Projektpartner beim Abschlussworkshop in Pfunds 2023

© Rudolf Philippitsch

Blockgletscher als Grundwasserspeicher in alpinen Einzugsgebieten und ihr Einfluss auf übergeordnete Flusssysteme unter dem Aspekt des Klimawandels

Die Alpen sind in besonders hohem Maße von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Das Abflussverhalten ihrer Quellen und Flüsse erfährt tiefgreifende Veränderungen, bedingt durch die steigenden Lufttemperaturen, das rasche Abschmelzen der Gletscher, die veränderte Schneedeckendynamik im Hochgebirge, den auftauenden Permafrost und die Zunahme von Extremwetterereignissen wie Dürreperioden und Starkniederschlägen im österreichischen Alpenraum. Zugleich nehmen alpine und hochalpine Einzugsgebiete eine hydrogeologische Schlüsselrolle ein und tragen überproportional zum Abfluss in den vorgelagerten Gebieten bei. Die hydrogeologischen Veränderungen im Zuge des Klimawandels bestimmen somit die zukünftige Verfügbarkeit alpiner Wasserressourcen im österreichischen Alpenraum. Ein umfassendes Verständnis dieser Prozesse und Veränderungen ist daher entscheidend für ein nachhaltiges Wasserressourcenmanagement im Alpenraum.

Blockgletscher bilden wichtige Porengrundwasserleiter in Österreichs Gebirgsregionen. Diese Sedimentakkumulationen, gebildet unter Permafrostbedingungen als langsam talwärts kriechendes Schutt-Eisgemisch, stellen durch ihren Porenraum ein erhebliches Potenzial für die Grundwasserspeicherung zur Verfügung. Je nach Jahreszeit ist dieser Speicher mehr oder weniger wassergefüllt und puffert Extremereignisse wie Starkniederschläge oder Regen während der Schneeschmelze durch Zwischenspeicherung und verzögerte Entleerung ab. Des Weiteren gewährleisten diese Grundwasserspeicher den Basisabfluss alpiner Bäche und Flüsse während der Wintermonate und während Trockenperioden. Ihre hydrogeologischen Eigenschaften bestimmen die Schüttungsdynamik der daran gebundenen Quellen und prägen damit den Abfluss des alpinen Gewässernetzes.

Das vorliegende Projekt dient der Charakteristierung dieser hochalpinen Porengrundwasserkörper und ihres Einflusses auf übergeordnete Flusssysteme im Sinne des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG.

Aufbauend auf den Ergebnissen des Vorprojekts RGHeavyMetal (101093) wurden die hydrogeologischen Eigenschaften von Blockgletschern anhand von fünf klimatisch und geologisch unterschiedlichen Testgebieten entlang des Alpenhauptkamms analysiert und ihr Anteil am Abfluss des alpinen Gewässernetzes zu verschiedenen Jahreszeiten bestimmt. Zu diesem Zweck wurde ein Monitoringnetzwerk aus 14 Pegeln an Blockgletscherquellen und den aus ihnen gespeisten Bächen eingerichtet und mit 4 langfristig bestehende Pegelstationen des Hydrographischen Dienstes ergänzt, die die übergeordneten Einzugsgebiete (bis 200 km²) erfassen. Auf dieser Datengrundlagen wurden semi-distributive Niederschlags-Abfluss-Modelle erstellt und anhand dreier Klimaszenarien (RCP2.6, RCP4.5 und RCP8.5) der Einfluss des Klimawandels auf das alpine Gewässernetz bis zum Ende des 21. Jahrhunderts prognostiziert. Parallel dazu wurde ein umfassendes Mess- und Beprobungsprogramm zur isotopenhydrologischen Charakterisierung der Wässer durchgeführt. Dies diente zur Bestimmung der wichtigsten Grundwasserneubildungskomponenten (Regen, Schnee) und zur Abschätzung der Verweilzeit des Wassers. Zusätzlich erfolgte eine Probenahme zur Ermittlung anorganischer Spurenstoffe sowie der Belastung durch persistente organische Schadstoffe. Durch Kombination dieser Ansätze wird eine evidenzbasierte Grundlage für die quantitative und qualitatitve wasserwirtschaftliche Planung im hochalpinen Raum geschaffen.

