brutbefall von 0,22), und dieser Wert sank auf 0,18 (Brutbefall von 0,52) in als nicht lebensfähig eingestuften Völkern. Die darauffolgende Genom-weite Assoziationsstudie identifizierte zwei SNP Marker die inmitten von Genen (zwei noch nicht charakterisiert und das Gen FOXP) lokalisiert waren. Das Gen FOXP auf Chromosom 13 ist bekannt als „Sprach-Gen“ und wurde bei der Biene in Zusammenhang mit Lernverhalten und Tanzverhalten gebracht. Methodisch konnte in diesem Forschungsprojekt auch evaluiert werden inwieweit der von Jones et al. (2020) entwickelte und seit 2023 verfügbare 70k Illumina® Honey Bee Genotyping Array für die Anwendung im Bereich der Resistenzzucht- und Forschung geeignet ist. Im Juni 2024 konnte in Kooperation mit Dr. Berthold Heinze vom BFW sowie Dr. Stefan Mandl und dem Autor ein Forschungsprojekt mit dem Titel: „SelectBees2.0 - Selektion österreichischer Carnica Bienen auf Varroa-Resistenz“ erfolgreich beim FFG über das Programm Bridge 2024-01 eingereicht werden. Die hier im Projekt BienenGenom erarbeiteten Ergebnisse und Daten stellen somit einen guten Ausgangspunkt für die weitere Forschung im Bereich der Varroaresistenz dar.