Standfestigkeit bzw. Lager von Kurzstroh- und Langstrohroggen am Standort Edelhof, Juli 2021

© Heinrich Grausgruber

Entwicklung von standfestem und klimaangepasstem Roggen

Die europäische Getreideproduktion erfährt eine fortschreitende Intensivierung und Spezialisierung auf Weizen und Gerste zu Lasten von Hafer, Roggen und anderen wenig genutzten Getreidearten. Diese Spezialisierung führt zu einem kontinuierlichen Verlust an landwirtschaftlicher Biodiversität und traditioneller Landbewirtschaftungssysteme. Roggen ist die einzige fremdbefruchtende Getreideart und benötigt daher roggenspezifische Strategien hinsichtlich der züchterischen Verbesserung. Das Ziel von RYE-SUS war die Entwicklung, Erprobung und Modellierung von Gibberellin-sensitivem Halbzwergroggen mit optimiertem Ernteindex, verbesserter Standfestigkeit, hohem Ertragspotential und verbesserter Trockenheitstoleranz für eine nachhaltige Intensivierung. Die systematische Ausnutzung der Heterosis und die genetisch optimierte Verteilung der Assimilate auf das Korn soll zur Ernährungssicherheit beitragen ohne mehr Land zu verbrauchen und gleichzeitig die Treihausgas-Emissionen senken. Im Rahmen des Projektes wurden drei Halbzwerg-Genotypen sowie ihre nah-isogenen langstrohigen Schwesterlinien als Sameneltern verwendet, die das sogenannte Pampa Cytoplasma für männliche Sterilität tragen. In Kreuzungen mit 16 Pollenspender wurden 48 Halbzwerg-Prototypen und ihre 48 nah-isogenen langstrohigen Schwesterlinien entwickelt. Die Anwesenheit dreier Gene für die Wiederherstellung der Pollenfertilität in der F1 ermöglicht eine Minimierung des Risikos eines Mutterkornbefalls. Die Prüfung der Experimentalhybride erfolgte unter biologischen Produktionsbedingungen im Marchfeld sowie unter konventionellen Bedingungen im Waldviertel. An keinem der beiden Standorte waren die Kurstrohhybride ertragreicher als ihre langstrohigen Pendants. Im Waldviertel zeigten die kurzstrohigen Typen allerdings eine deutlich bessere Standfestigkeit. Die niedrigeren Kornerträge der Halbzwerghybride war vor allem auf ein niedrigeres Korngewicht zurückzuführen, während die Bestockung etwas höher war als bei den langstrohigen Vergleichshybriden. Auf diverse Qualitätsmerkmale wirkte sich das Kurzstrohgen nicht negativ aus. Auch der Befall mit Mutterkorn war in den Testhybriden nicht erhöht im Vergleich zu offen abblühende Populationssorten. Um das dominante Kurzstrohgen Ddw1 in Zukunft besser nutzen zu können wurde eine Inzuchtlinie mit Ddw1 mit 13 verschiedenen Populationssorten gekreuzt. Halbzwerghybride aus den Kreuzungen mit Elego, Elias und SU Popidol wurden von den österreichischen Partnern verwendet um damit ein Rückkreuzungsprogramm zu starten. Daraus entstandenes Material wird derzeit bei der Saatzucht Edelhof und der Universität für Bodenkultur Wien weitergeführt. Weiters wurde im Rahmen des Projektes ein Referenzsversuch mit 24 Roggensorten, zugelassen zwischen 1876 und 2018, etabliert und über zwei Jahre an verschiedenen Standorten geprüft. Mit Hilfe dieses Sortiments konnte ein deutlicher Zuchtfortschritt, vor allem in den letzten 40 Jahren gezeigt werden, wobei die Hybridsorten den offen abblühenden Populationssorten überlegen sind, auch unter Bedingungen des biologischen Landbaus. Basierend auf fast 40000 historischen Beobachtungen von mehr als 100 Standorten in ganz Deutschland während des Zeitraums 1983 bis 2019 wurde eine Ökobilanz für die Produktion von Weizen und Roggen berechnet. Dabei zeigte sich, dass die Treibhausgas-Emissionen und der CO2-Fußabdruck pro Einheit Ernteprodukt von Roggen kleiner sind als die von Weizen. Hybridsorten zeigten zwar höhere Treibhausgas-Emissionen pro Flächeneinheit, aber einen niedrigeren CO2-Fußabdruck im Vergleich zu Populationssorten. Basierend auf dem umfangreichen Datensatz sowie den Ergebnissen aus den Referenzsortiment und den entsprechenden Klimadaten wurden mehr als 1000 sortenspezifische Pflanzenmodelldateien erstellt um ein bestehendes Wachstumsmodell für Weizen an den Roggen anzupassen. Das kürzlich veröffentlichte Roggen-Referenzgenom ermöglichte zudem die Identifikation von einer Reihe von zuvor unbekannten Genen, die wesentlich zur Winterhärte beitragen. Basierend darauf wurden mehrere molekulare Marker identifiziert die in Zukunft eine Marker-gestützte Selektion auf Winterhärte möglich machen.

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