Als Grundlage für die überregionale wasserwirtschaftliche Planung wurden die in Blockgletschern gespeicherten Wasserressourcen für den österreichischen Alpenraum abgeschätzt – einerseits hinsichtlich der gegenwärtig in Form von Permafrosteis gebundenen Ressourcen, andererseits hinsichtlich des zur Grundwasserspeicherung verfügbaren Porenraums. Österreichweit sind Blockgletscher in der Lage, ein Grundwasservolumen von bis zu 0,6 km³ zu speichern und erst mit mehrmonatiger Verzögerung an die darunter liegenden Bäche und Flüsse abzugeben. Dies entspricht in etwa dem 1,4-fachen des jährlichen Trinkwasserbedarfs Österreichs und gewährleistet den Basisabfluss während der langen, Schmelz- und Regenwasser armen Winterperiode im Hochgebirge. Darüber hinaus speichenr sie langfristig ein Wasseräquivalent von etwa 0,9 km³ in Form von Permafrosteis. Diese Speicherpotentiale verändern sich – im Vergleich zu den meisten anderen Komponenten des alpinen Wasserkreislaufs – nur sehr langsam im Zuge des Klimawandels: Das Permafrosteis ist durch die auflagernde Sedimentschicht gut geschützt und schmilzt nur langsam ab, wodurch dann weiterer Porenraum für die Grundwasserspeicherung frei wird und in Zukunft als zusätzlicher Speicher zur Verfügung stehen wird.

Die Ergebnisse verdeutlichen die zentrale Rolle von Blockgletschern für die hochalpine Entwässerungsdynamik, insbesondere in Gebieten mit kristallinem Festgesteinsuntergrund. Aufgrund ihrer internen Struktur zeigen sie eine hydrogeologische Speicher- und Pufferfunktion, die sich in mehrfacher Hinsicht ausdrückt: Ihre grobblockige Oberfläche bedingt eine hohe Infiltrationskapazität, sodass große Wassermengen – beispielsweise während Starkniederschlägen oder Regenereignisse während der Schneeschmelze – aufgenommen werden können. Zugleich ist ihre feinkörnige, ungefrorene Basisschicht in der Regel bis zu mehrere Meter mächtig und in der Lage, Grundwasser über Monate hinweg zu speichern. Die darunter liegenden Gewässer erster Ordnung setzen sich im Schnitt zu hohen Anteilen (> 80 %) aus zumindest länger gespeichertem Grundwasser zusammen (> 2- 3 Monate, mitunter deutlich länger).

Der Einfluss der Blockgletschereinzugsgebiete auf übergeordnete Gewässer kann je nach Ausdehnung und Verteilung saisonal beträchtlich ausfallen. Insbesondere in kristallinen Gebieten kann der Blockgletscher-Abfluss nahezu den gesamten Basisabfluss (> 90 %) von Flüssen erster Ordnung bereitstellen. In größeren Einzugsgebieten (bis 200 km²) weist er typischerweise eines von zwei Mustern auf: (1) „Schmelzwasser-dominiert“, mit starkem Einfluss im späten Frühjahr auf die Abflussdynamik übergeordneter Gewässer, insbesondere in Einzugsgebieten mit Karstaquiferen und/oder großvolumigen Sedimentfüllungen in den Talllagen; (2) „Grundwasser-dominiert“ bei starkem Einfluss unter Basisab-flussbedingungen, insbesondere in jenen Einzugsgebieten, in denen Blockgletscher die quantitativ die wichtigsten Grundwasserspeicher darstellen.

Durch ihre hohe, entlegene Lage sind Blockgletscher als Grundwasserleiter vor anthropogenen Verunreinigungen in der Regel gut geschützt. Negative Einflüsse auf die Wasserqualität ergeben sich jedoch lokal durch geogene Ursachen – etwa in Form erhöhter Schwermetallbelastungen im Umfeld von Vererzungen: Die fortdauernde Bewegung intakter Blockgletscher produziert stets neue, frische Mineralbruchflächen, die eine Lösung und Anreicherung der Metalle im Grundwasser begünstigen. Anderesreits konnten auch vereinzelte Verunreinigungen durch persistente organische Schadstoffe, wie beispielsweise PFAS, durch atmosphärischen Eintrag nachgewiesen werden. Insofern ist stets eine lokale Risikobewertung von Entnahmestellen für Trinkwasserversorgungen vorzunehmen, da eine geringfügige Hintergrundbelastung vorliegen kann.

Die prognostizierten Abflussveränderungen im Zuge des Klimawandels zeigen, dass sich die Abflussmenge in den meisten Fällen lediglich um einige Prozentpunkte verändern wird, es kommt zu einer Zunahme im Osten und einer Abnahme im Westen. Auffallend ist eine deutliche, saisonale Verschiebung der Abflussdynamik. In allen Untersuchungsgebieten werden deutlich erhöhte Abflüsse im Frühjahr und Frühsommer erwartet, gestaffelt nach Höhenlage und zukünftigem Zeitpunkt der Schneeschmelze. Die Spitzenabflüsse treten entsprechend 1 – 2 Monate früher auf. In tiefer gelegenen Gebieten können häufigere Wärmeperioden während der Wintermonate den Basisabfluss zusätzlich deutlich erhöhen. Die alpinen Grundwasserespeicher werden somit früher gefüllt und beginnen früher auszulaufen, in Kombination mit der verstärkten Evapotranspiration während der Sommermonate (höhere Lufttemperatur) ergibt sich ein ausgeprägtes Abflussdefizit in dieser Zeit. Zeitpunkt und Ausprägung dieser Veränderungen hängen dabei maßgeblich von den hydrogeologischen Gegebenenheiten der Einzugsgebiete ab, insbesondere von den verfügbaren Grundwasserleitern und ihrer räumlichen Verteilung – diese sind teils in der Lage, die saisonalen Veränderungen abzuschwächen, können sie jedoch nicht ausgleichen. Die Ergebnisse des Projekts legen nahe, dass der sich ändernden Schneedeckendynamik eine Schlüsselrolle hinsichtlich der zukünftigen Verfügbarkeit alpiner Wasserressourcen zukommt.

Aus wasserwirtschaftlicher Perspektive ermöglichen die gewonnen Erkenntnisse eine planbare, nachhaltige Nutzung der von Blockgletschenr zur Verfügung gestellten Wasserressourcen. Die zukünftigen Veränderungen der Abflussdynamik sind durch kombinierte Auswertung von Klimaszenarien und Niederschlags-Abfluss-Modellen prognostizierbar und ermöglichen eine langfristige Planung durch die öffentliche Hand. Auf dieser Grundlage können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um möglichen Schwierigkeiten und Nutzungskonflikten – beispielsweise infolge des sommerlichen Abflussrückgangs – zu begegnen und im Spannungsfeld zwischen steigender Nutzung des Alpenraums und erforderlichem Schutz seiner Wasserressourcen zu vermitteln. Da insbesondere der Einfluss der veränderten Grundwasserneubildung durch Schnee die zukünftige Verfügbarkeit alpiner Wasserressourcen besimmen wird, ist ein verbessertes Verständnis dieser Prozesse anzustreben. Das vorliegende Projekt trägt dazu bei, eine Grundlage für die dauerhafte Versorgungssicherheit in den alpinen und hochalpinen Räumen der österreichischen Alpen zu schaffen, aus denen Perspektiven für ihre künftige Entwicklung abgeleitet werden können.

zum Projekt